Saarland-Lese

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Saarbrücken

Die 99 besonderen Seiten der Stadt

Rita Dadder und Florian Russi

Saarbrücken, Landeshauptstadt des Saarlandes und unmittelbar an der deutsch-französischen Grenze gelegen, ist eine Stadt mit vielen Reizen. Es hat eine lange und wechselvolle Geschichte. Von Goethe wurde es besucht und beschrieben und von Kaiser Barbarossa teilweise zerstört. Heute ist Saarbrücken eine moderne Metropole mit Universität, Museen und vielfältiger Kultur. Hier lebt man nach der Devise: »Wir wissen, was gut ist«, ist gastfreundlich und lässt sich gerne »entdecken«.


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Florian Russi

Berühmte Liebespaare

Die Liebe kann ebenso verschieden sein wie die Menschen, die sie erleben. Autor Florian Russi durchforstete die Menschheitsgeschichte auf der Suche nach berühmten Liebespaaren und bringt dabei die verschiedenen Facetten der Liebe ans Licht.

Hermann Röchling

Hermann Röchling

Uta Plisch

Hermann Röchling (1872 - 1955) absolvierte das Ludwigsgymnasium in Saarbrücken und machte eine praktische Ausbildung bei den Hüttenwerken in Peine und in der Ilseder Hütte. und studierte nach dem Abitur Jura in Heidelberg und Berlin. 1895 kehrte er zurück nach Völklingen. Wie sein Vater leistete er ein einjähriges Dienstjahr ab beim 7. Dragoner-Regiment in Saarbrücken.

Hermann war der siebte Sohn von Carl Röchling und genau wie dieser technisch und kaufmännisch äußerst begabt. Er wurde zum neuen Patriarchen des Unternehmens. Außer ihm arbeiteten zahlreiche Brüder und Vettern im Unternehmen mit. Nachdem Hermann anfangs das Werk in Thionville geleitet hatte, übernahm es sein Bruder Robert (1877-1948).

1897 unternahm Hermann Röchling eine Studienreise nach Nordamerika. Im selben Jahr baute er ein neues Hochofenwerk in Diedenhofen (Carlshütte). 1898 übernahm er von seinem Vater Carl die Leitung der Völklinger Hütte. Der Schwerpunkt des Unternehmens verlagerte sich nun auf den technischen Bereich. 1900 gab das Eisenwerk rund 6000 Menschen Arbeit.

1899 heiratete er in Metz Theodora Müller (1878-1946). Sie hatten zusammen zwei Kinder, Ellenruth (1900-1977) und Carl Theodor (1902-1944). In zweiter Ehe heiratete er 1951 Ruth Huesgen (1885-1973).

Hermann Röchling zeichnete sich durch einen autoritären Führungsstil aus, aber auch durch seine Gemeinnützigkeit. Er unterstützte die evangelische Kirche und machte soziale und karitative Schenkungen und Stiftungen. Politisch war er national gesinnt. Er trat für eine Westausdehnung des Deutschen Reiches ein. Nach dem verlorenen Krieg wurde er Mitglied der Waffenstillstandskommission.

Er nahm am Ersten Weltkrieg teil als Rittmeister des 7. Dragoner-Regiments (1914-1915). Im Dezember 1919 erfolgte seine erste Verurteilung in Abwesenheit wegen Kriegsverbrechen in Amiens zu zehn Jahren Gefängnis. Frankreich beschuldigte die Brüder Robert und Hermann Röchling des schweren Diebstahls und Sachbeschädigung. Robert wurde nach 22 Monaten vorzeitig entlassen, Hermann, der in Heidelberg wohnte, entging der Strafe, konnte aber vorerst nicht ins Saarland zurück. Sein Bruder Louis (1863-1926), der als politisch unbelastet galt, führte in dieser Zeit das Unternehmen.

1920 gründete Hermann Röchling die Stahlwerke Röchling-Buderus in Wetzlar. 1922 wurde ihm von der Universität Heidelberg der Ehrendoktortitel Dr. phil. h.c. verliehen.

Die Völklinger Hütte 1934
Die Völklinger Hütte 1934

Am 17. Dezember 1944 wurde sein einziger Sohn Carl Theodor zusammen mit Oberingenieur Koch auf dem Hüttengelände in Völklingen ermordet. Russische Fremdarbeiter wurden dafür verurteilt. Aber das Verbrechen wurde nie völlig aufgeklärt.


Röchling baute das alte Familienimperium wieder auf, nachdem die französischen Anteile nach dem Ersten Weltkrieg an Frankreich gefallen waren, und gründete neue Firmen. Während des Ersten Weltkriegs stieg er ins Waffengeschäft ein. Neun von zehn Soldaten trugen in den Schlachten von Verdun und Tannenberg einen Stahlhelm Marke Röchling. Als der Krieg vorbei war, lieferte er seine Waffen an die Franzosen.

Im Gegensatz zu Carl war Hermann Röchling Politiker. Eine Herzensangelegenheit war für ihn der Verbleib des Saargebietes bei Deutschland. Er gehörte dem Landesrat des Saargebietes in allen vier Legislaturperioden an (1922-1935) als Vertreter der Liberalen Volkspartei, die sich ab 1924 Deutsch-Saarländische Volkspartei nannte.

Nun begann ein unrühmliches Kapitel der deutschen Geschichte.

Hermann Röchling machte sich am 21. Juli 1933 stark bei Hitler für eine Annexion des Saarlandes an das Reich. Dabei fiel die Aussage: damit das Saarland kein „jüdischer Nationalpark" werde. 1935 wurde er Mitglied der NSDAP. Er war die treibende Kraft hinter der Gründung der Deutschen Front (DF), mit deren Hilfe der Anschluss des Saargebiets an das Deutsche Reich gelingen sollte. Röchling beauftragte Peter Schaub, damals Bürgermeister von Quierschied, die Gegner des Anschlusses bei ihren Veranstaltungen im Johannishof mit einem versteckten Mikrofon auszuhorchen. Die Leitung des Johannishofs hatte Gerhard Graf inne, dessen Sohn Willi Graf eine wichtige Rolle im Widerstand spielen sollte.

1935 wurde Röchling in den Rüstungsbeirat des Reichswehrministerium gewählt. Außerdem saß er im Aufsichtsrat von zahlreichen Firmen der Montanindustrie. Seine nächste Beförderung war der Posten eines Wehrwirtschaftsführers und Leiters der „Bezirksgruppe Südwest der Wirtschaftsgruppe Eisenschaffende Industrie". Ferner war er Senator der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und Senator der Deutschen Akademie in Müuuml;nchen, alles in allem ein Mann, der für die Nationalsozialisten immer unentbehrlicher wurde.

Röchling sah sich gezwungen, nach dem Frankreichfeldzug 1940 seinen Industriebesitz in Lothringen nach dem verlorenen Krieg zurückzugeben, nachdem er 1935 einige Firmen in Mitteldeutschland übernommen hatte.

Zwischen 1940 und 1942 wurde er Generalbevollmächtigter für die Eisen- und Stahlindustrie in Lothringen, Meurthe-et-Moselle und Longwy. Dabei kam er Friedrich Flick ins Gehege, der sich ebenfalls um die lothringische Stahlindustrie bemüht hatte. Ab Juni 1942 leitete Röchling die „Reichsvereinigung Eisen". Er wurde mit dem Adlerschild des Deuschen Reiches ausgezeichnet.

Hermann Röchling gehörte zu den engsten Vertrauten Hitlers. Der schätzte ihn sehr und war beeindruckt von seiner Industriellenpersönlichkeit. Röchling schrieb für Hitler mehrere Memoranden, z.B. im August 1936: „Gedanken über die Vorbereitung zum Kriege und seine Durchführung". Darin forderte er Hitler auf, der Sowjetunion den Krieg zu erklären.

Ab April 1943 wurde in Etzenhofen, einem Ortsteil von Köllerbach, durch die Röchlingschen Eisen- und Stahlwerke ein Straflager ins Leben gerufen, ein sogenanntes Arbeits-Erziehungslager, geleitet von einem Obersturmbannführer und 150 Aufsehern. Von einem Schnellgericht verurteilt, wurde man dort bis zu 60 Tage interniert. Von April 1943 bis Dezember 1944 durchliefen 1604 Menschen dieses Lager, ausländische Arbeiter, Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene.

Ernst Röchling, ein Bruder Hermanns, wurde nach dem gescheiterten Hitlerattentat wegen Verschwörung gegen den Staat im Juli 1944 verhaftet und kam ins Zuchthaus Brandenburg. Dort wurde er 1945 durch amerikanische Truppen befreit.

Am 20. März 1945 wurde das Saarland durch amerikanische Truppen besetzt. Im Juni desselben Jahres wurde das Völklinger Werk unter Sequesterverwaltung gestellt. 

Nach dem Krieg tauchte Röchling zunächst unter. Im November 1946 wurde er von den Allierten verhaftet und im Mai 1947 an Frankreich ausgeliefert. Auch sein Neffe Ernst Röchling, sein Schwiegersohn Hans-Lothar von Gemmingen sowie die Direktoren Albert Maier und Wilhelm Rodenhauser wurden in Haft genommen. Sie wurden vor einem internationalen Militärgerichtshof in Rastatt angeklagt: industrielle Ausbeutung der besetzten Gebiete, Erhöhung der Kriegskraft des Deutschen Reichs und Einfluss auf die Verschleppung von Personen zur Zwangsarbeit. Die Urteilsverkündung erfolgte im Juli 1948. Röchling legte Revision ein, dadurch erhöhte sich die Haftstrafe im Januar 1949 wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit auf zehn Jahre. Er konnte sie teilweise in sog. Ehrenhaft im Freiburger Diakonissenheim bis zu seiner Entlassung im August 1951 ableisten. Anschließend erhielt er die Auflage, das Saarland nie mehr zu betreten. Die Völklinger Hütte wurde von französischer Seite zwangsverwaltet. Carl Röchling starb 1955 in Mannheim.

Hermann Röchling war für die Saarländer eine zwiespältige Persönlichkeit. Er war einer der Ihren, hatte er doch viel getan für das Land und seine Arbeiter. Von der anderen, der dunklen Seite wollte man lieber nicht allzu viel wissen. Von Hitler mit Auszeichnungen überschüttet, von den Siegermächten als Kriegsverbrecher verurteilt - das alles konnte sein Bild nicht in den Schmutz ziehen. 1956 benannte man einen Stadtteil von Völklingen nach ihm, die Hermann-Röchling-Höhe. Übrigens hatte Röchling dort im Dezember 1939 begonnen, Häuser für seine Arbeiter zu bauen. Nach seinem Tod wurde er auch er Ehrenbürger von Völklingen.

2000 wurde dieser Sachverhalt in einem Fernsehmagazin der ARD scharf kritisiert. Aber die Völklinger vergessen nicht so schnell, was Hermann Röchling für sie getan hat damals, als er ihr größter Arbeitgeber war.

Erst Ende 1956 wurde das Unternehmen der Familie Röchling zurückgegeben. Dr. Ernst Röchling, ein Sohn von Hermanns Cousin August, übernahm die Leitung des Werkes in Völklingen.

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Bildquellen:

- Vorschaubild: http://www.saarland-biografien.de/Roechling-Hermann
- Bild oben rechts: http://www.voelklinger-huette.org/de/faszination-weltkulturerbe/die-unternehmerfamilie-roechling/
- Foto "Die Völklinger Hütte 1934": http://www.der-weltkrieg-war-vor-deiner-tuer.de.tl/

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