Saarland-Lese

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Saarbrücken

Die 99 besonderen Seiten der Stadt

Rita Dadder und Florian Russi

Saarbrücken, Landeshauptstadt des Saarlandes und unmittelbar an der deutsch-französischen Grenze gelegen, ist eine Stadt mit vielen Reizen. Es hat eine lange und wechselvolle Geschichte. Von Goethe wurde es besucht und beschrieben und von Kaiser Barbarossa teilweise zerstört. Heute ist Saarbrücken eine moderne Metropole mit Universität, Museen und vielfältiger Kultur. Hier lebt man nach der Devise: »Wir wissen, was gut ist«, ist gastfreundlich und lässt sich gerne »entdecken«.


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Klaus-Werner Haupt

Francesco Algarotti

Gelehrter - Connaisseur - Poet

Mit seinem Buch zeichnet Klaus-Werner Haupt nicht nur das Bild eines überaus vielseitigen Mannes, sondern ein Gemälde des Jahrhunderts der Aufklärung. Eine unterhaltsame Lektüre!

Eines alten Saarländers Wunschtraum

Eines alten Saarländers Wunschtraum

Hans Herkes

Noch einmal nach Paris 

Zwiegespräch zwischen Fantasie (F) und Vernunft (V)

 
In der Zeit nach dem 2.Weltkrieg war Paris für die Saarländer die Großstadt schlechthin. Eine Reise in die französische Hauptstadt gehörte zu den Wunschträumen vieler und war oft die Gewinnprämie für Wettbewerbe oder besondere schulische Leistungen. Vor diesem Hintergrund ruft der „Dialog" unseres Autors Hans Herkes auch manche Erinnerung wach.
Florian Russi
 
Haupteingang des Gare de l'Est (Paris)
Haupteingang des Gare de l'Est (Paris)

V: Warum bist du so unruhig heute? Fehlt dir etwas?

F: Nein, mir fehlt nichts.

V: Und was geht dir wohl so durch den Kopf?

F: Wie so oft: Alles Mögliche und Unmögliche. Meinen Kopf hab‘ ich nicht im Griff.

V: Das ist nichts Neues, es war immer so.

F: Wie schnell ist man mit dem TGV oder ICE von Saarbrücken in Paris? In zwei Stunden?

V: Ach, daher weht der Wind. Du willst nach Paris.

F: Wäre das denn ganz unmöglich?

V: Möglich, unmöglich, was willst du in Paris? Mehr als zehnmal warst du dort. In deiner jetzigen Verfassung wirst du dort nichts Neues mehr entdecken.

F: Das will ich auch nicht. Es wäre schön, Paris noch einmal zu riechen und zu schmecken.

V: Zu riechen und zu schmecken? Nicht zu sehen?

F: Doch, auch zu hören und zu sehen.

V: Also Paris mit allen Sinnen erleben. Klingt wie aus einem Reiseprospekt.

F: Du verstehst mich nicht.

V: Und was machen wir dann - ich vermute, du nimmst mich als Begleitung mit - also was machen wir, wenn wir auf dem Platz vor dem Gare de l'Est angekommen sind? Du in deinem Rollstuhl und ich mit meinen alten Beinen?

Kirche Saint-Julien-le-Pauvre
Kirche Saint-Julien-le-Pauvre

F: Wir gehen den Boulevard de Strasbourg hinunter. Da hast du's nicht schwer mit mir. Das geht zur Seine hinab.

V: Aha, diesmal sind's nicht die großen Geschäftsstraßen. Du willst nach Notre-Dame.

F: Nein, die Kirche ist zum Marktplatz geworden. Nicht einmal vor der Marienstatue vorne rechts ist man vor den Japanern sicher. Sie klettern über einen oder kriechen unter einem hindurch, um den besten Platz zum Fotografieren zu finden.

V: Nicht die großen Boulevards, nicht Notre Dame, was steckt dir in der Nase?

F: Lass uns aufs linke Seineufer hinübergehen. Bei Saint-Julien-le-Pauvre setzen wir uns auf eine Bank und betrachten Notre-Dame von dort aus.

V: Da sehen wir nur die obere Hälfte der Kirche, die Türme, den spitzen Dachreiter über der Vierung, er ist viel höher als die Türme, die Rose im südlichen Querschiff.

F: Die stumpfen Türme zeigen die Richtung nicht an, um die es geht. Es ist der Dachreiter. La flèche, der Pfeil, sagen die Franzosen. Sursum corda.

V: Sind wir in Paris auf den Spuren der Theologie?

F: Kein schlechter Gedanke. Wir sind im Quartier Latin.

 Lettner in der Kirche Saint-Étienne-du-Mont, Paris
Lettner in der Kirche Saint-Étienne-du-Mont, Paris

V: Welches ist dein nächstes Ziel?

F: Lass uns einen Besuch in Saint Severin machen. Als ich das letzte Mal dort war, wurde gerade ein Kind getauft. Die Eltern und ihre Gäste sangen Taizé-Lieder zur Gitarre.

V: Vielleicht feiert der Täufling von damals jetzt Hochzeit.

F: So lange ist das noch nicht her, aber vielleicht seine erste hl. Kommunion.

V: Und jetzt, nach Saint Severin, die Sorbonne, das Collège de France?

F: Nein, weiter hinauf auf die Montagne Sainte Geneviève, wenn Du es schaffst.

V: Du willst doch nicht etwa ins Panthéon?

F: Nein, die Halbgötter, die dort ruhen, haben mir im Leben nicht viel weiter geholfen. Ich möchte lieber zwei anderen einen Besuch machen, da drüben in der Kirche St. Etienne-du-Mont.

V: Ein schöner heller Raum. Wie elegant sich der Lettner von einer Seite zur anderen schwingt.

Epitaph und Grabplatten von Blaise Pascal und Jean Racine in der Kirche Saint-Étienne-du-Mont, Paris (Fotomontage)
Epitaph und Grabplatten von Blaise Pascal und Jean Racine in der Kirche Saint-Étienne-du-Mont, Paris (Fotomontage)

F: Wir gehen hinter den Lettner zur Apsis, dort in der Wand sind die Grabplatten von Jean Racine und Blaise Pascal eingelassen.  

V: Aha, wir sind am Ziel unserer fiktiven Reise. Jetzt wirst du mir gleich wieder eins deiner Lieblingswortspiele aufsagen.

F: Welches?

V: Le Coeur a ses raisons que la raison ne connaît pas.
(Das Herz hat seine Gründe, die der Verstand nicht kennt.)

F: Wenn du es ja selbst sagst, muss ich es nicht mehr.

V: Soweit also Pascal. Und der andere, der Theatermensch, was sagt er?

F: Racine? Er lässt eine seiner Heldinnen, Phèdre, deklamieren:
    „Soleil, je viens te voir pour la dernière fois."
   („Sonne, ich komme, um dich zum letzten Mal zu sehen.")

V: Ersetzen wir „Soleil" durch „Paris":
    "Paris, je viens te voir pour la dernière fois."

V: Ist das das Schlusswort zu unserer Reise? Wolltest du dazu nach Paris?

F: Hat es sich nicht gelohnt?

V: Du hast gesucht, was du längst gefunden hattest.

F: Ist das nicht immer so?

V: Lass uns in Zukunft in unserem schönen Gärtchen an der Saar von der Seine träumen und den TGV und den ICE ohne uns durch die Champagne rasen.

 

Kathedrale Notre-Dame de Paris (Südostansicht)
Kathedrale Notre-Dame de Paris (Südostansicht)

 

 

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Bildquellen:
- Vorschaubild: Paris: Eiffelturm und Marsfeld. Urheber: Wladyslaw (Taxiarchos228). CC-BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons.
- Haupteingang des Gare de l'Est, Paris. Urheber: Tangopaso, (2009). (gemeinfrei)
- Kirche St-Julien-le-Pauvre, Paris Urheber: br (gemeinfrei)
- Lettner in der Kirche Saint-Étienne-du-Mont, Paris, (ca. 1530). Urheber: Mbzt. CC-BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons
- Epitaph von Blaise Pascal und Grabplatten von Blaise Pascal und Jean Racine in der Kirche Saint-Étienne-du-Mont, Paris. Fotomontage von Rita Dadder. Die Originalbilder stammen aus Wikimedia Commons, Epitaph und Grabplatte von Blaise Pascal sind gemeinfrei, das Bild der Grabplatte von Jean Racine stammt von Coyau (2008), Lizenz CC-BY-SA 3.0.
- Kathedrale Notre-Dame de Paris, gesehen vom Pont de la Tournelle (Südostansicht). Urheber: Clem from Paris, France (2014). CC-BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

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