Seit 1933 reist Ernst Vollbehr, Autor und Maler, quer durch Deutschland. Auf seinen „Malfahrten“ entstehen dokumentarisch-reportagehafte Aquarelle von Baustellen der Reichsautobahn (RA). Auslöser für seine Idee war die Münchner Ausstellung „Die Straße“ (1933), er erkennt dort die Dimensionen des Projektes, die Leistungen, die zu erbringen sein werden. Die Bilder Vollbehrs kommen nicht in Ausstellungen, sie erscheinen in seinem Buch. Das Werden der Autobahn wird festgehalten, weniger die Arbeit als Leistung und Prozess, Menschen sind kaum zu sehen, Maschinen selten in Aktion.
Mit Menschen kommt der Maier trotzdem zusammen. Im Juni 1936 isst er in einer kleinen Schenke im Lauterbachtai, neben dem Gasthaus schon die errichteten Reiter für die Brücke. „Des macht mir nix aus, do passiert schun nix“, meint der Wirt, der die Arbeiter verköstigt. Ein Vierteljahr später ist die Reichsautobahn Besitzer des Häuschens. Beim „Hexenbäcker“ in Kaiserslautern trifft Vollbehr den Bürgermeister und den Rat der Stadt. Da wird dann gefachsimpelt und Neues erzählt: Durch den Bau der Reichsautobahn ist bei Enkenbach ein Keltengrab gefunden worden, in der Nähe des Wildbachtals ein Hünengrab. Erster fertiger Reichsautobahn-Abschnitt überhaupt war am 19. Mai 1935 zwischen Frankfurt/ Main und Darmstadt. Es wurde nicht kontinuierlich an der Weiterführung begonnener Abschnitte gearbeitet, sondern an möglichst vielen Orten begonnen. Der propagandistische Effekt war so weitaus höher. Ende 1938 waren reichsweit 3000 Kilometer fertig.
Die „edelste Verbindung zwischen zwei Punkten“ sollte sich dem Gelände anschmiegen
Das wesentliche Mittel zur Gestaltung der Autobahn war natürlich die Trassenführung, die Einbindung der Strecke in die Landschaft. Vom Planen eines Linienzuges über Kurvenführung, Bepflanzung, die Gestaltung von Böschungen, die Architektur der Bauwerke bis hin zur beabsichtigten Passierung historischer Sehenswürdigkeiten: alles diente dem Zweck, Landschaft im Sinne von Heimat, Vaterland und Geschichte zu erschließen und dem Passanten in Ruhe nahezubringen. Die Reichsautobahn sei „die edelste Verbindung zwischen zwei Punkten, die Bahnen sollten Gelände nicht brutal durchqueren und zerreißen, sondern sich anschmiegen, so Albert Speer. Hinzu kamen alle Bauten der Autobahn, vor allem die Brücken. Bei der Wahl der Baumaterialien und -formen kam den Brücken die Aufgabe zu, Landschaftsräume zusammenzufassen und den Wechsel von einer Landschaft in eine andere auch durch den Wechsel der heimischen Bauform zu signalisieren.
Schwerste Handarbeit wurde zum Teil mit veralteter Technik durchgeführt
So berichtet Vollbehr, dass die Pfeiler der Waschmühltalbrücke mit schönem roten Pfälzer Sandstein verkleidet werden, die aus Brüchen der Umgebung geliefert würden. Raststätten im Stil regionaler Bauernhäuser, Tankstellen, Autobahnmeistereien und Hotels sollten vorbildliche Gestaltungsweisen, handwerkliche Fertigung und Vorbildlichkeit demonstrieren, um den Umlandbewohnern den neuen Stil vorzuführen und jene zum Übernehmen des Stils anspornen.
Der Bau von Autobahnteilstrecken ging in die Propaganda als Teil der „Arbeitsschlacht“ ein, an deren Ende — wie auf dem Kampf der Sieg folgt — das fertige Teilstück stand. Dabei wurde schwerste Handarbeit — zum Teil nach veralteter Technik durchgeführt, um mehr Arbeiter zu beschäftigen — in Analogie zum 1. Weltkrieg interpretiert, der menschliche Bagger zum Helden der Arbeit stilisiert und der Arbeitsdienst indirekt als das zugegeben, was er tatsächlich war: vormilitärische Ausbildung.
Nach einem Schreiben der obersten Bauleitung der Reichsautobahn in Frankfurt/Main vom 12. Dezember 1938 wird der Strecke Kaiserslautern—Saarbrücken—Trier größte Dringlichkeitsstufe bescheinigt. Erste Flächen werden abgesteckt, Flurbegehungen nötig, um Gelände zu erkunden, Boden zu prüfen, Privatbesitz aufzukaufen. So wird die Reichsautobahn bei dem Orte Hüffler elf Hektar (die Hälfte der Gemarkung) beanspruchen, für ein Hektar guten Ackers sollten dort 3500 RM gezahlt werden.
Der Erwerb des notwendigen Geländes zum Bau einer Autobahn war gesetzlich geregelt durch das preußische Umlegungsrecht bzw. die Reichsumlegungsverordnung von 1933/35. Für das „Unternehmen Autobahnbau“ bestand auch die Möglichkeit, sich vor Einleitung eines Umlegungsverfahrens mit einzelnen Teilnehmern über den Ankauf des Geländes und die Vergütung desselben zu verständigen. War bereits ein Umlegungsverfahren eingeleitet, so werden die Entschädigungsvereinbarungen durch die Umlegungsbehörde geführt und auch die entsprechenden Entschädigungszahlungen geleistet.
Der Kaufpreis wurde von der Umlegungsbehörde festgelegt. Es wurde eine große Anzahl von Grundstückspreisen im betreffenden Umlegungsgebiet ermittelt. Diese Kaufpreise stellte man den Einschätzungspreisen gegenüber und setzte so den Kaufpreis fest. Lediglich auf Pfälzer Gebiet wurde in Abschnitten zu bauen begonnen. 1941 wurde die Strecke Landstuhl—Glanmünchweiler in Betrieb genommen, während des Westfeldzuges hatten die Arbeiten zum Teil geruht. Für die Saarregion und Lothringen liegen nur wenige Skizzen vor. Einige Kulturämter (z. B. Merzig) und Bauernorganisationen wurden, soweit betroffen, grob informiert. Eine Besprechung für den Raum Metz, datiert vom 20. November 1941. „Landesbauernschaft Westmark“, „Umlegungs- und Siedlungsbehörde“, Forstdienststellen und Bürgermeisteramt trafen sich in der (damaligen) Bankstraße 22. Fazit: Die Reichsautobahn solle möglichst nördlich von Metz verlaufen, auf die Festungsanlagen solle Rücksicht genommen werden, Auffahrten bzw. „Kleeblätter“ sollten bei Bisten, Bolchen und Metz entstehen, eine weitere Auffahrt nach Very (Werich) bei der Kreuzung der Reichsautobahn mit der Landstraße Metz—Bouzonville (Busendorf). Die Gemarkungen Monterchen, Rörchingen und Gelingen würden „in einer für die Siedlungsplanung ungünstigen Weise durchschnitten“. Bei Güdingen/Saar war ein „Kleeblatt-Autobahnkreuz“ geplant für die Richtungen Mannheim, Metz, Straßburg (Trasse über Kleinblittersdorf und Auersmacher) und einen Anschluß an Saarbrücken. Westlich dieses Kreuzes sah man auf der anderen Saarseite ein Stadion vor. Über Klarenthal und Ludweiler wäre die Reichsautobahn nach Metz/Paris verlaufen. Ende 1942 bricht der Schriftverkehr über das Projekt in unserer Region ab, der Krieg stoppte endgültig die Reichsautobahn-Planung. Bereits 1941 wurden die Bauarbeiten an allen Bauabschnitten in Deutschland eingestellt. Als Aufmarschstrecke kamen die einzelnen Strecken der Reichsautobahn für die deutschen Truppen nur bedingt in Frage, sie lagen den Fronten fern, Truppen wurden weiter mit der Bahn befördert. Im Gegenteil: die Wehrmacht befürchtete 1944, dass die Alliierten durch die Autobahn-Teile schneller ins Reich gelangten, die Konsequenz: zahlreiche, gut durchdachte Brückenkonstruktionen wurden gesprengt.
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Literatur: Landesarchiv SB, Landeskulturverwaltung Nr. 482; Stommer, Rainer (Hg.), Reichsautobahn, Marburg 3 1995; Vollbehr, Ernst, Arbeitsschlacht, Berlin, 1938, 145 Seiten.