Für die einen bedeutet die Corona-Pandemie den Verzicht auf ausgiebiges Feiern im Club oder am Ballermann, während andere in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht sind, und wieder andere um Ihr Leben kämpfen und es nicht selten verlieren.
Epidemien und Seuchen begleiten den Menschen schon seit vielen tausend Jahren. Forscher haben festgestellt, dass die ersten sesshaften Bauern eine schlechtere Gesundheit hatten als noch die Jäger und Sammler vor ihnen. Offensichtlich hatten hier das enge Zusammenleben der Menschen mit den Haustieren und die hygienischen Verhältnisse in den Behausungen eine wichtige Rolle gespielt, denn wir wissen, dass die meisten Krankheiten wie Masern, Cholera, Pocken oder Tuberkulose und die Pest von Tieren auf den Menschen übertragen worden sind. Der Start in die heutige Zivilisation mit ihrer Arbeitsteilung ist also durchaus holprig verlaufen. Denn Infektionskrankheiten und Seuchen sind über Tausende Jahre Geißel der Menschen gewesen und haben schon die Kulturvölker der Antike in mehr oder weniger unregelmäßigen Abständen heimgesucht.
Die ersten
schriftlichen Zeugnisse über eine Pandemie, die unsere Region erreicht hat,
gibt es von der „Justinianischen Pest“, die im Jahre 542 in Konstantinopel und
in der Folge in weiten Teilen Europas aufgetreten ist.
Bischof Gregor von Tours (538 - 594) berichtete, dass er als kleines Kind den Ausbruch der Pest in Gallien und ihr Wüten im Tal der Rhône erlebt hätte. Gregor zeigt sich überzeugt, dass die Krankheit das Werk von Dämonen gewesen war. Diese hätten aber, als sie das Trierer Land heimgesucht hätten, der Stadt Trier nichts anhaben können, weil ihr Bischof Nicetius mit unablässigen Gebeten gegen die Krankheit angekämpft habe. Tatsächlich dürfte die Einwohnerzahl der Stadt infolge des mittelalterlichen Niedergangs und mehrfacher Plünderungen zu dieser Zeit nur noch ein Zehntel der ehemals 50.000 Bewohner betragen haben und deshalb nicht unbedingt zu einem Hotspot der Pandemie geworden sein. Unsere Region war wohl auch deshalb insgesamt weniger stark betroffen gewesen, weil es noch keine städtischen Siedlungen gab, sondern lediglich einzelne Höfe und kleinere Ansiedlungen, die über das Land verstreut waren. Für eine Stadt wie Metz stellte die Pest zu dieser Zeit schon sehr wohl eine Gefahr dar.
Größere Städte wie eben Metz hatten im Mittelalter bis in die Neuzeit vor allem Probleme mit verschmutztem Trinkwasser. Denn oft wurde das Wasser aus Brunnen, nur wenige Meter von den Aborten und Kloaken entfernt, geschöpft. Der Legende nach soll Bischof Arnulf von Metz (582 – 641), der Namensgeber des Saarbrücker Stadtteils St. Arnuals, erkannt haben, dass abgekochtes Wasser, wie es beim Bierbrauen verwendet wird, der menschlichen Gesundheit zuträglicher ist als das Wasser aus den verschmutzten Brunnen. Deshalb soll er ein Kruzifix in einen Bierkessel geworfen und diesen dann auch gleich gesegnet haben. In der Folge hätten alle Menschen nur noch Bier aus diesem Kessel getrunken, worauf eine vorhandene Krankheitswelle eingedämmt worden sein soll.
Schon die Evangelisten Markus, Matthäus und Lukas berichten von der Heilung eines Kranken durch Jesus von der ältesten Seuche der Menschheitsgeschichte, der Lepra. Übertragen wird diese Krankheit durch ein Bakterium über den Nasen-Rachen-Raum sowie durch direkte Übertragung bei offenen Wunden. Schon die Bezeichnung Aussätzige für die an Lepra Erkrankten zeigt, welche schlimmen Konsequenzen diese Krankheit für die Betroffenen hatte. Sie wurden sozial und rechtlich ausgegrenzt und mussten außerhalb der jeweiligen Gemeinschaft leben. Leprakranke waren in sogenannten Siechenhäusern oder Leprosorien außerhalb der Städte untergebracht, in denen sie versorgt wurden. Für die Versorgung der Leprakranken mit Nahrung und Kleidung waren zu dieser Zeit die Bischöfe verantwortlich. Leprosorien sind in unserer Region erstmals durch das Testament des Adalgisel Grimo von 634 belegt, der die Abtei Tholey gegründet hatte. Es ist übrigens die älteste bekannte frühmittelalterliche Urkunde zwischen Maas und Rhein. Die Mehrzahl der Leprakranken oder Leprosen dürfte allerdings in sogenannten „Feldsiechen“ außerhalb von Dörfern und Siedlungen gelebt haben oder als Wanderbettler umhergezogen sein.
In der Diözese Trier gab es spezielle Bestimmungen für die Leprosen. So durften sie nur in Gemeinschaft mit Aussätzigen essen und trinken. Kirchen, Wirtshäuser, Märkte, Volksversammlungen, Mühlen und Backöfen durften von ihnen nicht aufgesucht werden. Zudem mussten Sie eine spezielle Tracht tragen, damit sie sofort erkannt werden konnten und durften Geländer nur mit Handschuhen berühren. Man nimmt an, dass es in Deutschland im Mittelalter mehr als 1000 Leprosenhäuser gab, in denen die Leprakranken ihr Dasein fristeten. Die Gesellschaft für Leprakranke mit Sitz in Münster geht davon aus, dass es im Bereich des heutigen Saarlandes Häuser für Leprakranke in Saarbrücken-St. Johann, Neunkirchen, Homburg, Blieskastel, Ottweiler sowie in Fremersdorf und Hilbringen gab.
Als Geißel der Menschheit schlechthin wird der „Schwarze Tod“ gesehen, gemeint ist die Pest von 1347, die ganz Europa auf grausame Weise heimsuchte. Von Zentralasien kommend erreichte die Seuche auf dem Seeweg den Mittelmeerraum. Sie breitete sich von Venedig, Pisa, Genua und schließlich Marseille über den gesamten europäischen Kontinent aus. Dem einsetzenden europäischen Massensterben dürfte wohl ein Viertel der Bevölkerung zum Opfer gefallen sein, wobei es starke regionale Unterschiede gab. Medizinisch und hygienisch hatte man der Pandemie nichts entgegenzusetzten, denn niemand wusste, dass der Rattenfloh der Überträger des Erregers war. Bei der Suche nach einem Schuldigen wurden neben schlechten Winden und Teufelswerk auch schnell die Juden als Sündenböcke ausgemacht, die die Brunnen vergiftet und so die Ausbreitung der Pest befördert haben sollen. Patrizier und ganz besonders die zünftigen Handwerker waren die treibenden Kräfte bei diesen Judenverfolgungen in den Städten. In diesem Zusammenhang spielt wohl auch die materielle Bereicherung auf Kosten der Opfer eine große Rolle.
In den lothringischen Landen wütete der Schwarze Tod um das Jahr 1349 besonders heftig. Dies gilt auch für die Gegend um die Saar, die zu diesem Zeitpunkt zum Teil zu Lothringen gehörte. Ein Indiz dafür ist ein Pestkreuz aus dieser Zeit, das über dem Altar der Kirche St. Peter in Merzig hängt und auf das 14. Jahrhundert datiert wird. In den folgenden Jahrhunderten kam es immer wieder in Europa zu kleineren oder größeren Pestepidemien. Forscher haben von 1326 bis 1400 insgesamt 32, von 1400 bis 1500 41, von 1500 bis 1600 30 Pestjahre gezählt! Von Wallerfangen, das damals Walderfingen hieß und ein Hauptort eines lothringischen Verwaltungsbezirkes war, wissen wir, dass es im 16. und 17. Jahrhundert wiederholt vom Seuchentod heimgesucht wurde. Die Epidemien waren oft so verheerend, dass die Toten auf den normalen Friedhöfen in vielen Fällen keinen Platz mehr fanden. Deshalb wurden sie häufig auf eigens angelegten Pestfriedhöfen bestattet oder wegen der Ansteckungsgefahr in großen, außerhalb der Ortschaften ausgehobenen „Pestgruben“ verscharrt.
Während des 30jährigen Krieges (1618 – 1648) starben in der damaligen
Festung Walderfingen viele Menschen an der schwarzen Pest, den Blattern,
der Cholera oder dem Typhus. Die Toten wurden außerhalb der Stadtmauern
auf einem eigenen Friedhof begraben. An dieser Stelle steht immer noch
das Pestkreuz, auf dem die Jahreszahlen 1635 und 1638 (nachträglich)
eingemeißelt wurden.
Ähnlich verhält es sich bei dem Pestkreuz bei Sehndorf in der Gemeinde Perl. Die Lage nordöstlich des Ortes ist ein starkes Indiz dafür, dass hier ein Pestfriedhof war. Denn Wind und Wetter kommen hier aus südwestlicher Richtung und wehen deshalb nicht vom Pestfriedhof in Richtung Ort, sondern von ihm weg. In Besch stehen übrigens noch weitere Pestkreuze, sodass man annehmen kann, dass die Region heftig von verschiedenen Seuchen heimgesucht wurde. Denn der Begriff „Pest“ wurde dabei oft für alle möglichen Krankheiten und Epidemien verwendet. Im 18. Jahrhundert endet endgültig die Ära der Pestepidemien in Europa.
Weniger bekannt dürfte sein, dass es in der Saargegend durch sumpfige Flussauen und Talwiesen in verschiedenen Jahren infolge eines erhöhten Stechmückenaufkommens zu Wechselfieber- oder Sumpffieberplagen kam. Die Menschen kannten diesen Zusammenhang natürlich nicht und dachten, die Krankheit würde durch die schlechte Luft über den Sümpfen verursacht, ist doch der italienische Begriff für die Krankheit Malaria, was übersetzt schlechte Luft heißt.
Die Malaria
war zur damaligen Zeit durchaus auch in Deutschland häufiger aufgetreten. Besonders
betroffen war in unserer Gegend das Haustadter Tal, das mit den Gemeinden
Beckingen, Honzrath, Haustadt, Hargarten, Erbringen, und Reimsbach in den
Jahren 1836 bis 1840 mehrere hundert Opfer zu beklagen hatte. Durch
Trockenlegung der Sumpfwiesen konnte man jedoch der Krankheit Herr werden.
In Merzig ist 1854 eine Choleraepidemie ausgebrochen, die auf die schlechten hygienischen Verhältnisse in der Stadt zurückzuführen ist. In der Folge wurden Schwestern aus dem Orden der Borromäerinnen tätig, deren Aufgabenbereich sich dann auch auf die allgemeine Alten- und Krankenpflege und die Erziehung von Waisenkindern ausdehnte. Auch in Mettlach unterhielten sie auf Betreiben des Unternehmers Eugen Boch (1809-1898) u.a. ein Heim für Waisenkinder und ein Spital für Krankenpflege. Sie nahmen sich im Jahr 1865/66 der Erkrankten einer in der Region ausgebrochen Cholera an, die besonders Orscholz heimsuchte. Das Ausmaß der Krankheit war in dem Ort so groß, dass eigens zwei Ordensschwestern dorthin entsandt wurden, um die Kranken zu pflegen.
Die Menschen hatten bis in unsere Zeit immer wieder mit Epidemien und Pandemien zu kämpfen. Viele dieser Seuchen sind aber schlicht aus dem Gedächtnis verschwunden. Wer weiß schon, dass es im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 in Deutschland 180.000 Pockentote gab, viermal so viele Opfer, wie die militärische Auseinandersetzung mit Frankreich gefordert hat. Es sei aber auch an die Spanische Grippe von 1918 erinnert, die mehr Menschenleben auslöschte als der 1. Weltkrieg, oder an die asiatische Grippe in den fünfziger Jahren mit 30.000 Toten alleine in Deutschland. Als weitere Seuchen unserer Zeit seien das immer noch nicht heilbare HIV-Virus, SARS II, Ebola und natürlich Covid-19 genannt.
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Fotos: Ferdinand Luxenburger