Am 27. Dezember ist der Festtag des Apostels und Evangelisten Johannes. Alljährlich wird an diesem „dritten Weihnachtsfeiertag“ in der Pfarrkirche der Weinbaugemeinde Perl traditionell der Wein gesegnet. Dann bringen die saarländischen Winzer einige Flaschen ihrer Weine mit und stellen Sie auf die Stufen des Altars, so wie es üblicherweise am Erntedankfest Brauch ist, um ihn stellvertretend für ihren gesamten Wein des neuen Jahrgangs segnen zu lassen. Neben den Weinbauern und ihren Familien finden sich dann auch gerne Repräsentanten der saarländischen Politik ein.
Die Weinsegnung geht auf ein Wunder zurück, von dem unter anderem die Legenda aurea, eine mittelalterliche Sammlung von Heiligenlegenden, berichtet. Demnach sollte der Apostel und Evangelist Johannes auf Geheiß eines heidnischen Priesters in Ephesus der griechischen Göttin Artemis opfern. Als er sich weigerte, musste er vergifteten Wein trinken. Johannes weigerte sich der Göttin zu opfern, nahm den Becher mit dem vergifteten Wein und segnete ihn. Daraufhin ist das Gift in Form einer Schlange aus dem Trinkbecher entwichen. Nun trank der Apostel den Wein, ohne sich zu vergiften. Daraus lässt sich erklären, dass der Evangelist Johannes bei seinen Darstellungen neben dem Adler auch mit Kelch und Schlange zu sehen ist.
Natürlich war es naheliegend, dieses Weinwunder mit einer Weintradition zu verbinden, die bis ins 20. Jahrhundert hinein überall in Deutschland praktiziert wurde und noch heute in sehr katholischen Regionen anzutreffen ist. Am 27. Dezember nahm man einige Flasche Wein mit in die Kirche, um sie segnen zu lassen. Anschließend hat man dann diesen Johanniswein gemeinsam getrunken. Er galt als Medizin und sollte dafür sorgen, dass bei Erkrankungen Gottes Segen für eine schnellere Gesundung sorgen möge.
Das Johannesevangelium ist das Evangelium der Liebe. Johannes hat wie kein zweiter über die Liebe unter den Menschen geschrieben. Dieses stetige Erinnern an die Liebe hat dazu geführt, dass der Johanniswein oft mit dem Spruch „Trinke die Liebe des heiligen Johannes“ gereicht wurde. Dieser Spruch ist schon sehr alt und geht auf eine lateinische Formel, die aus dem 14. Jahrhundert überliefert wird zurück: "Bibe amorem St. Johannis". Rituale und Sprüche beim Trinken gab es seit eh und je. So ist sicher bei mancher Gelegenheit, bei der man immer schon getrunken hat irgendwann der Trinkspruch des heiligen Johannes ausgebracht worden wie etwa zum Abschied von Gästen, für Reisende und Pilger oder zu Neujahr und bei Hochzeiten und zu manch anderen Gelegenheiten.
Nicht nur die trinkfreudigen Katholiken haben das gesegnete Getränk allzu gern als Vorwand genutzt, dem Wein gehörig zuzusprechen, auch Martin Luther hat, wie man weiß, seinen Gästen zum Abschied gerne Johanniswein gereicht. Offensichtlich hat sich bereits im 12. Jahrhundert der höfische Brauch etabliert, beim Abschied, insbesondere vor einer Kriegs- oder Kreuzfahrt den gesegneten Trank zu reichen, denn „wer in tranc, der waz behut vor schaden und vor leide“, wie es in der Dietrichsage zu lesen ist.
In Perl wird der Gedenktag des Lieblingsjüngers Jesu mit einem feierlichen Hochamt begangen, das regelmäßig gesanglich von einem der Chöre der Gemeinde feierlich umrahmt wird. Die Segnung des Weines findet während des Gottesdienstes statt. Im Anschluss daran lädt der Winzerpräsident die etwa zehn Winzer der Gemeinde samt Ehrengästen aus der Politik zur Verkostung des neuen Weines und zu einem gemeinsamen Essen ein.
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Fotos: Ferdinand Luxenburger