Im Heimatkundeunterricht war er uns noch als Schutzwall gegen Einfälle der Hunnen vorgestellt worden. Heute heißt er „Keltischer Ringwall" und führt den Namen „Hunnenring" nur noch im Untertitel. Die Hunneneinfälle im westlichen Europa ereigneten sich in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts n. Chr. Von 434 bis 453 herrschte der uns auch unter dem Namen „Etzel" bekannte Hunnenkönig Attila. Die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern, welche das Vordringen der Hunnen beendete, fand im Jahr 451 statt. Der Ringwall bei Otzenhausen war aber, wie man heute weiß, schon im 4. vorchristlichen Jahrhundert von Kelten errichtet worden. Im 2. Jahrhundert v. Chr. erreichte er sein größtes Ausmaß und im 1. Jahrhundert v. Chr. wurde er wieder aufgegeben. Er ist eine gigantische Anlage und zählt zu den größten keltischen Bodendenkmälern überhaupt.
Warum er errichtet wurde, ist nicht gesichert. Es wird spekuliert, ob er eine Wehranlage, ein Herrschaftssitz keltischer Fürsten oder nur eine geschützte Siedlung, das was die Römer „Oppidum" nannten, gewesen ist.
Es waren Kelten vom Stamm der Treverer, die ihn errichtet haben. Sie siedelten im Gebiet der Mosel und des nordöstlichen Saarlandes. Die Stadt Trier hat von ihnen ihren Namen. Heute geht man mehrheitlich davon aus, dass der Ring eine Fürstenresidenz war und den Treverern als Schutzwall gegen Einfälle des germanischen Stammes der Sueben diente. In unmittelbarer Nähe hat man zwei keltische Fürstengräber entdeckt.
Auseinandersetzungen mit den Treverern spielen in Caesars Bericht „Vom gallischen Krieg" eine herausragende Rolle. Allerdings erwähnt Caesar dabei den „Hunnenring" nicht. Etwa 2 Kilometer von ihm entfernt hatte der römische Feldherr ein großes Heerlager errichten lassen. Am Ringwall lassen sich keine Spuren einer Eroberung oder Zerstörung erkennen. Möglicherweise war er zu dieser Zeit schon von den Treverern aufgegeben oder von den Römern aus strategischen Gründen umgangen worden.
Die Anlage des Rings ist gewaltig. Er besteht aus einem Wall von bis zu 10 Metern hoch und 40 Metern breit auf einer Länge von 2,5 Kilometern aufgeschichteten Steinen. Diese umschließen ein Gelände von 18 Hektar. Allein die einzelnen Steine zu brechen, herbeizuschaffen und aufzuschichten, muss ein unermesslicher Kraftakt gewesen sein. Die Aufschüttung erfolgte wahrscheinlich nach einer von den Römern „murus gallicus" (Gallische Mauer) genannten Methode, nach der die Steine in vorbereitete Holzgerüste eingefüllt wurden. Auch auf der Krone des Walles wurden hölzerne Palisaden angebracht. Eine Erstürmung des Ringwalls dürfte für die damalige Zeit sehr schwierig gewesen sein, zumal eventuelle Angreifer noch die Böschung des „Dollberg" geheißenen Berges erklimmen mussten, auf dessen Vorsprung er angelegt ist.
Wie der Wall zu dem Namen „Hunnenring" kam, ist nicht geklärt. Immerhin liegt er am Fuße eines Höhenzugs, der Hunsrück genannt wird, und auf diesem Höhenzug liegen noch zwei andere, kleinere Wälle, die „Hunnenring" genannt werden. „Hunnich" war der keltische Name für „König". Es kann aber auch sein, dass man der Meinung war, nur Hünen könnten in der Lage gewesen sein, solch ein gewaltiges Werk zu errichten. Denkbar wäre ebenso, dass die Hunnenangst, die im 5. Jahrhundert in Europa herrschte, dazu geführt hat, dass man sich einen schon bestehenden Schutzwall als mögliches Bollwerk gegen angreifende Feinde vorstellen wollte.
Die Bewohner des Ringes lebten nicht nur innerhalb des Mauerwerks. Man fand auch Spuren von Keltenwohnungen außerhalb des Walles. Die Gemeinde Nonnweiler, auf deren Gemarkung der „Hunnenring" liegt, hat damit begonnen, zu seinen Füßen ein keltisches Dorf zu rekonstruieren. Der Besuch des Ringgeländes erfordert einen längeren Anmarsch und ist für Behinderte schwer zugänglich. Um die Anlage herum führt ein etwa 3 Kilometer langer, breiter Weg. Entlang dieses Weges stehen 18 Skulpturen, die von modernen Künstlern der keltischen Kunst nachempfunden sind.
Die gesamte Anlage wird zurzeit systematisch erforscht. Schon seit mehreren Jahren sind die Kelten in das Interesse einer breiteren Öffentlichkeit gerückt. Das Saarland als aufstrebendes Tourismusland kann eines ihrer monumentalsten Bauwerke vorweisen.
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Fotos: Florian Russi