In der Tat ist das legendäre Gasthaus Schwalb inzwischen Geschichte geworden. Am 2.Juli 1999 stand im „Pfälzischen Merkur“ zu lesen: „Es ist nicht nur ein bloßes Gerücht, das in der Stadt kursiert: Das Gasthaus Schwalb schließt- aber nur vorübergehend wie Michael Prügel betont. Am 10.Juli schließen sich die Pforten. Mit Beginn der regulären Betriebsferien endet die Leitung unter Michael Prügel.“ Leider dauerte diese „vorübergehende Schließung“ gute 20 Jahre.
Werfen wir daher einen Blick zurück in die Historie dieses außergewöhnlichen Gasthauses, wo „man" sich traf: Ministerpräsidenten von der Saar und aus der Pfalz, wo Politiker, wie Justizminister Julius von Lautz, quasi ein Einheimischer, ein- und ausgingen, Maler, Literaten und natürlich die Bürgerinnen und Bürger der Stadt und des Umlandes, ganz egal, ob sie nun zu den „Honoratioren“ zählten oder ganz einfache Menschen waren, so wie der „Straßenkehrer Wachse Nickel“, der von einem der Gemälde auf die Gäste herabblickt.
Das Gasthaus befand sich seit 1845, also über fünf Generationen in Familienbesitz. Julius August Schwalb (1821-1907), Küfer und Gastwirt, kaufte 1845 das Anwesen, ihm folgte Julius Schwalb (1878-1965), dem wohl der bekannteste “Schwalb“ folgte, Theodor Schwalb (1919-1978). „De Schwalb Theo“ war Koch, Wirt und Heimatdichter. Auf ihn und seine Ära werde ich gleich noch näher eingehen. Nach ihm folgten Heinrich („Heiner“) Schwalb mit Ehefrau Christel (geb. Heisel, übrigens die Tante von AKK), der die Küche noch einmal toppte und schließlich dessen Neffe Michael Prügel als Chef des Hauses bis zu dessen Schließung.
Nahezu zwei Jahrzehnte befand sich das Gasthaus dann im Dornröschenschlaf, unverändert innen und außen aber halt geschlossen. Jetzt, im Juli 2019, herrscht eine rege Umbautätigkeit in und an dem historischen Gebäude, das in seiner zukünftigen Nutzung als Wohngebäude dienen wird.
Kommen wir aber nochmal auf Theo Schwalb und seine Zeit zurück. Wir, meine Freunde und ich, alles “Kaschdeler Buwe“, verbrachten manche fröhliche Runde als Studenten in der holzgetäfelten, urgemütlichen Gaststube. Auf den Simsen stand imposantes Zinngeschirr, eine große, alte Pendeluhr tickte an der einen Wand, dunkelbrauner Holzfußboden - alles verströmte ganz einfach „Behaglichkeit.“ Dazu trug natürlich ganz mitentscheidend auch der große, grün gekachelte Kachelofen bei. Die Ofenbank diente gleichzeitig zum Sitzen am sogenannten “Schnapstisch“, hinten die Wärme des Kachelofens, vorne die innere Wärme. Im Winter sorgte dafür auch ein „Bierwärmer“, den die (meist) älteren Herren in ihr Bierglas einhängen konnten.
So war der Platz ganz nah am Tresen zu jeder Jahreszeit immer gut besetzt, gerne saßen dort zum Beispiel die Gebrüdern Fritz und Richard, wobei ersterer gerne das Gedicht von der „krummen Lanke“ rezitierte:
„Und dann saß ick mit der Emma uff de Banke,
über uns da sang so schmelzend ein Pirol,
unter uns da floss so still die krumme Lanke,
nebenan aß einer Wurscht mit Sauerkohl.“
Beim „Schwalb“ tranken wir (ab 18 natürlich erst) unsere ersten Gläser Karlsberg Bier (Export,45 Pfennige) und zwar nach der Abendmesse in der Schlosskirche (wo wir Messdiener waren), wobei die „alte“ Frau Schwalb uns („die Buwe komme noch!“) extra an der Eingangstür abpasste, da normalerweise sonntags bereits geschlossen war. Hier haben wir unsere ersten „Froschschenkelscher“ gegessen und „Miesmuschen rheinische Art“, hier trank ich meinen ersten „Edelzwicker“, der es allerdings nicht auf meiner Beliebtheitsskala weit nach oben brachte.
Weit über die Grenzen des Saarlandes bekannt, war „der Schwalb“ darüber hinaus für seine hervorragenden Wildgerichte. Bekanntlich gab und gibt es im Saarland ja jede Menge guter Gaststätten mit ausgezeichnetem Essen, aber beim „Schwalb“ gab es etwas Einmaliges, die “Theodor-Schwalb-Stube“, eine sogenannte „Heimatstube.“ Es war eine der Heimatstuben in einer Reihe von Heimatstuben, die saarlandweit vom Kulturredakteur des SR, Fred Oberhauser, ins Leben gerufen wurde. Oberhauser, selbst ein Kaschteler Gewächs, denn sein Vater war Bürgermeister der Stadt, gehörte natürlich auch in die Runde derer, sie sich hier im illustren Kreis trafen.
Hier war der künstlerische Olymp der Stadt, eingehüllt in blaue Wolken und inspiriert vom Trank der Götter (Vinum bonum deorum donum) – also nicht Ambrosia. Der Trank, dem man meist ordentlich zusprach, kam vielmehr aus dem hervorragenden Weinkeller des Hauses.
An dem großen runden Tisch, dort in dem kleinen Zimmer neben der Gaststube trafen sich Künstler aller Couleur bei dem Heimatdichter Theo Schwalb, sei es die „Kaschdlerin“ Lotty Faber, sei es der Schriftsteller Ludwig Harig oder der Freund Theos, der Maler Hans Dahlem, der zahlreiche der kleine Bücher Theo Schwalbs liebevoll illustrierte.
Theo Schwalb schrieb seine Gedichte meist im Zusammenhang mit den Gerichten, die er zubereitete, sei es nun eine Erbsensuppe (Guddes aus de Kaschdler Küch) oder ein Schlachtfest (fein gekochtes gut gereimt):
„Schlachtfest-Essen
Früher gings beim Schlachtfest rund,
das war keineswegs gesund
doch hat Jeder gleich entdeckt
daß es wunderbar geschmeckt;
abends wird das Schwein geschlachtet
und wenn kühl es übernachtet
geht es, früh schon, munter dran
und als erstes kommen dann
alle Knochen in den Topf:
die zwei Hälften von dem Kopf,
die vom Vor- und Hinterschinken
(zwischendurch ein Schnäpschen trinken)
dann die Lunge und das Herz,
ein Stück Bauchfleisch und der Sterz,
für die Blutwurst zwei Stück Speck –
allzuviel hat keinen Zweck –
und dann läßt man feste kochen,
schabt das Fleisch dann von den Knochen,
Bauchfleisch, Backen, Schulterblättchen
kommt mit Salz dann auf ein Brettchen
und als erstes Frühstück gleich:
Brötchen, frisch – und Kesselfleisch!“
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Bildquellen: Alle Fotografien wurden von Herrn
Fredi Brabänder zur Verfügung gestellt, dafür ganz herzlichen Dank.