Fast hundert Jahre führte sie eine Dornröschenschlaf, bis sie durch Zufall entdeckt wurde: die Steinmeyer -Orgel der katholischen Pfarrkirche St. Anna in dem Blieskasteler Stadtteil Biesingen.
Die Orgelbaufirma G. F. Steinmeyer aus Oettingen in Bayern gehört zu den namhaftesten Orgelbauern weltweit. Georg Friedrich Steinmeyer (1819-1901), der bei Eberhard Friedrich Walcker ausgebildet wurde, gründete das Unternehmen 1847, 2001 wurde der aktive Orgelbau eingestellt.
So stammt die größte Kirchenorgel der Welt, die Orgel im Passauer Dom (1924-28), ursprünglich von Steinmeyer, ebenso die Orgel im Hamburger Michel (1960) und die zweitgrößte Orgel Deutschlands, die Steinmeyer-Hauptorgel in St. Lorenz in Nürnberg (1937).
Als Opus 1159 erfolgte 1913 der Bau der Orgel in Biesingen, die durch glückliche Umstände mit originaler Disposition erhalten blieb. Bei der Restaurierung im Jahre 1992 wurden lediglich die Register Posaune 16‘ und Trompete 8‘ hinzugefügt. Eine weitere Besonderheit stellt die Windlade dar, bei der es sich um eine pneumatische Membranlade handelt.
Die Pneumatik besitzt Vor- und Nachteile. Sie bewirkt z.B. eine gewisse Verzögerung bei der Pfeifenansprache, sorgt dafür jedoch für ein sehr weiches Einströmen des Windes in die Pfeifen. Darüber hinaus sind pneumatische Systeme sehr staub- und witterungsanfällig, da Leder und ähnliche Materialien verwendet werden, die sich mit der Zeit abnutzen und ersetzt werden müssen. Daraus ergab sich in der Vergangenheit häufig, dass diese Systeme bei Restaurierungsarbeiten durch modernere und weniger störanfällige ersetzt wurden. Dies geschah in Biesingen, wohl aus Mangel an finanziellen Mitteln und wie man heute wohl sagt: „Gott sei Dank" - nicht.
Die Orgel zeigt daher die typisch romantischen Registerfarben (Fugara, Salicional, Cox coelestis u.a.)als auch Anklänge an das, was sich z. B. Albert Schweitzer in der „Elsässischen Orgelreform" als „barockes Ideal" vorstellte.
„Die Biesinger Orgel ist ein Musterbeispiel deutsch-romantischen Orgelbaus. Es ist deutlich zu spüren, dass das damalige Klangempfinden vom Empfindsamen und Malerischen bestimmt war. (...)Die grundtonreichen charakterstarken Dispositionen dieser Zeit finden wieder mehr und mehr Liebhaber"(Orgelbaumeister Gerd Mayer, in: Restaurierungsbericht Kath. Pfarrkirche Biesingen).
Der international zur Spitzenriege zählende Organist Christian Brembeck, dem bei der Wiederentdeckung dieses „Kleinodes der Orgelbaukunst" viel zu verdanken ist, formulierte es folgendermaßen:" ...Glückliche Umstände wie die Möglichkeit, an einem originalen Instrument (wie hier in Biesingen) klangliche Spurensuche betreiben zu können, der Zugang zu entsprechender(...) Notenliteratur erhellen uns heute eine höchst interessante Epoche der Musik-, Welt-, und Kulturgeschichte!"
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Quelle:
Programmheft des Orgelkonzertes vom 24.10.2010, St. Anna Biesingen
Foto: Fredi Brabänder