Saarland-Lese

Gehe zu Navigation | Seiteninhalt
Saarland-Lese
Unser Leseangebot

Saarbrücken

Die 99 besonderen Seiten der Stadt

Rita Dadder und Florian Russi

Saarbrücken, Landeshauptstadt des Saarlandes und unmittelbar an der deutsch-französischen Grenze gelegen, ist eine Stadt mit vielen Reizen. Es hat eine lange und wechselvolle Geschichte. Von Goethe wurde es besucht und beschrieben und von Kaiser Barbarossa teilweise zerstört. Heute ist Saarbrücken eine moderne Metropole mit Universität, Museen und vielfältiger Kultur. Hier lebt man nach der Devise: »Wir wissen, was gut ist«, ist gastfreundlich und lässt sich gerne »entdecken«.


Unser Leseangebot

Wir machen Theater

kurze Theaterstücke für integrative Kindergruppen

Christina Lange und Florian Russi

Primstal - Erinnerungen an eine Ortsnamensgebung

Primstal - Erinnerungen an eine Ortsnamensgebung

Frank Meyer

"Am 1. Oktober 1930 sind die beiden an der Bahnstrecke von Nonnweiler nach Wemmetsweiler gelegenen Gemeinden Mettnich und Mühlfeld zu einer Gemeinde vereinigt worden." So beginnt der Artikel "Zur Vereinigung von Mettnich und Mühlfeld: Eine unglückliche Namensänderung", der am 23.03.1931 in der Trierer Landeszeitung als Leserbrief erschien. Der Verfasser bleibt anonym.

Als ob die Vereinigung der beiden auf gallorömische bzw. mittelalterliche Gründungen zurückgehenden Orte nicht schon schlimm genug sei, wurde 1930 im Gasthaus Kuhn außerdem noch beschlossen, den neuen, vereinigten Ort "Primstal" zu nennen. Der oben bereits zitierte Leserbrief wettert aufs Leidenschaftlichste gegen diese Namensgebung. Aber der Reihe nach. Zunächst einmal zeigt sich der anonyme Verfasser einsichtig - allerdings nur bezüglich der verwaltungspolitischen Entscheidung zur Dorffusion:

"Als langgezogene Straßendörfer waren sie im Laufe der letzten Jahrzehnte so zusammengewachsen, dass auch der Kundige kaum mehr sagen konnte, wo Mettnich anfing und Mühlfeld aufhörte."

Hier irrte der anonyme Verfasser übrigens. Jeder Kundige - also jeder echte Mettnicher und Mühlfelder - wusste durchaus exakt, wo die Demarkationslinie verlief, nämlich an der Hauptstraße mitten durch einige Häuser, in denen die jahrhundertealte Rivalität bis in die Familien hineinwirkte, und man bei Mischehen im Streitfalle dem (sagen wir mal Mettnicher) Ehemann als Mühlfelder Frau durch das Wohnzimmer in Richtung Küche und damit gleichzeitig in den heimatlichen Ortsteil entfliehen konnte (um dann sich im Wohnzimmer, vielleicht genau an den Fransen der Teppichkante, wo die Grenzlinie verlief, wieder zu versöhnen - so wie die Mühlfelder und Mettnicher sich seit Jahrhunderten immer wieder stritten und versöhnten).

Aber der aufgebrachte Leser aus den 30er Jahren fährt zunächst pragmatisch fort:

"Die politische Vereinigung der beiden Gemeinden war deshalb sowohl in verwaltungstechnischer Hinsicht als auch aus Sparsamkeitsrücksichten geboten. Aber wenig erfreulich ist es, daß man dabei auch die uralten Ortsnamen Mettnich und Mühlfeld radikal ausmerzte und durch die Bezeichnung "Primstal" ersetzte."

Ab nun läuft er sich demagogisch warm:

"Die Eisenbahnstation verkündet jetzt den neuen Namen weithin leuchtend allen Reisenden."

Welchen Reisenden? Nach Primstal - und zwar sowohl nach Mühlfeld als auch nach Mettnich - reist man nicht, da wird man hineingeboren, ungefragt natürlich, und bewegt sich hinaus, um zur Arbeitsstelle zu kommen, und wieder hinein, um zu Wohnen und zu Leben. Reisende fahren woanders hin. Irgendwohin, wo man glaubt, dass es dort schöner sei. Die Bahnlinie Primstal - Wemmetsweiler war ja auch nicht zum Reisen gebaut worden, sondern um die Arbeiter vom Lande in die Kohle- und Stahlreviere im südlichen Saarland zu befördern, oder um, nach mehrmaligem Umsteigen, dreimal pro Jahrhundert zum heiligen Rock nach Trier zu pilgern. Aber das nur nebenbei. In dem Hetzartikel heißt es weiter:

"Diese offenbar unter dem Einflusse des neuen Städtenamens "Wuppertal" erfolgte Umtaufe, war nicht nur nicht nötig, sondern sie versündigt sich schwer an dem besten und ältesten Sprachgute unserer Heimat. Der Name Mettnich geht nämlich in die kelto-romanische Zeit hinauf und berichtete dem Sprachkundigen, daß einst in römischer Zeit ein Keltoromane hier seine Hütte gebaut und das Land gerodet hatte. Und wenn auch der Name Mühlfeld erst dem deutschen Ausbaue angehört, so schaut er doch schon (im 13. Jahrhundert urkundlich erwähnt) auf ein ehrwürdiges Alter zurück."

Zugegeben, das mit Wuppertal stimmt. Bei der Idee, die beiden Orte einfach nach der geografischen Lage im Tal der Prims zu benennen, hatte man sich von den beiden Städten Elberfeld und Barmen inspirieren lassen. Diese hatten sich 1929 zusammengeschlossen und sich 1930 nach dem Flusstal benannt, in dem sie beide lagen. Aber auch die Bezeichnung Wuppertal vermochte den Artikelschreiber nicht zu entzücken. Dort wie hier in der Hochwaldregion ereiferte er sich über die geografisch geprägte Namensgebung:

„Es spricht für den gesunden Sinn und die Pietät der Hochwälder, wenn sie in ihrem größeren Teile der neuen Bezeichnung ablehnend gegenüber stehen, das um so mehr, da der neue Name Primstal geradezu sinnlos ist. Das Primstal geht von Dillingen an der Saar über Züsch bei Hermeskeil hinaus und birgt zahlreiche Wohnstätten. Weshalb gerade da die Gemeinden Mettnich und Mühlfeld "Primstal" heißen sollen, das werden die Wiedertäufer wohl selbst kaum angeben können."

Ja, ja, die Wiedertäufer! Wir wissen übrigens, dass es 1930 aus Mettnich und Mühlfeld auch andere, nicht besonders originelle Namensvorschläge gegeben hat, und das sich „Primstal" bei den Primstalern nicht gleich im Alltags-Sprachgebrauch durchsetzte ... aber eigentlich ist nichts Konkretes über eine echte, massive Ablehnung des neuen Namens bekannt. Bis zum 30. September 1930 wurde bei Zeitungsartikeln, die beide Orte betrafen, normalerweise die Variante „Mettnich-Mühlfeld" gewählt, so z.B. in einem Bericht über eine Versammlung des Bauernvereins im Gasthaus Kuhn (Trierischer Volksfreund, 30.04.1930) oder anlässlich des Artikels über den Schmuggel von Zigaretten aus Hasborn, im damaligen Saargebiet, über Mühlfeld nach Mettnich im Mai 1930. Auch der anonyme Verfasser präferiert in seinem Artikel den Doppelnamen „Mühlfeld-Mettnich" (man beachte die Reihenfolge) und zwar aus folgenden Gründen:

1. Aus Gründen der Sprachbewahrung:

„Beide Ortsnamen bilden unersetzliche Zeugnisse für die Siedlungsgeschichte unserer Hochwaldlandschaft. Diese Eigenschaft allein hätte ihre Beseitigung verhüten müssen. Denn was nützt alle Heimatpflege, wenn man sich in dieser Art an dem besten Erbe unserer Väter vergreifen darf? Auch sollten in derartigen Fällen stets Sachverständige aus dem Gebiet der wissenschaftlichen Heimatforschung zu Rate gezogen werden."

2. Aus Gründen der Gewohnheit und des Volkswillens:

„Wie so oft im Leben hatte auch hier das Volk schon längst den Weg zur Namensgebung gewiesen, indem es einfach von Mühlfeld-Mettnich sprach. Jedenfalls war die Aufsichtsbehörde nicht auf dem Posten, als sie die neue Namensgebung zuließ."

Als Primstaler (und erst in zweiter Linie als Mühlfelder!) pflege ich ja eine langfristig angelegte Verschwörungstheorie: Nämlich dass die feindliche Übernahme durch die Gemeinde Nonnweiler von so langer Hand geplant war, dass man dort bereits 1930 die Zwangseingemeindung von 1974 und den hierdurch entstehenden Ortsnamen "Nonnweiler-Primstal" voraussah und das Namensungeheuer "Nonnweiler-Mühlfeld-Mettnich" (oder Nonnweiler-Mettnich-Mühlfeld) vermeiden wollte. Dreiernamen sind ja inzwischen selbst bei modern denkenden Ehepartnern gesetzlich verboten. Denn anders als die Vereinigung von Mühlfeld und Mettnich 1930, erfolgte die Zusammenlegung mit der Gemeinde Nonnweiler gegen den Willen ALLER Primstaler (und auch gegen den offiziellen Besschluss des Primstaler Gemeinderates). So, jetzt ist es raus!

So wehrt sich der Primstaler heutzutage genau gegen das, was der giftende Artikelschreiber von 1931 haben wollte: Gegen einen Doppelnamen. Zum Glück besteht das Sich-Wehren im Wesentlichen bloß aus verbalen Scharmützeln an lokalen Theken. Jedenfalls wären heute die Mettnicher und Mühlfelder durchaus froh, wenn sie den inzwischen fast 80 Jahre alten Ortsnamen ohne Bindestrich (und vor allem ohne den Teil links vom Bindestrich) verwenden dürften.

Vielleicht sollte ich einen leidenschaftlichen Leserbrief an die lokalen Zeitungen in Saarbrücken und Trier senden. Anonym natürlich.

*****

Vorschaubild: früheres Wappen der Gemeinde Primstal

Weitere Beiträge dieser Rubrik

Wohnungen für das Volk
von Stefan Schwall
MEHR
Anzeige:
Unsere Website benutzt Cookies. Durch die weitere Nutzung unserer Inhalte stimmen Sie der Verwendung zu. Akzeptieren Weitere Informationen