An der steinernen Kanzel in der St. Wendeler Kirche fällt dem Kirchenbesucher neben der Jahreszahl 1462 ein Krebs auf, ein roter Krebs in einem Wappenschild. Wie kommt der Krebs an die Kanzel?
St. Wendel war zur Regierungszeit des Kurfürsten und Erzbischofs Balduin, also in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, trierisch geworden und bekam 1332 Stadtrechte. Nach der wachsenden Bedeutung des Ortes sollte eine neue Kirche die alte ersetzen. Die Bauarbeiten wurden bald begonnen, doch zogen sie sich über mehrere Jahrzehnte hin bis zum Ende des Jahrhunderts. So entstand verständlicherweise kein Bau „wie aus einem Guss", aber doch eine imposante Kirche, eben der Wendelsdom, den wir kennen und der auch heute noch das Wahrzeichen der kleinen Stadt an der Blies ist.
Im Jahr 1401 kam in Kues an der Mosel in der Familie des Henne (Johann) Crifftz und seiner Frau Katharina ein Sohn auf die Welt, den man auf den Namen Nikolaus taufte. Diese Namensgebung lag nahe, denn der Vater war Moselschiffer, und der Hl. Nikolaus galt als Schutzpatron der Schiffsleute. Der erstgeborene Sohn der Familie hätte einmal das einträgliche Geschäft des Vaters übernehmen sollen. So dachten es sich die Eltern. Gewiss war es im Besonderen der Wunsch des Vaters. Doch der Sohn zeigte wenig Neigung und Geschick für diesen rauen Beruf, umso mehr Interesse fürs Lernen, Studieren. Aus dem Moseljungen wurde einer der größten Gelehrten seines Jahrhunderts, der für einen Abkömmling aus einer nicht adeligen Familie - so war es damals - eine ganz erstaunliche Karriere machte: Nach dem Studium an mehreren Universitäten wurde er Berater weltlicher und kirchlicher Herren, nahm am Konzil in Basel teil, trat in den Dienst des Papstes, wurde Kardinal und Bischof von Brixen und schließlich Vertreter des Papstes im Kirchenstaat, wenn dieser abwesend war.
In den zuletzt genannten Ämtern hatte er natürlich gesicherte Einkünfte. Aber wovon lebte jemand, der im Auftrag eines kirchlichen Amtsträgers ständig unterwegs war? Es wurden ihm Pfründen übertragen, Rechte an Kirchen, Kapellen, Altären, woher er regelmäßige Einkünfte bezog, auch wenn er an einem solchen Ort nicht selbst den Dienst versah, sondern ein Vertreter. Für uns Heutige mag dieses System der Alimentierung eines Geistlichen etwas Anrüchiges haben, und es lag auch Missbrauch nahe, aber es gab damals keine andere Möglichkeit. Nikolaus bezog Einkünfte aus mehreren Pfründen, die nicht alle in seinem Heimatbistum lagen, auch von der Wendalinuskirche in St. Wendel. Für sie stiftete er die schöne Steinkanzel, die sein Wappen ziert: der Krebs. Wieso aber wählte Nikolaus den Krebs zu seinem Wappentier, als er Kardinal wurde? Nun, es war sein Familienname. Crifftz war die moselländische Dialektform für Krebs.
Nikolaus von Kues hat auf vielen Kanzeln gepredigt, mehr als 300 Predigten sind von ihm überliefert, aber auf der für die St. Wendeler Kirche gestifteten mit Sicherheit nicht, wenn die Jahreszahl 1462 das Jahr ihrer Aufstellung bedeutet. In den letzten Lebensjahren ist er nicht mehr über die Alpen nach Norden gereist, um seine moselländische Heimat zu besuchen. Er starb im August 1464 in Todi, auf dem Weg nach Ancona, von wo die venezianische Flotte ein Kreuzfahrerheer über die Adria setzen sollte. Zu dieser letzten Reise hatte ihn sein Freund Enea Silvio Piccolomini, als Papst Pius II. aufgefordert. Der Papst folgte ihm wenige Tage später in den Tod.
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Textquellen:
- Georg Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Rheinland-Pfalz, Saarland. Deutscher Kunstverlag, München 1985 (2. Aufl.).
- Walter Hauth, Trier und Nikolaus von Kues. Trier 1990.
- Heiner Martini, Der Krebs in der Reuse. Nikolaus von Kues. Trier 1986.
Bilder:
- Vorschaubild: Krebs-Wappen auf der Kanzel der Wendalinusbasilika - Ausschnitt
aus:
- Bild oben rechts: Steinkanzel in der Basilika St. Wendelin in St. Wendel: Fotograf: Florian Russi
- Nikolaus Cusanus, Stifterbild auf dem Hochaltar in der Kapelle des St.-Nikolaus-Spitals Bernkastel-Kues, ca 1460. Quelle: Wikimedia Commons
- Basilika in St. Wendel. Fotograf: Florian Russi