Die Zigarettenindustrie spielte zu Beginn dieses Jahrhunderts im Saarland eine wichtige Rolle. „Lasso“ und „Halbe Fünf“ drückten der Tabak-Geschichte ihren Markenstempel auf.
Schon lange ist es still geworden in den Produktionshallen der „Türkischen Tabak- und Cigarettenfabrik Jyldis“ in Saarlouis. Kein geschäftiges Getriebe mehr von bis zu 400 Mitarbeitern, die nötig waren, die bekannten saarländischen Tabakwaren zu erzeugen. Reklame-Plakate, großformatige Zigarettenschachteln zur Dekoration und sonstige Werbematerialien, auch sie sind nur noch stumme Zeugen und Hinterlassenschaft einst emsigen Handelns.
Begonnen hat alles in Saarbrücken, der Hauptstadt des damaligen Saargebietes. Am 17. Oktober 1919 melden die Brüder John und Hugo Sternheimer die Zigarettenfabrik „Jyldis“ als Gewerbe an. Erster Standort des Betriebes, ist die Varziner straße 9 in Malstatt (Verbindung zwischen Ottostraße und St. Johanner Straße), ab dem 2. Mai 1922 dann die Gersweilerstraße in Alt-Saarbrücken und die Straße „Auf der Werth“, gegenüber der früheren Mühle Baum. Die Brüder Sternheimer stammen aus dem Nahe-Städtchen Kirn. Nach 1871 lebt die Familie im damals deutschen Metz und siedelt sich 1918 im Saarraum an. Ihr Rüstzeug erhalten John und Hugo in Mannheimer Tabakfabriken. Zigaretten werden in Schachteln verkauft. Um völlig unabhängig zu sein, errichten die Brüder 1923 in Saarlouis in der Pavillonstraße die „Astra-Werke GmbH“ als „Grafische Kunstanstalt und Kartonagenfabrik“. Die Zigarettenindustrie des Saargebietes und mit ihr die „Jyldis“ sind nun verpackungsmäßig autark. Klischee-Anstalt, Buchdruckerei mit Buchbinderei, Offset- und Steindruckerei, Festkartonagenabteilung, Lackier- und Kaschier-Anstalt sind das Herz der ,Astra“. In der Saargebietszeit wird das Unternehmen der größte Arbeitgeber in Saarlouis, nicht zuletzt durch die vielen Dauerkunden aus Frankreich. Anfang der 30er Jahre weist ein Werbeband auf dem Bahnhof die Reisenden auf „Saarlouis, die Stadt der guten Cigaretten" hin.
Etabliert hat sich die „,Astra“ in einem großen Teil der Kasernen, die nach 1918 militärisch nicht mehr genutzt werden konnten. Die Mitarbeiter der „Jyldis“ gingen in die „Reithalle“ und wussten, dass sich dort das Tabaklager befand. Vor 1918 wurden hier Militärpferde zugeritten.
Um die Lkw- oder Bahnfrachten für Verpackungen von Saarlouis nach Saarbrücken einzusparen, siedelt die „Jyldis" 1929 nach Saarlouis um. Nun befindet sich die gesamte Fabrikation an einem Ort. „Jyldis“ (türkisch) und „Astra“ (griechisch) bedeuten übrigens in der jeweiligen Sprache „Stern“, eine kleine Entlehnung aus dem Familiennamen Sternheimer.
Bekannteste Marke in den 20er Jahren wird die Orient-Cigarette „Jylids-Khedive“. Bis 1945 stellt die „Jyldis“ ausschließlich Orient-Zigaretten her, das heißt die Tabake stammten zu einem großen Teil aus der Türkei, Griechenland und Bulgarien. In der Zeit der wirtschaftlichen Verzahnung des Saarraumes mit Frankreich wird Tabak auch vom französischen Tabakmonopol bezogen. Ab Beginn der 60er Jahre kommen vermehrt Tabake aus den USA (Maryland, Virginia, Kentucky) hinzu. Die Bevölkerung an der Saar gewöhnt sich an die Marken. 1932 kommt die „Halbe-Fünf“ auf den Markt, eine Zweieinhalb-Pfennig-Zigarette in einem Sonderformat, kürzer als übliche, aber in der Qualität einer Fünf-Pfennig-Zigarette. Die flach-ovale Orient-Zigarette kommt in einer auffallenden, roten Packung auf den Markt. Die Hauptabsatzgebiete liegen in den Räumen Berlin, Dresden und München.
Einen gravierenden Einschnitt in die Firmengeschichte bringt das Jahr 1935. Hugo Sternheimer stirbt Anfang des Jahres. John Sternheimer, der nun alleine die beiden Unternehmen führt, muss mit der Familie Deutschland verlassen. Sie können dem Nazi-Regime rechtzeitig entkommen und gelangen nach einem mehrjährigen Aufenthalt in der Nähe von Lyon/Frank- reich ins Exil nach New York.
Die „Jyldis“ bekommt einen neuen Inhaber: den bereits bei John Sternheimer als Geschäftsführer tätigen Bernhard Toppenthal aus Saarlautern, wie Saarlouis nun heißen muss. Im Laufe des Krieges verschwinden überwiegend auch die bekannten Markennamen. Der Grund: gute Tabake sind auf dem Markt kaum mehr in den Mengen zu haben, die erforderlich sind, um das Qualitätsniveau zu halten. Ein vermindertes Qualitätsniveau hätte dem Produkt jedoch nur geschadet, und so nimmt man einen „Übergangsnamen“. Nach dem Krieg wird man wieder mit dem bekannten Markennamen auf dem Markt erscheinen.
Auch in Metz werden nach dem deutschen Einmarsch in der dortigen, schon lange bestehenden „Tabakmanufaktur“ Zigaretten produziert. Auch die im Saarland bekannte Marke „Lasso“. Auf der Packung der „schwarzen Cigarette“, die jetzt in Metz hergestellt wird, zeichnet sich im feuerroten Hintergrund das „Deutsche Tor“ in Metz ab. Denn die „Lasso“ ist auch ein Kind der „Jyldis“ und wurde bereits in den 30er Jahren in Saarlouis produziert.
Ab dem 1. September 1939 muss die „Jyldis“ wegen der Nähe zum Feind ihre Arbeit in Mühlhausen/Thüringen im Raum Gera fortsetzen, im zweiten Halbjahr 1940 läuft die Produktion wieder in Saarlautern an. 1944 scheint das Ende gekommen: 90 Prozent der Saarlauterner Gebäude sind zerstört. Zuvor jedoch werden bei der zweiten Evakuierung des Saargebietes in 40 Eisenbahnwaggons die Tabakvorräte und ein Teil der Maschinen ins hessische Friedberg verbracht, wo die Produktion dann aufgenommen wird. Große Tabakvorräte lagern noch im Raum Gera und Mühlhausen. Diese gehen verloren, denn sie gelangen nach dem Krieg in die Hände der Sowjets. Wie alle Produkte werden auch Tabakwaren durch Reklame dem Verbraucher angepriesen. Vor 1945 gibt es in allen deutschen Zigarettenpackungen Gutschein-Beilagen. Hat man eine bestimmte Anzahl davon gesammelt, bekommt man farbige Bilder mit unterschiedlichen Motiven. Diese Bilder werden dann in das thematisch entsprechende Album eingeklebt. Diese Zigaretten-Alben sind bei der Jugend sehr beliebt und heute - antiquarisch - nicht gerade billig.
Eine besondere Art seine Marken im „Reich“ bekannt zu machen praktizierte John Sternheimer. Wo immer er sich befand, ließ er (leere) Zigarettenpackungen „zufällig“ liegen, in der Bahn, in Hotels, bei Arbeitstreffen oder auf Straßen. Dieses forderte er auch von allen seinen Vertretern.
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Fotos: Stefan Schwall