Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass wir Franzosen seien, also zumindest Halbfranzosen, Rucksackfranzosen oder Saarfranzosen. Na ja zugegeben, keiner spricht z.B. das Wort „Engagement" so perfekt „französisch" aus wie wir, mit dem „g", das zu dem „sch" geschliffen ist und mit dem näselnden „ment" am Ende.
Aber stimmt das Klischee wirklich, nur weil ein Ex-Ministerpräsident Lafontaine heißt, Minister Bouillon oder Commerçon, weil es häufig „Balaver" im Landtag gibt oder weil „de Oba sei Gallier ned find"?
Ist demnach die folgende Unterhaltung realistisch oder fiktiv?
Die Situation ist wie folgt:
Oma Kätsche aus Beaumarais (bei Saarlouis) zum Enkelsche Theo:
„Alle dann, steck de Brief ins Kuvert (im französischen doch eigentlich:enveloppe?), binn das Päcksche mit'm Fissäl zu, bevor des weg bringe duuschd. Mach ma awwer unnerwegs kä Fissimatente (Zur Information: Er poussiert nämlisch mit'm Schantall, dass isch die Dochter vun Müllers Rosa, dass wo de Becker Ernschd geheirat hat, de Couseng vun Laningers Liesel), bleib uff'm Trottwa, dass se net in de Chauuseegrawe fahrschd odder sunscht noch in die Bredouille kommscht un doo debei es Portmanné verlierscht! Ach joo,dass isch's ned vegesse, bring e Flitt mit un beim Metzjer zwei Boudins ,awwe pass uff, was se da uff de Zwannsischer reduur gäwwe!"
Theo,das Enkelsche: „Ei joo Oma, jetzt mach moo dussma un pressier ned! So,lee disch liewer uff's Schesslong un deck dich mit'm Plümoo zu.Du haschd doch immer kalt!" Und ärgerlich beim Rausgehen in den Bart grummelnd fügt er hinzu:"Isch grie die Flemm!"
Sie finden das übertrieben?
Vielleicht! Neben dem gebildeten Saarländer, der alle Weinsorten des Bordeaux bis zum Chablis kennt, dem die Quiche lorraine ebenso schmeckt wie das Entrecôte, der vom Flair seiner Heimat schwärmt, existiert der Saarländer, der nur zum Einkaufen nach Frankreich (ins CORA noo Saargeminn) oder zum Tanken nach Luxemburg fährt, um dann sofort wieder „hemm" zu fahren.
Da es im Saarland mehr Katholiken als Bayern gibt, wird also dort auch mehr gelacht - also rein prozentual gesehen. Und wir können auch über uns selbst lachen, so zum Beispiel: Wer ist zum dämlichsten Autofahrer des Jahre gewählt worden? - Ein Saarländer aus Kaltnaggisch, der ist nämlich auf einen Geisterfahrer aufgefahren!
Richtig ist andererseits auch der Eindruck, dass der Saarländer die Freizeit weit höher einschätzt als die Arbeitszeit. Zwei typische Zitate belegen dies: „Geschafft han mir schnell" und „Ham'mer gleisch, mache ma morje!"
Ein Ergebnis dieser Geisteshaltung spiegelt sich in der Tatsache wider, dass es mehr Laienspiel-, Wander- oder Musikgruppen als Gemeinden gibt (nicht gezählt sind die Sportvereine). Über Mitgliedermangel können sich dabei höchstens die Jungfrauenvereine beklagen.
Falsch verstanden wird man auch von Nichtsaarländern („Hergeloffene") beim Gebrauch der Verben „holen" und „nehmen". Ein kranker Saarländer holt selbstverständlich die Tabletten ein, die ihm sein Arzt verschrieben hat, er holt in diesem Zustand auch selbstverständlich Rücksicht auf seine Arbeitskollegen (s. Arbeitszeit) und nur ein ganz extrem depressiver Saarländer holt sich das Leben. Ansonsten gilt im Saarland: „Es Bier werd ausm Keller gehol, unn dann gebbt e ahnschdännischer druffgemach!"- also:„Hole die Gläser ausm Schrank, jetzt kriener änner ausgeschenkt!" Der Saarländer schenkt aus, nicht ein!
Kommen wir aber nochmals auf den Anfang zurück, den Becker Heinz und die „Batschkapp".
Eigentlich ist die „Batschkapp" ja - laut Wikipedia - eine „Schieber"- oder „Schlägermütze".
Die saarländische Bezeichnung hat jedoch für ihre Träger ein sehr viel positiveres „Imidsch", obwohl der Zusammenhang mit „Batsch" gleich Schlamm oder als Schallwort für Ohrfeige („unn es hat Batsch gemacht!") doch eher kryptisch bleibt. Jedenfalls hat die Batschkapp längst „es Berré „ (béret basque) als Kopfbedeckung des typischen Saarländers verdrängt.
Lassen wir zum Schluss doch den saarländischen Schriftsteller Ludwig Harig ein Resümee ziehen:
„Wer (heute noch) vom Saarländer sagt, er sei mal so, mal anders, der sagt nicht die Wahrheit. Der Saarländer ist nie so und er ist nie anders, sondern er ist immer die Versöhnung des So- und Andersseins. Schon an anderer Stelle hab ich ihn als vollkommenen Menschen beschrieben, dank seiner Eigenschaft, die ihm wesentlich ist, die Lummerheit. Die lummere Vollkommenheit des Saarländers ist ganz von dieser Welt, es ist nicht die apollinische Schönheit, es ist auch nicht die aristotelische Güte, aber es ist die hiesige Rundheit, die ihn kennzeichnet. Der Saarländer ist hiesig, und er ist rund. (...) Der Saarländer, als harmonischer Hiesiger, ist immer nahe am Ziel. Daran ist er leicht zu erkennen. (...) Er sagt: „Ich sinn mied, ich gehn hemm schloofe." (...) Er geht nicht nach Hause, er geht heim." (Ludwig Harig, Die saarländische Freude/Ein Lesebuch über die gute Art zu leben und zu denken, S. 22/23 ,Hanser Verlag München Wien, 1977)
Ist also der Saarländer sozusagen eine Symbiose von „konservativen Sklerotikern und progressiven Hysterikern" wie es der ehemaligen Intendant des SR formulierte oder ist eigentlich schon: „Alles geschwätzt?"
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Bilder: Herbert Kihm