Die Zeugnisse der Kriege in der Geschichte der Menschheit, meine Leserinnen und Leser, werden wohl solange sichtbar sein, wie es Menschen auf der Erde gibt. Damit meine ich vor allem Festungen und Befestigungen und die Geräte, die zu ihrer Überwindung geschaffen wurden. Menschliches Genie, menschlicher Erfindungsgeist und Ingenieurtum haben es auf diesem eigentlich traurigem Gebiet zu faszinierenden Leistungen gebracht.
Sébastien Le Prestre de Vauban (1633–1707), dessen Lebensdaten sich ungefähr mit denen seines königlichen Arbeitgebers, Ludwig XIV. (1638–1715), decken, ist ein hervorragendes Beispiel dafür.
Im 14. Jahrhundert fand das Schießpulver (ein Gemisch aus 75% Salpeter, 14% Holz- oder Aktivkohle und 11% Schwefel), das wahrscheinlich zuerst von den Arabern für militärische Zwecke verwendet wurde, Eingang in das europäische Kriegswesen. Das hatte gravierende Folgen für den Bau von Befestigungen. Die alten Stadt- und Burgmauern begannen, ihre Funktion als wirksame Verteidigungsbollwerke zu verlieren. Von nun an mussten die Befestigungsanlagen den neuen Angriffs- und Zerstörungs-möglichkeiten angepasst werden. Sie mussten niedrig sein, um möglichst wenig Zielfläche zu bieten. Sie wurden sternförmig gebaut, um den Schusslinien zu folgen, und sie mussten vom eigenen Verteidigungsgeschütz bestrichen werden können. Diesen grundsätzlichen Anforderungen ist Vauban in hervorragender Weise gerecht geworden.
Als junger Offizier kämpfte er noch auf Seiten der Fronde des französischen Adels gegen den Absolutismus Ludwig XIV., wurde jedoch 1752 von Mazarin für die Sache des Königs gewonnen und stieg 1678 bis zum Generalinspekteur aller französischen Festungen auf. Schließlich wurde er Marschall von Frankreich.
Seine Leistungen sind beeindruckend. Im Laufe von 50 Jahren baute er die "Ringmauer des französischen Hauses", einen Festungsgürtel um ganz Frankreich. Besonders stark wurde die Nord- und Ostgrenze gesichert. Vauban erbaute oder überarbeitete rund 120 Festungen. Er wurde zum führenden Festungsbauer im Europa seiner Epoche.
Die Kriegspolitik Ludwig XIV. war eine schwere Belastung für die französische Wirtschaft. Das veranlasste Vauban, dem König während des Spanischen Erbfolgekrieges eine Denkschrift zu überreichen, in der er die gleichmäßige Besteuerung aller Bürger vorschlug, um die Lasten des Krieges besser zu verteilen. Das kostete ihn die Gunst des Königs, und er wurde in den Ruhestand versetzt.
Über die Person Vauban ist überliefert, dass er seine Freundlichkeit und Bereitschaft, Menschen zu helfen, hinter einem martialischen Äußeren und rauen Manieren verbarg. In der Schlacht versuchte er stets, das Leben seiner Soldaten soweit wie möglich zu schonen, und oft überließ er anderen Offizieren den Ruhm für seinen eigenen mutigen Einsatz. Der Herzog Duc de Saint-Simon, prominenter Chronist der Zeit Ludwig XIV., schrieb über ihn: „Er der ehrenwerteste Mann seiner Zeit gewesen ... und sein Charakter ließ es nicht zu, Falsches oder Unehrenhaftes zu tun."
Im Saarland erinnert vor allem die von Ludwig XIV. gegründete, von Vauban entworfene und zusammen mit Thomas de Choisy gebaute Stadt Saarlouis und hier besonders die Vauban-Insel im Saar-Altarm an das Wirken des Baumeisters.
Nachdem der Festungsbau unter Vauban seinen unstreitigen Höhepunkt erreicht hatte, verlor er spätestens unter Napoleons Bewegungskriegen und offenen Feldschlachten seine Bedeutung. Der Festungsgedanke erlebte im 20. Jahrhundert mit dem West- und Atlantikwall noch einmal eine späte, makabre Auferstehung, die viele sinnlose Blutopfer kostete.