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Saarbrücken

Die 99 besonderen Seiten der Stadt

Rita Dadder und Florian Russi

Saarbrücken, Landeshauptstadt des Saarlandes und unmittelbar an der deutsch-französischen Grenze gelegen, ist eine Stadt mit vielen Reizen. Es hat eine lange und wechselvolle Geschichte. Von Goethe wurde es besucht und beschrieben und von Kaiser Barbarossa teilweise zerstört. Heute ist Saarbrücken eine moderne Metropole mit Universität, Museen und vielfältiger Kultur. Hier lebt man nach der Devise: »Wir wissen, was gut ist«, ist gastfreundlich und lässt sich gerne »entdecken«.


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Kurt Franz & Claudia Maria Pecher
Kennst du die Brüder Grimm?

Der Froschkönig", „Schneewittchen" oder „Rapunzel" sind Erwachsenen und Kindern auf der ganzen Welt bekannt. Wer aber weiß mehr über das Brüderpaar zu erzählen als dessen Märchen? Und wer weiß schon, dass die Grimms auch viele schaurige, schöne Sagen sammelten, eine umfangreiche deutsche Grammatik veröffentlichten oder an einem allumfassenden Deutschen Wörterbuch arbeiteten?


Die Novemberrevolution von 1918 an der Saar

Die Novemberrevolution von 1918 an der Saar

Ferdinand Luxenburger

Auslöser der Novemberrevolution am Ende des Ersten Weltkrieges im Deutschen Reich war der Flottenbefehl der Seekriegsleitung vom 24. Oktober 1918. Die deutsche Hochseeflotte sollte, trotz feststehender Kriegsniederlage Deutschlands, eine letzte Schlacht gegen die britische Royal Navy schlagen. Aus Protest gegen diesen Befehl meuterten einige Schiffsbesatzungen. Diese Meuterei mündete schließlich in den Kieler Matrosenaufstand, woraus ein Flächenbrand entstand, der sich innerhalb weniger Tage zu einer ausgewachsenen Revolution entwickelte, die das ganze Land erfasste und am 9. November zur Ausrufung der Republik und zur Abdankung Kaiser Wilhelm II führte. Überall in Deutschland entstanden Arbeiter- und Soldatenräte, die meistens von der USPD (Unabhängige Sozialdemokratische Partei) und MSPD (Mehrheitssozialdemokraten) beherrscht wurden. Abgesehen vom kommunistischen Spartakusbund, wollte niemand ein Rätesystem nach sowjetischem Vorbild. Je weniger Bedeutung die USPD jeweils hatte, desto eher konnten christliche Gewerkschaften, Liberale und Parteilose in den Räten mitwirken, die dadurch dann auch oft Volksräte hießen.

Arbeiter- und Soldatenrat Saarbrücken (Text nochmals im Anhang)
Arbeiter- und Soldatenrat Saarbrücken (Text nochmals im Anhang)

Eine Novemberrevolution im Kleinformat spielte sich an der Saar ab. In Saarbrücken, Neunkirchen, St. Ingbert und Dudweiler gründeten sich Arbeiter- und Soldatenräte, die eine Räterepublik bzw. eine sozialistische Republik forderten. Am 9. November 1918 wurde im Saarbrücker Gewerkschaftshaus in der Futterstraße ein Arbeiter-und Soldatenrat von etwa 150 Soldaten gewählt. Die meisten Mitglieder dieses Rates waren Mannschaftsdienstgrade, aber auch einige Offiziere und Mehrheitssozialisten sowie freie Gewerkschafter. Die christlichen Gewerkschaften und bürgerliche Kräfte blieben ausgeschlossen. Daraufhin opponierten sich Vertreter des Zentrums und sprachen von der „diktatorischen Gewalt“ der Arbeiterräte. Später gründete sich aus bürgerlichen Kräften als Gegengewicht zum revolutionären Gremium der „Bürgerausschuss für das Saarrevier“, der aber dann schließlich mit dem Arbeiter-und Soldatenrat zusammenarbeitete. Dieser hatte zuvor in einer öffentlichen Versammlung auf dem Rathausplatz verkündet, dass die Stunde der Volksfreiheit gekommen und sein Ziel eine sozialistische Republik sei. Jedoch sei diese nur durch Ruhe und Disziplin der Bevölkerung zu erreichen. Durch eine, wie auch immer geartete, Zusammenarbeit zwischen dem Soldatenrat einerseits und den militärischen und zivilen Behörden andererseits, blieb die „Revolution“ im Wesentlichen unblutig. Außerdem galt es, revolutionäre Arbeitnehmerfragen zu klären wie Kündigungsschutz, Lohnfortzahlung und Einführung des Achtstundentages. Der Saarbrücker Rat hat sich sehr schnell in einer übergeordneten Position gesehen und bezeichnete sich daher auch als Arbeiter- und Soldatenrat für das Saargebiet und gab im Folgenden Anweisungen an Revolutionsräte in anderen Orten und Städten.

Der Leiter der preußischen Militärbehörde von Saarbrücken, Generalleutnant Fritz von Unger, erklärte sich zur Zusammenarbeit in allen nichtmilitärischen Angelegenheiten bereit. Im Gegenzug garantierte der Arbeiter- und Soldatenrat Ruhe, Sicherheit und Ordnung sowie den Schutz der Personen und des Eigentums. Von Unger, der zwischenzeitlich vom Soldatenrat seines Postens enthoben wurde, musste wiedereingesetzt werden, weil das revolutionäre Gremium den militärischen Aufgaben nicht gewachsen war. Er hatte keine gute Meinung von den Fähigkeiten der revolutionären Räte, die seiner Ansicht nach weder „etwas wissen“, noch „etwas können“, viel versprechen und nichts halten. Zu seinem Urteil mag auch der Umstand beigetragen haben, dass bei der Saarbrücker Bahnhofskommandantur Urlaubs-und Entlassungsscheine für 15 bis 150 DM gekauft werden konnten. Wegen des sich abzeichnenden Einmarsches der Franzosen mussten die Soldaten möglichst schnell in ihre Heimat zurückgeführt und die linksrheinischen Soldaten in aller Eile entlassen werden, damit sie bei der Ankunft der französischen Armee nicht zu Kriegsgefangenen gemacht werden konnten.

Aufruf des Neunkircher Soldaten- und Arbeiterrates (Text nochmals im Anhang)
Aufruf des Neunkircher Soldaten- und Arbeiterrates (Text nochmals im Anhang)

In Püttlingen soll es laut einer Schulchronik gleich vier Räte gegeben haben. Im Gasthaus Kaisersaal hat sich nach dieser Chronik am 10. November 1918 in einer öffentlichen Sitzung ein Arbeiterrat konstituiert, der seinen Sitz in der Gaststätte Heckmann in der Völklinger Straße gehabt haben soll. Die bürgerlichen Kräfte Püttlingens formierten sich am 17. November in einem Bürgerausschuss. Darin waren Lehrer, Gemeinde- und Grubenbeamte sowie die katholischen Landwirte und Arbeiter vertreten. Drei Tage später wurde auf Initiative des christlichen Bergarbeiterverbandes eine Bürgerwehr gegründet, die aus Polizisten und Feldhütern des Ortes bestanden. Laut Schulchronik soll noch ein Soldatenrat gebildet worden sein, dessen Anführer aber wohl vom Saarbrücker Arbeiter- und Soldatenrat verhaftet worden war.

In Merzig stellte sich die Situation wieder vollkommen anders dar. Ein Hauptmann des, im Krieg in Merzig liegenden, Ersatzbataillons bildete am 9. November 1918 aus den ihm untergebenen Männern einen Soldatenrat. Im Vorfeld gab es schon zwischen Kommandeur, Bürgermeister und Landrat eine Absprache, dass je vier bis fünf Delegierte jeder Kompanie im Soldatenrat vertreten sein sollten. Nach der konstituierenden Vollversammlung setzte sich ein Demonstrationszug mit dem neu gewählten Soldatenrat und einer Militärkapelle an der Spitze in Richtung Rathaus in Bewegung. Dort forderte der Vorsitzende dieses Rates die Bevölkerung zur Ruhe und Besonnenheit auf und schloss mit einem Hoch auf die Zukunft des Vaterlandes. In einem Aufruf forderte Bürgermeister Dr. Berns die Bürgerschaft auf, den Anordnungen des Soldatenrates Folge zu leisten und ließ diesen gleich am Sonntag, dem 10. November von den Kanzeln der Kirchen verlesen. Einen Tag später kam es in Merzig dann auch noch zur Gründung eines Arbeiterrates, der, obwohl Bürgermeister Dr. Berns ihm angehörte, wenig Anerkennung in der Bevölkerung fand. Denn als am 15. November 1918 die Soldaten des Ersatzbataillons in ihrer Heimat abkommandiert wurden, sah der Arbeiterrat es als notwendig an, sich neu zu legitimieren. In einer neuerlichen Versammlung, an der auch Frauen teilnahmen, wurden weitere Personen in den Arbeiterrat gewählt. Unter ihnen war auch der Seminarlehrer Röder, der Vater des späteren saarländischen Ministerpräsidenten Franz-Josef Röder.

An die Bevölkerung und die Soldaten von Wadgassen
An die Bevölkerung und die Soldaten von Wadgassen

In der Saargegend konnten bisher etwa 40 Arbeiter- und Soldatenräte nachgewiesen werden, deren „Amtliche Mitteilungsorgane“ in den Städten in der Regel eine der örtlichen Zeitungen waren. Ihr Ziel sahen sie darin, den Übergang von den verkrusteten Strukturen des Kaiserreiches zu demokratischen Institutionen einer neuen Zeit zu gestalten. In diesen Räten dominierten die Sozialdemokraten und die freien Gewerkschaftler. In geringerem Maße finden wir aber auch christliche Gewerkschafter sowie katholische und bürgerliche Kräfte in einzelnen Räten. Tatsächlich fiel den Arbeiter- und Soldatenräten, die Aufgabe zu, die Massen an durchziehenden Soldaten, deren Rückführung in die Heimat von der Militäradministration durchgeführt wurde, zu begleiten. Außerdem sollten sie im entstandenen Chaos des verlorenen Krieges Ruhe und Ordnung bewahren und Plünderungen unterbinden und vor allem die Versorgung der Bevölkerung, soweit es möglich war, mit Lebensmitteln aufrecht zu erhalten. Ein jähes Ende fand die Oktoberrevolution an der Saar zwischen dem einen 21. November und 1. Dezember 1918, weil die französische Militärbesatzung eine Zusammenarbeit mit den Arbeiter- und Soldatenräten ablehnte und diese verbot.

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Anhang: Plakattexte

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Arbeiter-und Soldaten-Rat Saarbrücken

Heute Nachmittag hat sich hier der Arbeiter-und Soldatenrat gebildet.

Die Behörden haben sich ihm bereits unterstellt.

Ruhe und Ordnung müssen aufrechterhalten werden. Die Polizeipersonen sind Beauftragte des Arbeiter-und Soldatenrates. Ihren Anordnungen ist Folge zu leisten. Auf Plünderungen stehen die strengsten Strafen.

Arbeiter und Bürger! Jeder bleibe auf seinem Posten. Die Arbeit muss aufrechterhalten werden.

Alles hat sich den Anordnungen des Arbeiter-und Soldatenrates zu unterordnen.

Den Soldaten wird aufgegeben, die Offiziere anständig zu behandeln. Der Degen darf den Offizieren nur in anständiger Weise abgenommen werden, im Weiteren sind sie nicht zu belästigen.

Ausschreitungen werden bestraft.

Saarbrücken, den der 9. November 1918

Der Arbeiter-und Soldaten-Rat

I. A.: Valentin Schäfer.

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Aufruf des Neunkirchen Soldaten- u. Arbeiterrats!

Soldaten, Arbeiter, Bürger!

Unsere große Stunde ist da! Ein Neues Deutschland ist entstanden! Arbeiter- und Soldatenräte haben die Regierung in den Händen. Alle Zivil- und Militärbehörden haben sich der Macht untergeordnet, denn bei uns ist das Recht und die Macht. Wir bürgen für Ruhe und Ordnung. Ihr habt die Pflicht, unseren Anordnungen Folge zu leisten. Meidet Straßenansammlungen! Sorgt dafür, dass die Verkehrsanlagen frei bleiben!

Unterstützt alle Behörden, sie arbeiten für und mit uns. Vergesst persönliche Verärgerungen und Reibungen. Seit eingedenkt des großen Zieles. Eure Versorgung mit Lebensmitteln ist gewährleistet und liegt in sicheren Händen.

Jeder gehe seiner gewohnten Arbeit nach.

Kinder und Jugendliche gehören abends ins Haus.

Käufer und Verkäufer hütet euch vor Wucher und seid gewiss: die Wucherer werden wir finden und bestrafen. Wer Waren zurückhält oder verschiebt, ist ein Volksverräter.

Oberste Sicherheitsbehörde ist der Arbeiter- und Soldatenrat. Die Polizeibehörde arbeitet in seinem Auftrage. Unterstützt unsere Bemühungen. Wer sich unseren Anordnungen widersetzt, wird bestraft. Vergehen gegen Eigentum, Sicherheit und Ehre der Personen kommen vor das Standgericht.

Euer Pflichtgefühl rufen wir wach.

Der Arbeiter- und Soldatenrat:

Petri. Schröer. Fuchs.
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Quellen:
Text: Arbeiter- und Soldatenräte an der Saar im November 1918 (Stiftung Demokratie Saarland, Dialog 27), Saarbrücken 2018.

Vorschaubild: Arbeiter- und Soldatenräte in Berlin, November 1918. Bundesarchiv, Bild 146-1972-038-34 / CC-BY-SA / CC BY-SA 3.0 DE

Bilder im Text: Plakate von 1918, aus: G. Paul und Ralf Schock, Geschichte im Plakat, Saarbrücken 1978.

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