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Saarbrücken

Die 99 besonderen Seiten der Stadt

Rita Dadder und Florian Russi

Saarbrücken, Landeshauptstadt des Saarlandes und unmittelbar an der deutsch-französischen Grenze gelegen, ist eine Stadt mit vielen Reizen. Es hat eine lange und wechselvolle Geschichte. Von Goethe wurde es besucht und beschrieben und von Kaiser Barbarossa teilweise zerstört. Heute ist Saarbrücken eine moderne Metropole mit Universität, Museen und vielfältiger Kultur. Hier lebt man nach der Devise: »Wir wissen, was gut ist«, ist gastfreundlich und lässt sich gerne »entdecken«.


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Krabat

Florian Russi | Andreas Werner

Krabat ist die bekannteste Sagenfigur aus der Oberlausitz. Das Müllerhandwerk und das Zaubern hatte er vom "schwarzen Müller" erlernt, von dem man gemunkelte, dass er mit dem Teufel im Pakt stand. Irgendwann musste es zum Machtkampf zwischen Meister und Schüler kommen.

Die Hauptwirkungsstätte Krabats war die Mühle in Schwarzkollm, einem Dorf, das heute zu Hoyerswerda gehört. Die Mühle besteht noch und hat nach umfänglicher Restaurierung nichts von ihrer Romantik und Magie verloren. Seit 2012 finden hier die Krabat-Festspiele statt.

Isaak Tannenberg

Isaak Tannenberg

Hans Herkes

30 Jahre im Dienst der Synagogengemeinde Merzig

In Merzig, Brotdorf und Hilbringen war im 19. Jahrhundert der Anteil der jüdischen Einwohner im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung größer als in jeder anderen saarländischen Gemeinde. Mehr als ein halbes Jahrhundert lang, von 1823 bis 1876, gab es eine private jüdische Elementarschule. Nach ihrer Schließung auf Anordnung der königlich-preußischen Bezirksregierung in Trier wurden die jüdischen Kinder gemeinsam mit den katholischen unterrichtet, waren aber befreit vom Katechismusunterricht, den der katholische Pfarrer erteilte. Doch scheint man es von beiden Seiten nicht so eng gesehen zu haben. Alfred Hanau weiß aus der Zeit, als er in Losheim zur Schule ging, zu berichten: „Ich ging in die Volksschule in Losheim, und das war sehr schön. Wenn dann Katechismus war, konnte ich nach Hause (gehen). Und eines schönen Tages sagte Pastor Wiltz zu mir: ‚Komm mal daher, du bleibscht haut drin, dau gehscht mit in de Schul, haut ham ma dat alt Testament, un dat darfscht du ruhisch mit anheeren.' Ich konnte zur damaligen Zeit alle Gebete der katholischen Kirche, alle. Ich konnte auch singen, die Lieder der Fronleichnamsprozession, ich kannte alle Lieder." Der Religionsunterricht für die jüdischen Kinder wurde in der katholischen Schule erteilt von einem Lehrer, der von der jüdischen Gemeinde angestellt war. Dieser war im allgemeinen auch Kantor und Schächter und versah in der Merziger Gemeinde, die keinem Rabbiner unterstand, auch dessen Aufgaben als Prediger und Leiter des Gottesdienstes.
IsaakTannenberg (?) am Eingang zur Merziger Synagoge
IsaakTannenberg (?) am Eingang zur Merziger Synagoge

Diesen Dienst übte in Merzig dreißig Jahre lang, von 1896 bis 1926, Isaak Tannenberg aus. Wie sein Vorgänger Levy Nussbaum und sein Nachfolger Siegmund Friedemann war er kein Kind des Merziger Landes. Er stammte aus Schenklengsfeld bei Hersfeld, wo er als zweites von fünf Kindern der Eheleute Jonas Tannenberg, eines Viehhändlers, und Beile Nussbaum 1865 geboren wurde. In welcher Schule er seine Ausbildung erfuhr und wo er die ersten zehn Berufsjahre verbrachte, wissen wir nicht, möglicherweise in Greifenberg in Pommern(?), denn da wurde 1893 der Sohn Arthur geboren. Den Namen der ersten Frau Isaak Tannenbergs kennen wir nicht. Max, das zweite Kind, kam 1902 in Merzig auf die Welt, wo die Familie im Lehrerhaus neben der Synagoge wohnte. Bei einem Bombenangriff im November 1944, der den nahen Westwallbunkern galt, wurde das Haus getroffen und zerstört. Zu dieser Zeit lebte niemand mehr von der Familie Tannenberg.

Aber der Reihe nach. Man wird annehmen dürfen, dass die ersten Jahre in Merzig eine glückliche Zeit waren. Der jüdische Lehrer wurde nicht nur von seinen Glaubensgenossen geachtet, sondern auch von der christlichen Bevölkerung. Alfred Hanau wusste zu berichten: „Er ging durch Merzig im Gehrock und mit Halbzylinder, also ungefähr wie ein katholischer Geistlicher. So ging er durch die Stadt, und er wurde begrüßt und geehrt." In der Gesprächsrunde in Schiltigheim im Elsaß, an der neben Alfred Hanau und den Merziger Besuchern auch das Ehepaar Siegmund und Herta Friedemann, die Gastgeber, teilnahmen, war man sich einig, dass Isaak Tannenberg ein frommer und ehrenhafter Mann war. Über seine Fähigkeiten als Lehrer gingen die Meinungen auseinander. Alfred bemängelte, er habe immer nur auswendig lernen müssen, lieber hätte er mehr gelesen. Herta, die ebenfalls seine Schülerin war, hielt dagegen, sie habe viel bei ihm gelernt. Sie wird gewusst haben, wovon sie sprach, war sie doch die Ehefrau seines Nachfolgers. Mag auch sein, dass da ein Unterschied in der Lernbereitschaft zwischen Jungen und Mädchen herausschaut.

Todesanzeige für Isaak Tannenbergs Sohn Arthur in der Merziger Zeitung
Todesanzeige für Isaak Tannenbergs Sohn Arthur in der Merziger Zeitung

Die Familie Tannenberg blieb von Schicksalsschlägen nicht verschont. Als die erste Frau starb, muss der Sohn Max noch klein gewesen sein. Im Mai 1914 heiratete Isaak wieder. Seine zweite Frau, Berta Adler, war siebzehn Jahre jünger als er. Konnte er nicht hoffen, mit ihr und den beiden Söhnen noch eine gute Zeit verbringen zu dürfen? Anfang August 1914 brach der Erste Weltkrieg aus. Arthur meldete sich freiwillig und fiel schon im September 1914. Bei Kriegsende war Max erst 16 Jahre alt. Als Isaak Tannenberg 1926 mit 60 Jahren in den Ruhestand trat, hob Benny Cahn bei seiner Verabschiedung seine Verdienste für seine Heimatstadt hervor und schloss seine Rede mit dem Wunsch: „Möge es Ihnen vergönnt sein, dass Sie die Früchte Ihres Wirkens noch viele Jahre in bester Gesundheit und in Lebensfreudigkeit gemeinsam mit Ihrer geschätzten Gattin und Ihrem Sohn in unserer Mitte genießen können. Das ist unser aller Wunsch, und das walte Gott."

Dieser wohlgemeinte Wunsch hat sich nicht erfüllt. Die guten Jahre, die der Familie Tannenberg in Merzig vergönnt waren, kann man fast an den Fingern einer Hand abzählen. Man vergegenwärtige sich, wie viel Leid die Jahre 1933, 1935, 1938, 1939 ... für eine jüdische Familie bringen konnten. Es ist nicht sicher, dass beim Ausbruch des Zweiten Weltkriegs im September 1939 die Tannenbergs noch in Merzig lebten und mit den Bewohnern der Stadt evakuiert wurden. Träfe dies zu, so wären sie 1940 wahrscheinlich nicht wie die anderen Evakuierten in ihre Heimatstadt zurückgekehrt; denn in der Liste der Verfolgten von Yad Vashem heißt es, sie seien während des Krieges in Trier gewesen. Ihre Adresse dort: Dampfschiffsgasse 6. Wie Alfred Hanaus Eltern wurden Isaak und Berta Tannenberg 1942 von Trier nach Köln gebracht und am 27. Juli nach Theresienstadt deportiert. Fünf Wochen später, am 1. September 1942, starb Isaak Tannenberg im Getto Theresienstadt. Für seine Frau war der Leidensweg noch nicht zu Ende. Sie wurde am 23. Januar 1943 nach Auschwitz-Birkenau deportiert und dort ermordet. Max Tannenberg ist nicht mit seinen Eltern deportiert worden. Er war möglicherweise vor dem Krieg nach Frankreich emigriert und bei Kriegsausbruch als deutscher Staatsbürger interniert worden, wie es vielen geschehen war; weniger wahrscheinlich ist, dass er 1939 wie alle Merziger evakuiert wurde, 1940 an die Saar zurückkehrte, im Oktober desselben Jahres bei der Wagner-Bürckel-Aktion verhaftet wurde und in eins der südfranzösischen Lager kam. Als gewiss gilt, dass er im Krieg in Frankreich war und am 4. März 1943 vom Sammellager Drancy aus ins KZ Majdanek in Polen deportiert wurde, wo er zu Tode kam.

Damit war die Familie Tannenberg in Merzig ausgelöscht. Einige Blätter in Archiven erinnern noch an sie: Berichte in der Zeitschrift „Der Israelit", die Todesanzeige für den gefallenen Sohn Arthur in der „Merziger Zeitung", die Todesfallanzeige des Ältestenrates im Getto Theresienstadt.

 

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Quellen:
- www.alemannia judaica.de/merzig
- Gesprächsprotokoll: Herta und Siegmund Friedemann, Alfred Hanau, Alfred Diwersy, Georg Hasenmüller
- Merziger Zeitung im Merziger Bürgerarchiv
- Karl Honikel, Schenklengsfeld: Übermittlung einiger Familiendaten und Foto
- Nationalarchiv Prag, Ghetto Theresienstadt
 

Die Fotos sind entnommen dem Buch "Reb Mosche Merzig und die jüdische Geschichte der Stadt", hrsg. von Alfred Diwersy und Hans Herkes, Gollenstein Verlag 2012 - mit freundlicher Genehmigung.

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