Hostenbach ist ein Ortsteil der Gemeinde Wadgassen, mit mehr als 6000 Einwohnern der größte, und liegt am linken Saarufer zwischen Saarbrücken und Saarlouis, näher an der kleineren der beiden Saarstädte. Das Ortswappen zeigt Schlägel und Eisen, die Symbole des Bergbaus. Nimmt man in Völklingen den Bus, heißt die erste Haltestelle im Kreis Saarlouis „Hostenbach Grube". Der Bus folgt dann der leicht abfallenden „Grubenstraße" und hält wieder an einem für ein solches Dorf sehr großen, parkähnlich angelegten Platz, an dem die Kirche steht. Sie wurde in den 20er Jahren erbaut und nach dem Krieg erweitert. Ob es so vom Architekten gemeint war, weiß ich nicht, aber der wuchtige Turm mit den Verstrebungen im oberen Teil erinnert mich an den Förderturm einer Grube. Geht man links an der Kirche vorbei, kommt man nach weniger als 500 m zu der Halle, in der die Ortsvereine ihre Veranstaltungen abhalten. Sie heißt nach dem alten Bergmannsgruß „Glückauf-Halle". Davor stehen eine Grubenlokomotive mit einem Hunt (ein kleiner offener Kohlenwagen) und eine Maschine zum Abstützen des Hangenden. So viele Anklänge an den Bergbau, aber wo ist die Grube?
Nun, die Hostenbacher Grube gibt es nicht mehr. Die Älteren erinnern sich an die Gebäude, die in der Nähe der erwähnten Bushaltestelle standen, vielleicht auch an die Sprengung des Schornsteins und natürlich an die Abraumhalde. Neben den beiden Halden der Völklinger Hütte sah dieser kegelförmige Berg etwas unscheinbarer aus. Er ist fast ganz abgetragen. Oberflächlich betrachtet, könnte man meinen, dass von dieser Kohlengrube nichts mehr übrig sei. Das wäre ein Irrtum. Ortskundige kennen in den drei Dörfern Hostenbach, Schaffhausen und Werbeln die Plätze, wo es Stollen und Schächte gab, Halden zu erkennen sind und noch immer Gebäude stehen. Die Abbaukonzession der Grube Hostenbach war auf den Bann dieser ehemals zum Kloster Wadgassen gehörenden drei Dörfer beschränkt. Womit wir bei der Geschichte wären.
Die ältesten Nachrichten vom Steinkohlenbergbau in Hostenbach stammen nach Josef Burg vom Anfang des 17. Jahrhunderts, also aus der Zeit vor dem Dreißigjährigen Krieg. Die Äbte der Prämonstratenserabtei Wadgassen als Grundherren räumten verschiedenen Pächtern das Recht ein, nach Kohlen zu graben. In den Revolutionskriegen am Ende des 18. Jahrhunderts verließen die Chorherrren das Kloster. Der französische Staat zog die Kirchengüter ein, auch die Benediktinerabtei Mettlach und die Prämonstratenserabtei Wadgassen. Der ehemalige Kirchenbesitz wurde entweder verpachtet oder verkauft.
So kam Mettlach schließlich in den Besitz der Familie Boch, und Wadgassen kaufte Nicolas Villeroy. Die beiden Namen sind seit mehr als 200 Jahren mit der saarländischen Keramikindustrie verbunden. Zu Anfang des 19. Jahrhunderts ergab sich für beide Unternehmen das Problem, dass der zunehmende Holzverbrauch zur Verteuerung dieses Brennstoffes führte. Das war auch einer der Gründe, warum Nicolas Villeroy sein Werk von Frauenberg bei Saargemünd nach Wallerfangen verlegte. Die endgültige Lösung war das indes nicht. Das Holz musste durch die Steinkohle ersetzt werden. Nicolas Villeroy erwarb die Grube in Hostenbach. Zwar konnte die Kohle in Wallerfangen zunächst nur für den ersten Brand bei der Steingutherstellung verwendet werden, für den Glasurbrand brauchte man immer noch Holz, aber dieses Problem löste Jean François Boch in Mettlach. So ist die Grube Hostenbach mit einem der wichtigsten Industriezweige an der Saar verbunden.
Im Lauf des 19. Jahrhunderts wechselten die Besitzverhältnisse und Beteiligungen an der Grube. Meist waren es Unternehmer, die in ihrem Bereich auf Steinkohle angewiesen waren: Vopelius aus Sulzbach (Chemie, Glas) und Röchling aus Völklingen (Eisen und Stahl). In den letzten zehn Jahren vor der Enteignung der saarländischen Gruben durch den französischen Staat nach dem Ersten Weltkrieg, also von 1910 bis 1920, stand Hermann Röchling, der Chef der Völklinger Hütte, an der Spitze der Hostenbacher Grube. Bis dahin war sie eine von zwei saarländischen Gruben in Privatbesitz. 1932 wurde sie von der französischen Verwaltung stillgelegt.
Solange die Grube in Klosterbesitz war, also bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, baute man die Kohle durch schräg in die Erde getriebene Stollen ab, so wie die Flöze zu Tage traten. Im Zweiten Weltkrieg wurden manche dieser Stollen wie z. B. in Saarbrücken oder im Nachbarort Wehrden zu Luftschutzräumen ausgebaut. Der erste senkrechte Schacht in Hostenbach wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts abgeteuft. Er diente der Wasserhaltung und der Kohleförderung, die Kraft lieferte eine Dampfmaschine. Die Seilfahrt für die Bergleute war noch nicht üblich; sie gelangten über Leitern zu ihrem Arbeitsplatz „vor Ort" und ebenso nach der Schicht wieder hinauf. In der Bergmannssprache hießen die Leitern „Fahrten"; die Bergleute „fuhren" ein oder aus, auch wenn sie über Leitern kletterten. Man stelle sich vor, welche Mühe es kostete, nach der Schicht auch nur 100 Meter über eine Leiter emporzusteigen. Da würde mancher Extremsportler unserer Tage kapitulieren.
Die ergiebigeren Flöze lagen in größerer Tiefe; die Schächte wurden also tiefer abgeteuft. Da war es eine Erleichterung für die Ein- und Ausfahrenden, als 1872 in einem Schacht in Hostenbach eine „Fahrkunst" eingebaut wurde. „Kunst" in der Bergmannssprache war etwas Künstliches, eine Maschine. Die neue Einrichtung - sie hatte sich im Erzbergbau im Harz bewährt - bestand aus einem Gestänge, dessen beide Teile, durch Wasserkraft oder eine Dampfmaschine angetrieben, sich gegenläufig auf und ab bewegten. Daran waren Trittbretter und Handgriffe angebracht. Der Bergmann fuhr ein oder aus, indem er von einer Stange zur anderen hinüber trat. Verglichen mit dem Ein- und Ausfahren über Leitern ersparte das Zeit und Kraft, denn der Arbeiter musste nicht mehr aus eigener Kraft auf- und niedersteigen. Die Hostenbacher Grube war die einzige im saarländischen Kohlenrevier, auf der eine Fahrkunst in Betrieb war.
Heute ist die Grube Hostenbach nur noch Erinnerung; bald wird der Bergbau an der Saar nur noch Erinnerung sein. In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg arbeiteten hier 60 000 Bergleute. Heute in einem Jahr - wir haben den 31. Juli 2011 - wird die letzte saarländische Grube, das „Bergwerk Saar" in Ensdorf, den Betrieb einstellen.
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Quellen:
- Stollen und Schächte im Steinkohlenbergbau an der Saar (16). Grube Hostenbach, Teil 1 + 2. Nach allen erreichten Unterlagen (Akten, Literatur, Rissen) zusammengestellt von Karl Heinz Ruth, Dudweiler. Beilage zur Konzernzeitschrift Saarberg, Ausgabe 5/1993.
- Josef Burg, Die Grube Hostenbach. Kohlengraben im Gebiet der Prämonstratenserabtei Wadgassen in: Zeitschrift für die Geschichte der Saargegend, 36. Jahrgang 1988.
- Villeroy & Boch. Ein Vierteljahrtausend europäische Industriegeschichte 1748-1998.
Fotos: Hans Herkes
Zeichnung Grube Hostenbach von Fritz Ludwig Schmidt, mit freundlicher Genehmigung der RAG Saarberg