Saarland-Lese

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Saarbrücken

Die 99 besonderen Seiten der Stadt

Rita Dadder und Florian Russi

Saarbrücken, Landeshauptstadt des Saarlandes und unmittelbar an der deutsch-französischen Grenze gelegen, ist eine Stadt mit vielen Reizen. Es hat eine lange und wechselvolle Geschichte. Von Goethe wurde es besucht und beschrieben und von Kaiser Barbarossa teilweise zerstört. Heute ist Saarbrücken eine moderne Metropole mit Universität, Museen und vielfältiger Kultur. Hier lebt man nach der Devise: »Wir wissen, was gut ist«, ist gastfreundlich und lässt sich gerne »entdecken«.


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Die Jahreskinder

Singen Bewegen Gestalten

Hg. Carolin Eberhardt

Kinder brauchen Lieder, denn Singen macht sie stark fürs Leben. Längst ist nachgewiesen, dass Kinder, die viel singen, ausgeglichener, intelligenter und selbstbewusster werden. Ein Liederbuch für Kinder mit den bekanntesten Liedern durch die vier Jahreszeiten; mit bunten Illustrationen und Ausmalbildern.

Der saarländische Charme oder vom Glück, im Saarland leben zu dürfen

Der saarländische Charme oder vom Glück, im Saarland leben zu dürfen

Georg Fox

Das Saarland ist der kleinste Flächenstaat der Bundesrepublik. Lange wurde das Land als ‚jüngstes' Bundesland bezeichnet, weil es mit einiger Verspätung erst 1957 (politisch) und 1959 (wirtschaftlich) an die Bundesrepublik angegliedert wurde. Seit der Wende von 1989 ist dieser Vorzug verblasst. Inzwischen gehört das Saarland zu den alten Bundesländern irgendwo tief im Südwesten der Republik. Mit vollem Recht jedoch spricht man vom ‚Charme' des Saarlandes. Ich denke, es ist eine gelungene Bezeichnung, um den kleinsten Flächenstaat der Republik zu würdigen und zu charakterisieren. Charme - das klingt immer noch französisch, auch wenn man allerorts längst weiß, dass dieses Land ein deutsches Bundesland ist. Es geht um die Anmut, um die positiv und anziehend wirkende Ausstrahlung dieses Landes.¹

Die Saar in Saarbrücken, rechts der saarländische Landtag
Die Saar in Saarbrücken, rechts der saarländische Landtag

„Reiz ist Schönheit in Bewegung!" schreibt Lessing und Schiller hat festgestellt: „Anmut ist eine Schönheit, die nicht von der Natur gegeben, sondern von dem Subjekt selbst hervorgebracht wird." Was der Charmeur mit Bedacht einsetzt und gezielt benutzt, womit er dann berechnend wirkt, ist beim Charme ohne jeden Arg: Charme ist das Ergebnis eines Prozesses, Charme kann man sich nicht einfach beschaffen oder gar erwerben. Der Charme des Saarlandes ist demnach eine glücklich erreichte Attitüde. Das Saarland besitzt seinen Charme durch seine Landschaft, durch seine Menschen, durch das Flair seines Lebensgefühls, welches verschiedene Sinnesempfindungen vereint. Kernpunkt der Landesidentität sind Harmonie und Widerspruch, Gegensätzliches vereint sich mit der Eintracht, hier im Lande heißt es meist ‚sowohl als auch'. Es gibt von allem ein bisschen und von jedem etwas, ohne dass diese Symbiose von These und Antithese aufgelöst wird.

Die Landschaft ist geprägt von Tälern und Gauebenen, von „Hiwwel unn Huwwel" wie man bei uns in der Mundartsprache sagt. Das phantasiereiche Relief des Landes beschreibt eine Landschaft der Kuppen und Kuhlen, geformt nach Schöpferlaune. Kleine Dörfer kuscheln sich an den Bachläufen, größere Städte verbreitern sich in den Ebenen. Saarbrücken, Völklingen, Saarlouis, Dillingen, Merzig begleiten den Flusslauf der Saar, die in den Vogesen entspringt und später kurz vor Saarburg in die Mosel mündet. Die Saar ist nicht der längste Fluss im Saarland. Diese Ehre gebührt der Blies, die aus dem Nordsaarland kommt und in einem großen Bogen bis ins französische Saargemünd fließt. St. Wendel, Ottweiler, Neunkirchen, Homburg, St. Ingbert heißen die im nördlichen und östlicheren Teil des Landes gelegenen Städte. Saarbrücken ist die Landeshauptstadt. Sie kann sich in der Größe und Ausdehnung nicht messen mit Köln, Düsseldorf, Essen, Dortmund, aber dennoch: Saarbrücken ist ein Kleinod, vielleicht eine kleine Landeshauptstadt, eine große Kleinstadt mit der rechten Dimension für das kleine Saarland.

Grenzschild in Leidingen. Der Fotograf steht in Frankreich, auf der anderen Straßenseite ist Deutschland
Grenzschild in Leidingen. Der Fotograf steht in Frankreich, auf der anderen Straßenseite ist Deutschland

Jede Stadt hat ihre eigene Geschichte und im Saarland ist es meistens so, dass die geschichtlichen Unterschiede weit zurückreichen. Als politische Einheit existiert das Saarland eigentlich zu kurz, als dass sich hier über Jahrhunderte ein gefügtes Saarland-Bewusstsein entwickeln konnte. Zu oft wechselte man seine Zugehörigkeit zwischen Frankreich und Deutschland, man wurde immer wieder durch Volksabstimmungen zum Bekenntnis gebeten. Die Bezüge zu Lothringen, zum Elsass und damit zu Frankreich waren seit Jahrhunderten lebendig, so dass man Plebiszite immer auch mit Bauchgrummeln getroffen hat. Eigentlich wollte man sich nicht durch Abstimmung von den Nachbarn distanzieren. Einheitlichkeit wird man demnach im Saarland seltener vorfinden. Das französische Flair ist überall zu beobachten. Es gibt Pendler beim Arbeitsplatz, beim Einkaufen und beim Besuch der kulturellen Veranstaltungen. Frankreich ist im Saarland immer präsent, sogar schon in den Grundschulen und Kindergärten, wo die Kinder die Sprache der Nachbarn spielerisch lernen.

Mit den Lothringern und Elsässern verbindet die Saarländer ein gemeinsames Schicksal, zwei Länder, zwei Welten und dennoch viele gemeinsame Erfahrungen - manchmal auch bittere Erfahrungen. Auf dem Saargau gibt es ein Dorf, wo die Hauptstraße zugleich auch die Grenzstraße zwischen den Ländern ist. Leidingen besitzt eine Neutrale Straße, welche als einfache Hauptstraße des Dorfes zugleich die Grenze zwischen Frankreich und Deutschland markiert. Links in Leidingen wohnen Franzosen, rechts leben Deutsche. Die Straße gehört beiden. Solche Erfahrungen sind es, die dieses Land geprägt haben, deshalb baute man auf den Höhen von Berus schon vor vielen Jahren ein Europa-Denkmal. Man wollte manifestieren, was notwendig wird und Bestand haben sollte: Gemeinsamkeit, Einigkeit, europäisches Denken. Nicht weit davon entfernt ist eine kleine Kapelle, die der Hl. Oranna geweiht ist. Sie erhört die Sorgen und Nöte, denn St. Oranna wird mit einem Ohr in der Hand dargestellt. Heiratswillige Mädchen bitten übrigens hier in Mundart um einen guten Ehemann (St. Orann, schenk mer en Mann...). Die Dörfer auf den Kuppen und in den Kuhlen versprühen Heimeligkeit, während sich im Frühjahr um sie die gelben Rapsfelder gleich großen Teppichen über die Ebenen verbreiten.

Haus Saargau: ein typisches Lothringer Bauernhaus in Gisingen (Gemeinde Wallerfangen)
Haus Saargau: ein typisches Lothringer Bauernhaus in Gisingen (Gemeinde Wallerfangen)
Die Entscheidung von 1955 über ein europäisches Statut ist den Saarländern nicht leichtgefallen.² Damals spaltete die Abstimmung Familien, sie entzweite Freunde. Umso erstaunlicher, dass nach dem Referendum die Verbundenheit mit Frankreich freundschaftlich blieb. Viele Saarländer sind frankophil und damit allem Französischen gegenüber positiv gestimmt, worauf man im Saarland zu recht auch noch stolz ist. „Das Gefühl eigener Anmut macht anmutig!" schreibt Goethe in Wilhelm Meisters Wanderjahre. Gerade dies ist es, was die Saarländer offenbar in besonderer Weise beweisen können. Der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker hat es festgestellt, als er bei seinem Antrittsbesuch in Saarbrücken erklärte: „Die Saarländer leben uns vor, wie man gleichzeitig ein guter Saarländer, ein guter Deutscher, ein guter Europäer, und ein guter Nachbar sein kann." Saarländer haben trotz der empfundenen Leichtigkeit des Seins eine starke Erdhaftung, ihr Grundgefühl ist geprägt von Natur- und Heimatverbundenheit. Dies setzt sich auch fort in der Berufwelt. Gruben und Hütten bestimmten über ein Jahrhundert die saarländische Arbeitswelt. Die Saarländer lebten mit diesen Chiffren der Arbeitswelt und machten sie zu einem Teil ihres Lebens. Die sprichwörtlich saarländische Hilfsbereitschaft wird oft gedeutet als Ergebnis jahrzehntelanger Anstrengung Untertage. In der Grube war jeder auf jeden angewiesen. Aus der Not gelernt, wurde es eine saarländische Tugend. Die Verbundenheit mit Grube und Hütte bestand und besteht nicht allein vordergründig mit den Stätten des Broterwerbs. Saarländer identifizierten sich damit, trugen stolz die Tracht des Bergmannes, gründeten Bergmannsvereine und bauten ihr Häuschen mit den betrieblichen Baugesellschaften. Nirgendwo sonst in der Bundesrepublik gibt es eine so hohe Quote an Eigenheimen wie im Saarland für das sprichwörtliche saarländische ‚Hausgeheischnis'.
Weltkulturerbe Völklinger Hütte. Briefmarke der Deutschen Bundespost 1996
Weltkulturerbe Völklinger Hütte. Briefmarke der Deutschen Bundespost 1996

Apropos Mundart: Auch darin findet man keine Einheitlichkeit. Zwei Regionalsprachen sind es, die sich den Dialekt des Landes aufgeteilt haben. In Saarlouis und Merzig „schbròòchd" man moselfränkisch, in Saarbrücken und St. Ingbert „schwäddsd" man rheinfränkisch. Das kleine Gebiet ist ursprachlich zweigeteilt durch eine europäische Sprachgrenze, die das-dat-Linie, welche wesentlich älter ist als manche politische Grenze. Deshalb bestehen Verbindungen ins Lothringische und Luxemburgische ebenso wie zur Pfalz hin. Das „sowohl als auch" ist dem Saarländer in die Gene gegeben. „Von hier ein bisschen, aber auch..." Die Bauernhäuser auf dem Saargau haben lothringischen Stil und andererseits reichte die Bayerische Pfalz früher weit hinein ins Saarland bis nach Sulzbach, dem bayerischen Vorposten im Südwesten, weshalb man in Kirkel heute noch bayerische Grenzposten besichtigen kann, andererseits aber in Blieskastel einen Napoleonbrunnen auf dem Marktplatz errichtete.

Der Charme dieses Landes ist spürbar und wird repräsentiert im Verhalten der Menschen. Das Saarland ist ein Zuwanderungsland gewesen. Hier trafen sich Franzosen und Hunsrücker, Leute von der Eifel und aus dem Pfälzer Wald, weil die Wanderbewegungen während der Industrialisierung in Richtung Saarland gingen. Gleichsam magnetisch zog das Land die Leute an. Man mischte sich zu einem Menschenschlag, der vielleicht deshalb eine besondere Heimatbindung entwickelte. „Niggs wie hemm" schrieben die Saarländer auf die Eisenbahnzüge, als sie im Krieg aus den Evakuierungsgebieten wieder in die Heimat transportiert wurden. Auch durch solche Evakuierungen hat sich eine sehr enge und tiefe Heimatbeziehung entwickelt, man hat hier mehr als nur Wurzeln geschlagen. Das Saarland war Aufmarschgebiet im Krieg, das Saarland war Zankapfel wegen seiner Gruben und Hütten. Die Kohlen aus den saarländischen Gruben und das Eisenerz aus Lothringen ergänzten sich. Heute spiegelt das Weltkulturerbe der Völklinger Hütte die saarländische Vergangenheit und versöhnt die Geschichte mit der Zukunft des Landes. Denn das Land stand immer nur als Beuteware im politischen Kalkül, selten ging es der Politik vordergründig um die Menschen und um die Landschaft. Wen wundert es, dass die wechselvolle Geschichte des Landes heute noch dazu führt, auf einer Eigenständigkeit des Landes zu bestehen.

Ludwigskirche und Ludwigsplatz in Saarbrücken
Ludwigskirche und Ludwigsplatz in Saarbrücken

Die saarländische Lebensqualität, das „Saarvoir-vivre" zeigt sich auch in der Küche und in den Kochtöpfen. Bezogen auf die Einwohnerzahl findet man wohl selten in einer anderen Region der Republik mehr Sterne-Köche. Hier wirkt die Konkurrenz zur lothringischen und elsässischen Küche positiv und man spürt, dass die Liebe zum Land auch durch den Magen geht. Selbst landestypische Gerichte wie die saarländische Rostwurst, die Lyonerwurst, der Dibbelabbes haben längst Kult-Status erreicht, auch wenn in den Sterne-Lokalen ganz andere Speisen auf die Teller kommen. Die saarländischen Naschkatzen lieben es mal deftig und mal süß, immer aber kulinarisch perfekt.

Sicherlich gab es einmal eine Periode, wo so etwas wie saarländische Identität hätte wachsen können. Es war die Fürstenzeit unter Wilhelm Heinrich, Ludwig und unter Gräfin Marianne v.d. Leyen. Die Namen zeigen bereits auf, dass auch zu dieser Zeit das heutige Saarland geteilt war. In Saarbrücken regierten die Nassau-Saarbrücker in Blieskastel die Grafen von der Leyen. Auch gab es oldenburgische Ansprüche im Nordsaarland und kurtrierische Herrschaftsbereiche an der Obermosel. Man konnte von einem einheitlichen „Saarland" noch nicht sprechen. Es waren allenfalls Keimzellen einer saarländischen Identität, auf die man sich auch heute noch gerne beruft. Friedrich Joachim Stengel, fürstlicher Baumeister, drückte mit seiner Architektur aus, was ihm am Land gelegen war. Selbstverständlich arbeitete er im Dienste und zur Ehre seines Fürsten. Aber kann man eine Platzanlage wie die des Ludwigsplatzes schaffen, ohne dass man ein Land und seine Bewohner mag? Wenn es - wie Reinhard Klimmt - kürzlich darstellte, Helden des Landes gab, so möchte ich andere Persönlichkeiten ein bisschen weniger pathetisch benennen: Stengel war ein Förderer des Landes, einer, auf den man auch heute noch stolz sein kann. Er plante seine Gebäude in einem städtebaulichen Kontext, wodurch dann ein Ensemble wie beispielsweise der Saarbrücker Ludwigsplatz und der Schlossplatz entstanden. Der Ludwigsplatz gehört auch heute noch zu den schönsten Platzanlagen des Hochbarock im Südwesten Deutschlands. Darauf können sich alle Saarländer verständigen.

Der Alte Turm in Mettlach
Der Alte Turm in Mettlach

Die Ursprünge des Landes reichen allerdings viel weiter zurück in die Kelten- und Römerzeit. Eine deutsch-französische Ausgrabungsstätte in Reinheim-Bliesbruck belegt für beide Länder über die Grenze hinweg, wo gemeinsame Wurzeln liegen. Die Kelten haben bei Otzenhausen außerdem einen Ringwall von enormen Dimensionen hinterlassen. Die Römer schufen einen Mosaikfußboden bei Nennig, aber auch so imposante Komplexe römischer Siedlungsanlagen wie in Perl-Borg und Schwarzenacker. Später sind des die frühchristlichen Zeugnisse der kleinen romanischen Kirchen wie die in Böckweiler oder die exzellente Gotik der Saarbrücker Stiftskirche, welche dem Land seine geschichtlichen Wurzeln zeigen.

Es gibt auch Förderer, die auf ganz anderem Gebiet tätig wurden, etwa im wirtschaftlichen Bereich. Natürlich fällt es schwer, die Zeitumstände zu würdigen, unter denen die Dynastie deren von Boch arbeiteten, doch ist es dieser Unternehmerfamilie gelungen, über Jahrhunderte ein Weltunternehmen an der Saar anzusiedeln und aufzubauen. Bemerkenswert auch: Bei allem Expansionsstreben hat Villeroy & Boch immer klargestellt, dass die Zentrale im saarländischen Mettlach liegt. Davon hat das Land profitiert. Meist waren es Vorteile, die sich im Stillen auswirkten. Heute ist es die Keravision am Firmensitz, die das Wirken der keramischen Industrie an der Saar eindrucksvoll spiegelt. Der Linslerhof bei Überherrn, einem Gestüt der Familie mit Europas größter Schießanlage für Jäger, der Alte Turm in Mettlach und die Burg Montclair auf dem Bergsporn, um den die Saar ihre Schleife zieht, sind ebenfalls mit der Geschichte des Keramikwerkes und der Besitzerfamilie verkn&uuuuml;pft.

Ein Förderer neuzeitlicher Art heult im Merziger Kammerforst als Leitwolf unter Wölfen: Der weltbekannte Wolfsforscher Werner Freund studiert hier das Verhalten jener Tiere, die dem Rotkäppchen-Syndrom beinahe geopfert wurden. Mit den neuen Erkenntnissen über das Rudelverhalten der Wölfe hat Werner Freund wichtige Forschungen aus einem neuen Blickwinkel eröffnet. Da er für die Tiere als Alphawolf agiert, wird von ihm für die Darstellung des Tierlebens ein neues Kapitel aufgeschlagen. Das Land und seine Menschen stehen im Zentrum jener Bücher, die der saarländische Schriftsteller Ludwig Harig schreibt. Er hat bundesweit die saarländische Freude zu einem Markenzeichen gemacht. Und die Freude für die Augen und Ohren liefert dazu eine Frau aus der Showbranche, die das saarländische Selbstbewusstsein ein gutes Stück vorangebracht hat: Bislang einzige deutsche Grand-Prix-Siegerin ist Nicole Seibert aus dem saarländischen Nohfelden-Neunkirchen. Sie blieb trotz der bundesweiten Erfolge in der Showbranche ihrem Land treu und hat die Bodenhaftung nie verloren. Nach jedem Gala- oder Fernsehauftritt zieht sie sich in das kleine Dörfchen am Bostalsee zurück und genießt das stille Glück, im Saarland leben zu dürfen.

Europa Denkmal in Berus
Europa Denkmal in Berus

Jemand hat einmal geschrieben, beim Saarland gehe es einem wie bei einer Liebe auf den zweiten Blick. Vorurteile, Halbwahrheiten gibt es genug, jedoch zugleich findet man hier genügend Gründe, seine Vorurteile an Ort und Stelle zu revidieren. Der saarländische Wein wächst nicht im Saarland sondern in Rheinland-Pfalz. Saarland-Wein kommt von der Mosel. Er riecht nach Erde und Nüssen und reift an jenem Stück des Flusses, das am Dreiländereck zwischen Deutschland, Frankreich und Luxemburg liegt. Auf ca. 12O ha produziert man hier Spitzenweine der Sorten Elbling, Müller-Thurgau, Ruländer und Auxerrois. Ein historischer Ort liegt am gegenüberliegenden Flussufer, der kleine Ort Schengen hat jene bedeutende Stelle mit einem Denkmal markiert, an dem die europäischen Regierungen einstmals im Schengener Abkommen die Öffnung der europäischen Grenzen beschlossen hatten. Gleich in der Nähe bei Nennig findet man jene römische Villa mit dem wunderschönen Mosaik, Kampfszenen aus der Arena, großflächige Ornamente, ein offenes Geschichtsbuch. Dieses Fußbodenmosaik ist das größte diesseits der Alpen.

Und dann die saarländischen Feste. In Saarlouis ist es die ‚Emmes, in Saarbrücken ist es das ‚Stadtfest' und das ‚Saar-Spektakel'. In jedem Ort gibt es zur Sommerzeit die gerühmte saarländische Freude.³ Vielleicht schaut man noch in der Modernen Galerie vorbei, welche eine erstaunliche und in Fachkreisen anerkannte Sammlung moderner Kunst beherbergt, die einer geschickten Ankaufpolitik des früheren Museumsdirektors Prof. Dr. Rudolf Bornschein zu verdanken ist. Vielleicht kamen da natürlich auch ein bisschen Glück dazu und die Fähigkeit, mit saarländischer Herzlichkeit, Freunde zu gewinnen. Noch nicht allzu lange ist es her, dass Alexander Archipenkos Nachlass hier gezeigt wurde - Werke des bedeutendsten Bahnbrechers moderner Plastik. Oder man schaut sich das Abenteuermuseum des Heinz-Rox Schulz an, man kommt in den Deutsch-Französischen Garten, zum Max-Ophüls-Filmfestival und zu den 'perspectives du théatre'.

Wer es lieber beschaulich liebt, zieht sich auf den Bliesgau zurück. Diese saarländische Gaulandschaft hat entzückende Dörfchen, zwischen denen sich die Felder und Streuobstwiesen erstrecken. Einen Großteil der europäischen Orchideenarten kann man hier an Ort und Stelle entdecken und Mitte Mai ihre Blütezeit erwandern. Eine andere Entdeckungsreise erlebt man im St. Wendeler Land: Die Straße der Freundschaft verbindet Skulpturen quer durch den gesamten Landkreis. In den nächsten Jahren wird sich diese Skulpturenstraße vereinigen mit dem zweiten großen Bildhauersymposion „Steine auf der Grenze", wo zwischen Waldwisse und Launstroff mit Steinen Markierungen auf einem ehemaligen Grenzweg in die Landschaft gesetzt wurden.

Das Saarland ist ein kleines Bundesland, es liegt weit abgedrängt in der Südwestecke der Bundesrepublik und hat sich dort trotzdem behauptet. Nie wird es mit den großen Flächenstaaten wie Baden-Württemberg, Bayern oder Nordrhein-Westfalen konkurrieren können. Keine Chance wird es gegenüber einem reichen Stadtstaat wie Hamburg haben. Doch zeigt sich an verschiedenen Stellen, dass die Größe in der Fläche oder bei der Bevölkerungszahl nicht allein ausschlaggebend sein kann für die Frage, ob ein Land sinnvollerweise als Bundesland Bestand haben sollte. Vielleicht sind es ganz andere Kriterien, die letztlich entscheiden, warum es gut tut, auch den Charme eines kleinen Bundeslandes für die gesamte Republik wirken zu lassen.

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¹ vgl. auch den Beitrag "Saarländisches Maß"
² s. dazu auch den Artikel über Johannes Hoffmann (Ministerpräsident des Saarlandes 1947-1955)

³ s. dazu auch die Artikel unter der Kategorie "Feste und Events"

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Fotos: Rita Dadder

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