Johannes Kirschwengs Roman „Feldwache der Liebe" erschien 1936. Schauplatz der Ereignisse ist das Land zwischen Saarlouis und Verdun. Metz liegt in der Mitte zwischen beiden Städten. Die Haupthandlung spielt sich im Jahr vor Erscheinen des Buches ab. Nach der Abstimmung gehört das Saargebiet wieder zum Deutschen Reich, die Grenze nach Lothringen wird überwacht, die französische Befestigungsanlage, die Maginot-Linie, ist schon gebaut, der Westwall auf deutscher Seite geplant.
Die beiden Hauptpersonen sind der junge Arzt Martin Gutland, der in Saarlouis im Krankenhaus arbeitet, und die junge lothringische Landadlige Oranne d'Herbigny. Als diese auf der Heimreise aus Deutschland an der Grenze kontrolliert wird, lässt der Autor sie sagen: „Quelles affaires au pays de Sainte Oranne." Mit diesem mehrdeutigen Satz ist das Thema des Romans angedeutet.
Nebenfiguren sind der aus Metz stammende Schuster Sabry, der immer noch nicht richtig Deutsch kann, obwohl er seit Jahrzehnten in Saarlouis lebt; der alte Pfarrer, der wie Kirschweng den Wein liebt und bei der Beerdigung des Schusters das Vaterunser auf Französisch betet; und der Schirmmacher, der in jungen Jahren in Irland war und seine Sympathie für die Bewohner der Grünen Insel zeigt, indem er am St. Patricks-Tag die irische Fahne heraushängt und darauf besteht, dass sein Enkel Patrick getauft wird.
Der Pfarrer und der Schirmmacher, beide Opfer einer Grippeepidemie, liegen gleichzeitig im Krankenhaus und werden von Martin Gutland behandelt, der auch den Postboten zwischen beiden abgibt, die in verschiedenen Zimmern untergebracht sind. Vor seinem Tod erzählt der Pfarrer dem Arzt, welche Rolle er der heiligen Oranna als Friedensbringerin zwischen den Völkern diesseits und jenseits der Grenze zugewiesen sehen möchte. Nur sollte dazu statt der kleinen Kapelle dort oben auf der Gauhöhe eine große Kirche stehen, und nicht in der Nähe der Grenze, sondern mitten darauf.
„Wir müßten noch ein Stück näher an die Grenze rücken damit, auf die Grenze müßten wir kommen. Der Altar der Heiligen müßte sich über ihr erheben, und auf beiden Seiten der Grenze müßten die Eingänge sein und die Türme und Glocken, und dann kämen bald auch die Menschen nicht nur von der Saar und von den lothringischen Höhen, sondern aus ganz Frankreich und aus ganz Deutschland. Die Kirche St. Oranna würde eine Schwester der französischen Kathedralen und der deutschen Dome sein."
Bei seinem nächsten Besuch am Bett des Schirmmachers, den der Pfarrer mit Hilfe einer Flasche Wehlener Sonnenuhr aus einem guten Jahr an seine Christenpflicht erinnert, „die Weitläufigkeiten des Gottesreiches zu regeln", wie der so Ermahnte das nennt, erzählt der Doktor ihm von der Vision des Pfarrers. Der Schirmmacher ist anderer Ansicht:
„Wenn man etwas auf der Grenze bauen will, dann soll man ein Theater dahin bauen (...) kann ein Theater denn nicht grad so gut zwei Eingänge haben, einen deutschen und einen französischen, wie eine Kirche? Und wenn sie dann dort spielen, wird das nicht auch eine gemeinsame Feier sein können für die von Osten und die von Westen? (...) Und können Sie sich nicht vorstellen: da ist einmal eine ganz große Vorstellung mit ganz berühmten Schauspielern, (...) auf einmal in der Pause, da begegnen sich deutsche und französische Minister und reden erst über das Stück und über die Spieler und das Theater, dann aber über das große Welttheater. Meinen Sie nicht, dass sie da manchmal eher fertig werden, als wenn sie an ihren grünen Tischen sitzen."
Kirche oder Theater auf der Grenze, die Diskussion zwischen Pfarrer und Schirmmacher geht noch eine Weile weiter, und der Doktor fügt sich in seine Rolle als Überbringer ihrer Botschaften, bis der Pfarrer stirbt.
„Als der Schirmmacher davon hörte, wischte er sich nach einer Weile kopfschüttelnd die Tränen und sagte: ‚Ich Esel, dass mir doch das nicht einfallen konnte. Warum soll man nicht außer einem Theater auch noch eine Kirche bauen können. Es kann ja nichts schaden. Das hätt' ich ihm noch sagen mögen.'"
Es ist bis heute weder eine Kirche noch ein Theater auf der Grenze gebaut worden, und es ist auch wohl nicht mehr nötig. Immerhin, eine Kapelle haben die aus Oberperl und die aus Merschweiller gemeinsam auf der Grenze gebaut. Den alten Pfarrer in „Feldwache der Liebe", vielmehr den Verfasser des Romans, Johannes Kirschweng, hätte es gefreut.
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Textquelle: J. K., Feldwache der Liebe, Gesammelte Werke. Fünfter Band, S. 338 - 341. Verlag Die Mitte 1975.
Bildquellen:
- Vorschaubild: Grenzstein, Museum historischer Grenzsteine im Freilichtmuseum Roscheider Hof, Konz, Deutschland, Urheber: Dorothea Witter-Rieder, 2007 via Wikimedia Commons_
- Orannakapelle in Berus: Florian Russi
- Friedenskapelle Oberperl-Merschweiller: Ferdinand Luxenburger