Herta Friedemann geb. Kahn (1906 – 1994)
Hans Herkes
Stationen auf dem Lebensweg einer Merziger Jüdin
1906 wird Herta als Tochter einer seit Generationen in Merzig ansässigen jüdischen Familie geboren.
1927 heiratet sie Siegmund Friedemann, der seit einem Jahr als Kantor, Religionslehrer und Schächter in der jüdischen Gemeinde in Merzig tätig ist.
1929 wird der Sohn Charles geboren.
1930 zieht die Familie nach Saarbrücken um, wo Siegmund Kantor und Religionslehrer wird.
1931 kommt der Sohn Herbert zur Welt.
1935 emigriert die Familie nach Frankreich, nach Neufchâteau.
Siegmund Friedemann versucht, eine Anstellung in einer jüdischen Gemeinde zu finden, wird vorerst abgelehnt, weil er deutscher Staatsbürger ist.
1936 bekommt er eine Stelle in der jüdischen Gemeinde in Saverne.
1937 wird der Sohn Joe geboren.
1938 befürchtet man den Kriegsausbruch. Herta reist mit den drei Kindern zu ihren Eltern nach Alençon in der Normandie. Nach Abschluss der Münchener Konferenz kehrt sie zurück.
1939 im September, nach Beginn des Zweiten Weltkrieges werden die Bewohner des Grenzgebietes evakuiert. Frauen, Kinder und alte Leute aus den weiter zurück liegenden Orten werden aufgefordert, sich nach Innerfrankreich zu begeben. Herta fährt mit den Kindern nach Alençon, ihr Mann bleibt in Saverne zurück.
Siegmund wird verhaftet und interniert, weil er Deutscher ist. Er wird aus der Internierung entlassen, wenn er sich zur Fremdenlegion meldet. Zur Ausbildung wird er nach Algerien gebracht.
In Alençon werden junge Frauen und Mädchen, die aus Deutschland emigriert sind, verhaftet, auch Herta. Sie kommt frei, weil ihr Mann in der Legion ist, andere werden interniert.
1940 Ende Mai nähert sich die deutsche Armee Alençon. Mehrere Familien flüchten mit einem Lastwagen nach Süden. Das Benzin geht aus. Sie werden von der deutschen Armee überrollt und kehren nach Alençon zurück.
Nach dem Waffenstillstand im Juni 1940 wird Frankreich in die freie und die von der deutschen Armee besetzte Zone geteilt. Eine Demarkationslinie trennt beide Teile.
Siegmund wird aus der Legion entlassen und kehrt 1941 nach Frankreich zurück, in die Nähe von Lyon, also den freien Teil.
Herta lebt mit den Kindern in der besetzten Zone.
April 1941. Bei ihrem ersten Versuch, die Demarkationslinie in der Nähe von Périgueux zu überschreiten, wird Herta verhaftet und für zwei Wochen in Libourne inhaftiert. Die Kinder werden zuerst einer Bäuerin, dann katholischen Nonnen anvertraut.
Bei der Entlassung wird ihr für den Fall eines zweiten Versuches KZ-Haft angedroht.
Der zweite Versuch im November 1941 gelingt.
Die Familie findet sich bei Lyon zusammen und bleibt dort bis Februar 1943.
Als die Alliierten in Nordafrika landen, besetzt die deutsche Armee die freie Zone. Damit wird die Gefahr für die Juden größer.
Die Familie Friedemann sucht höher im Gebirge bei Mégève in Savoien Schutz, das ist italienisches Besatzungsgebiet.
Die Italiener verlassen Frankreich, als Italien Waffenstillstand schließt. Die Deutschen rücken in die italienische Zone ein. Familie Friedemann flüchtet weiter ins Gebirge.
Nach der Landung der Alliierten in der Normandie räumen die Deutschen Südfrankreich. Die Bedrohung ist zu Ende.
Weitere Stationen der Familie Friedemann: Dezember 1944 Vichy, März 1946 Saarburg in Lothringen, 1948 Belfort, 1956 Saargemünd.
1967 tritt Siegmund Friedemann in den Ruhestand, die Familie nimmt Wohnung in Schiltigheim bei Straßburg, um in der Nähe des ältesten Sohnes Charles zu sein, der eine Stelle als Rabbiner angetreten hat.
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Quelle: Herta Friedemann, née Kahn. (24 Mai 1906 - 9 Juin 1994)
Bild Menora: Urheber Marcin (CC-BY-SA-2.5) via Wikimedia Commons
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