Mit einigem Wohlwollen zählt das Saarland noch 1 Million Einwohner, das heißt, seine Bevölkerung entspricht 1/82 oder 1,2 Prozent der gesamtdeutschen. Ein kleines Land ist das Saarland also, und vor einigen Jahren habe ich in einem Beitrag dargelegt, dass die Saarländer nach der Vereinigung mit der Bundesrepublik Deutschland wenig Selbstbewusstsein gegenüber denen „im Reich“ zeigten. Was aber lese und höre ich jetzt? Überall sind Saarländer auf dem Vormarsch:
Der Bundesaußenminister und der Wirtschaftsminister kommen von „Dehemm“, die wichtige Funktion der CDU-Generalsekretärin wurde mit der ehemaligen saarländischen Ministerpräsidentin besetzt und auch der nächste Generalinspekteur der Bundeswehr, also der erste Soldat in Deutschland, wird/soll ein Saarländer (Eberhard Zorn) sein. Wie kommt so etwas zustande?
Nun, es liegt natürlich in erster Linie an den Fähigkeiten dieser Leute. Sicherlich hat aber auch die saarländische Mentalität eine wichtige Rolle gespielt. Anfang der 70er Jahre ist im Saarland einiges in Bewegung geraten. Damals entstand an der Saarbrücker Universität eine aktive Gruppe von Jungsozialisten um die damaligen Studenten Lafontaine und Klimmt. In der Jungen Union bildete sich die „Gruppe Meyer“, die angeführt von Gerd Meyer auch Franz-Josef Conrad, Werner Schreiber und Günther Schwarz als Matadoren hatte und die den konservativen Flügel der CDU das Fürchten lehrte.
An der Universität scharte sich um den damaligen Präsidenten Werner Maihofer eine Gruppe von Jungen Liberalen. Es entstanden Bildungsinitiativen wie „Union-progressiv“ (Prof. Schön) oder der „Ensheimer Kreis“ (Prof. Rohde) und politische Begegnungsebenen wie der „Reinheimer Kreis“, der saarländisch-lothringische, oder der „Perler Kreis“, der Kontakte mit Luxemburger Jungpolitikern pflegte. Auch wenn diese Initiativen nicht alle von langer Dauer waren, so übten sie doch großen Einfluss aus. Durch meine Studien zur Jugendsoziologie bei Professor Rosenmayr in Wien weiß ich, wie sehr auch kleinste Ereignisse und Erlebnisse auf Jugendliche einwirken und wie sehr sie prägen können. So bin ich davon überzeugt, dass über die Parteigrenzen hinweg die Aufbruchsstimmung im Saarland der 70er Jahre bis heute ihre Wirkungen zeigt.
Begonnen hat der Umschwung mit Oskar Lafontaine, der von 1985 bis 1998 saarländischer Ministerpräsident und von 1995 bis 1999 Bundesvorsitzender der SPD war. Lafontaine hatte sich vor allem als Friedensaktivist, als Gegner der Nato und als parteiinterner Rebell einen Namen gemacht, Selbst im Ausland wurde man auf ihn angesprochen, sobald man sich als Saarländer kenntlich gemacht hatte. Bei vielen Saarländern sah man, wie sie in solchen Gesprächen über sich hinauswuchsen.
War die Beachtung Lafontaines noch vor allem auf seine Person bezogen („Napoleon von der Saar“), so steigerte sein späterer Nachfolger Peter Müller das allgemeine saarländische Selbstbewusstsein und rückte das Land mit Aktionen wie „Schön, dass du da bist“ und mit einer Aufwertung der saarländischen Landesvertretung in Berlin stärker ins Blickfeld,
Auch an der deutschen Wiedervereinigung hatte das Saarland einen nicht unerheblichen Anteil, wobei ihm sehr zugute kam, dass der damalige DDR-Chef Erich Honecker seine Wiege ebenfalls im Saarland hatte. Die ersten beiden innerdeutschen Städtepartnerschaften wurden zwischen Saarlouis und Eisenhüttenstadt sowie Saarbrücken und Cottbus angebahnt, und die ersten offiziellen politikwissenschaftlichen Kontakte zwischen der Bundesrepublik und der DDR fanden auf Initiative des Saarländers Prof. Timmermann in der Europäischen Akademie in Otzenhausen im Saarland statt.
Auch Peter Müller gehört zu den Saarländern, die heute eine bedeutende Rolle in der Bundesrepublik Deutschland spielen. Der Mann, der seine beiden juristischen Staatsexamen mit der Note 1 bestanden hatte, wurde 2011 zum Richter am Bundesverfassungsgericht berufen.
Auf einen weiteren Aspekt hat mich eine kompetente Analystin der saarländischen Eigenarten aufmerksam gemacht: Die Saarländer verfügen über ein überdurchschnittliches, durch empirische Untersuchungen belegtes, Harmoniebedürfnis. Entsprechend sind sie von ihrem Charakter her meist ausgleichend und verbindlich. Das ist eine Eigenschaft, die heute mehr als vorher vermisst und gefragt ist.
Ich möchte wetten, dass die Saarländer im Bund und in Berlin alle einen sehr guten Job machen werden.
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Bildquellen:
- Peter Altmaier bei der Vereidigung als Bundeswirtschaftminister am 14.03.2018. Deutscher Bundestag / Fotograf: Achim Melde
- Heiko Maas. Deutscher Bundestag / Fotograf: Achim Melde
- Eberhard Zorn, designierter Generalinspekteur der Bundeswehr (Stand 22.03.2018). Fotograf: Christian Thiel (Eigenes Werk) [CC BY-SA 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)], via Wikimedia Commons.
- Annegret Kramp-Karrenbauer bei der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags am 12. März 2018. Fotograf: Sandro Halank, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons
- Peter Müller. Fotograf: Alexander Kowalski (http://www.photo-universe.net) [CC BY-SA 2.5 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5)], via Wikimedia Commons