In unserer globalisierten und digitalisierten Welt haben es Traditionen schwer. Allerorts wird der Verlust des Althergebrachten beklagt, weil die jungen Leute sich mit anderen Dingen beschäftigen und Überliefertes langweilig und bieder finden. Mit Asterix und Obelix möchte man sagen: Nur nicht in dem gallischen Dorf namens Orscholz. Dort hört man Parolen wie „Traditionen pflegen – Generationen bewegen“. Dies ist das Motto unter das die Organisatoren eines ihrer Erntedankfeste samt Festumzug gestellt haben.
Zu dem jährlichen Ereignis im September wird natürlich eine Erntekönigin samt zwei Prinzessinnen auserkoren, die sich beim Umzug in einem prunkvoll geschmückten Wagen dem Publikum präsentieren. Rund zehntausend Besucher kommen dann in den seit 1997 staatlich anerkannten Luftkurort, der sich seit dem März 2004 heilklimatischer Kurort nennen darf.
Das Erntedankfest gibt es in Orscholz bereits seit 1954. Der damalige Bürgermeister hatte die Initiative ergriffen und alle ortsansässigen Vereine inklusive Kindergarten haben mitgemacht.
Der Zusammenhalt der örtlichen Bevölkerung hat ein gemeinschaftliches Engagement hervorgebracht, das bis dato anhält. Damit das gelingt, ist natürlich ein kontinuierliches Heranführen der nachwachsenden Generationen notwendig. Die Orscholzer können zu Recht stolz darauf sein, dass ihnen das bisher immer gelungen ist.
Orscholz bietet zum Erntedankfest stets ein umfängliches Programm. Traditionell wird das Fest samstags mit einem Gottesdienst eröffnet. Danach folgen die Inthronisierung der Erntekönigin mit ihren Prinzessinnen und der Fassanstich durch den Schirmherrn.
Sonntags öffnet ein großer Bauernmarkt mit Produkten aus der Region und den üblichen Ständen mit Speisen und Getränken. Der Höhepunkt ist der Festumzug, an dem sich Initiativen aus der ganzen Region beteiligen und nicht selten dreißig Fußgruppen und Mottowagen teilnehmen, die mit viel Einsatz und handwerklichem Geschick hergerichtet wurden.
Es soll natürlich auch an die lange Geschichte des Erntedankfestes erinnert werden, das es schon in vorchristlicher Zeit gab. Bereits im Alten Testament sind zwei israelitische Erntefeste bezeugt. Das Wochenfest (Schawuot), bei dem der ersten Feldfrüchte gedacht wurde und das Laubhüttenfest (Sukkot), das der Obst- und Weinlese gedenkt. Ebenfalls sind für das Römische Reich Erntefeste bezeugt.
Seit dem dritten Jh. ist das Erntedankfest in der katholischen Kirche belegt und für das christliche Abendland ein wichtiges Fest geworden. In der vorindustriellen Zeit war eine gute Ernte nicht immer garantiert. Missernten konnten zu Hungersnöten führen, die durchaus für viele Menschen lebensbedrohlich sein konnten. Wenn die Ernte ausreichend Nahrung gebracht hatte, wollten die Gläubigen ihrem Gott für dieses Geschenk danken. Auch heute noch feiern die christlichen Kirchen das Erntedankfest, mancherorts werden dazu Prozessionen abgehalten.
In Orscholz wird eigens eine Festschrift zu dem jährlichen Anlass gestaltet, in der vom Schirmherrn bis zur Erntekönigin Beiträge zu finden sind. Daneben versucht man aber stets auch neue Impulse zu setzen.
Unter dem Motto „Ein Dorf baut Strohpuppen“ erstellen sich viele Bewohner teils unter Anleitung Strohpuppen, die schon Wochen vorher im Ort zu bewundern sind und eine Art Markenzeichen für das Orscholzer Erntedankfest geworden sind (s. Bildergalerie).
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Fotos: Ferdinand Luxenburger