In den 1950iger und 1960iger Jahren haben saarländische Volksschüler noch gelernt, dass das Merziger Becken die Apfelkiste des Saarlandes ist. Heute weiß das natürlich kein Mensch mehr, weil man lieber die „ach so bio Äpfel", die aus weiß der Teufel woher kommen und nur 19 Mal statt 26 Mal - weil ja bio - mit garantiert biologisch abbaubarem Gift gespritzt sind, kauft und damit dem heimischen Obst keine Chance mehr gibt. Aber das nur am Rande.
Der echte Einheimische würde natürlich nie Merziger Becken sagen - es sei denn er ist Lehrer und muss sich seinen Schülern gegenüber um korrekte Ausdrucksweise bemühen - sondern immer vom Särkov reden und die Einwohner Särkover nennen. So ähnlich heißt übrigens eine Viezsorte der berühmten Süßmosterei. Ihr „Alter Särkover" ist im Gegensatz zum normalen „Merziger Viez" des Unternehmens naturtrüb und etwas herber im Geschmack, was die Sache für den Kenner dann etwas „herziger" macht.
Dass der Apfelanbau in der Gegend eine sehr weit, vielleicht schon bis in die Römerzeit zurückreichende Tradition hat, zeigt der Begriff, den die Einheimischen dem aus Äpfeln hergestellten Wein gaben. Sie sagen heute noch Viez dazu, was aus dem Lateinischen kommt und so viel wie Vice-Wein heißt, also der zweite oder der stellvertretende Wein. Den ersten Platz räumten sie natürlich dem Wein aus Trauben ein.
Die Nationalsozialisten wollten das günstige Klima der Region für den Apfelanbau nutzen und stellten den Landbesitzern, so wurde es mir von einem alten Landwirt erzählt, im Rahmen ihres nationalen Selbstversorgungsprogramms kostenlos Apfelbäume zur Verfügung. Die Obstanlagen, die damals entstanden, bilden zum Teil die Streuobstwiesen, die heute noch beispielsweise an der L 170 zwischen Schwemlingen und Büschdorf zu bewundern sind. Dazwischen sieht man auch hie und da neu angelegte Apfelplantagen mit niedrig wachsenden Bäumen.
Dass Äpfel für einen, der wie ich sozusagen am Rande der Merziger Apfelkiste, nämlich im einst idyllisch gelegenen, etwas verschlafenen Weiler geboren ist, in der Jugendzeit eine wichtige Rolle gespielt haben, erscheint fast selbstverständlich. Neben vielen Kirschbäumen besaß die Familie eine Reihe von Apfelbäumen, deren Erträge über einige Jahre die Haushaltskasse im Herbst aufbesserten. Da viele Bäume in steilem Hang standen, der mit unserem einachser Holder mit Anhänger nicht erreichbar war, mussten wir die Früchte mühsam in Körben aus dem schwierigen Gelände heraustragen.
Irgendwann hatte der Apfeltourismus sein Ende gefunden. Es war exakt zu dem Zeitpunkt, als die Supermärkte Äpfel anboten, die alle gleich groß und gleich „schön" waren, wie die Leute sagten, und „natürlich keinen Makel, wie etwa eine „hässliche" Schorfstelle aufwiesen.
Das war dann aber auch das Ende des tatsächlichen ökologischen Apfelanbaus. Denn unsere Äpfel und natürlich auch die der anderen Apfelbaumbesitzer aus der Gegend kamen nie mit einem Tropfen Spritzgift in Berührung. Dafür sah nicht ein Apfel aus wie der andere und Schorfstellen und andere Schönheitsfehler hatten einige natürlich auch.
In den folgenden Jahren wurden, wenn es eine gute Ernte gab, die Äpfel nicht mehr gepflückt, sondern von den Bäumen geschüttelt und zur Merziger Süßmosterei gebracht, die übrigens ursprünglich zu Raiffeisen gehört hatte.
Dort wurden die Äpfel gegen den dort erzeugten Apfelsaft oder auch gegen andere Säfte getauscht. Heute bringen nur noch relativ wenige „Kleinerzeuger" ihr Obst dorthin.
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Fotos: Ferdinand Luxenburger