„Von Peking über Washington, Weimar und Nonnweiler nach Luxemburg" - so kann man das Wirken von Prof. Dr. Dr. Heiner Timmermann aus Nonnweiler beschreiben.
Wenige Monate nach Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde Heiner Timmermann als dritter Sohn der Eheleute Ferdinand und Maria Timmermann in Duisburg-Hamborn geboren (26. April 1940). Er wuchs im katholischen Milieu auf, das er niemals verließ. Trümmergrundstücke waren seine Spielwiese, die Straße sein Fußballplatz, bis er später Mitglied im Fußballverein wurde. Noch heute summt er ab und zu das Lied, das in der Umkleidekabine bei Sieg oder Niederlage lauthals gesungen wurde: „Und haben wir ein Spiel verloren, ...".
Nach achtjähriger Volksschulzeit trat er als 14-Jähriger eine Verwaltungslehre bei der Ortskrankenkasse Dinslaken/Niederrhein an, die er nach drei Jahren beendete. Er diente bei den Pionieren in Hannoversch-Münden, nahm seine Arbeit bei der AOK wieder auf, ging zum Abendgymnasium Duisburg und erwarb in vier Jahren das Abitur.
„Eigentlich bin ich vier Jahre jünger, denn von diesen vier Jahren weiß ich außer Schule sehr, sehr wenig", pflegt er zu sagen. Ohne Eltern, Brüder, Vorgesetzte hätte ich das nicht gepackt", meinte er.
Dann ging es in die große, weite Welt zum Studium: Englisch, Geschichte, Geographie, Philosophie, Pädagogik in Köln, Bonn, Tübingen, Newcastle-upon-Tyne mit Staatsexamina und Promotion an der Philosophischen Fakultät Tübingen. Die Friedensidee ließ ihn nicht los, führte ihn zur wissenschaftlichen Arbeit zu den berühmten Universitäten Harvard, Yale, London School of Economics and Political Science, Hull und Nuffield Oxford und ließ ihn auch in diesem Feld promovieren. Auf seine fast dreißigjährige Tätigkeit bei der Europäischen Akademie Otzenhausen war er gut vorbereitet.
Die Zahl seiner Seminare in der politischen Bildung zur europäischen Integration, Deutschland-, Entwicklungs- und Sicherheitspolitik, den internationalen, den transat-lantischen, den deutsch-französischen, den deutsch-polnischen, deutsch-tschechischen, deutsch-niederländischen Beziehungen überschreitet die Zahl 1.000.
Nahezu 200 internationale Kolloquien und Forschertagungen zu politisch-historischen Themen mit Politikwissenschaftlern, Historikern, Völkerrechtlern, Theologen, Politikern, Mitarbeitern von Geheimdiensten, Parteien und Administrationen wurden von ihm konzipiert, organisiert und durchgeführt. Er schuf wissenschaftliche Kommunitäten, die ihresgleichen suchen: Nationalbewegung - Nationalismus in Europa, die Idee Europa, Europäische Integration, bilaterale Beziehungen im multilateralen Rahmen (Polen, CSSR, Rumänien, Ungarn, UdSSR, Russische Föderation, Frankreich, Italien, USA, DDR), Islam, Kalter Krieg. DDR-Forschung betrieb er längst vor der Wiedervereinigung. Doch die DDR-Forschertagungen bildeten zweifelsohne ein besonderer Kern der Kolloquien. International und interdisziplinär konzipierte er diese mit seinem Freund Rüdiger Thomas von der Bundeszentrale für politische Bildung und in enger Kooperation mit Peter Ullmann von der Union Stiftung Saarbrücken. 24 Sammelbände sind aus ihnen hervorgegangen.
Sein Engagement für die deutsche Einheit und die Europäische Integration belohnte der Bundespräsident mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande (2000). Sein Engagement für die deutsch-polnische Aussöhnung zeichnete der polnische Staatspräsident mit dem Chevaliers-Orden (ähnlich wie das Bundesverdienstkreuz) aus (2000).
Dieser Ehrung ging eine wissenschaftliche Leistung voraus: Als erster Deutscher nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er an der Historischen Fakultät der Universität Krakau (1993) habilitiert. Im selben Jahr wurde er zum Visiting Professor an der Wirtschafts-Universität Moskau ernannt, ein Jahr später von der Mittelschwedischen Universität Sundsvall. Die Corvinus-Universität in Budapest berief ihn zum Honorarprofessor für europäische Studien.
Er verstand es, kontroverse Themen sachlich vorstellen und diskutieren zu lassen. Daneben hat er seit 1982 eine universitäre Lehrtätigkeit entfaltet: Bis 1990 an der Universität des Saarlandes als Lehrbeauftragter für amerikanische Geschichte, ab 1990 als Professor für die Geschichte Europas der neuen und neuesten Zeit an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Wie selbstverständlich hält er auch heute Vorlesungen und Seminare ab, betreut er Dissertationen und Magisterarbeiten.
Nach seinem altersbedingten Ausscheiden bei der Europäischen Akademie Otzenhausen wurde er am 1. Mai 2005 Vorstandsvorsitzender der Akademie Rosenhof e.V. in Weimar. Hier geht es in erster Linie um Bildung im Sozialmanagement, in zweiter Linie um Sozialwissenschaften. Seine reichhaltige Erfahrung stellt er in den Dienst dieser Einrichtung.
Sein bisheriges wissenschaftliches Werk kann sich sehen lassen: Mehr als 80 Bücher, über 150 Aufsätze, ca. 250 Rezensionen. Seine Schriften erschienen in deutscher, englischer, französischer, italienischer, polnischer, spanischer, ungarischer, schwedischer, russischer, koreanischer und chinesischer Sprache. In diese Sprachräume führten/führen ihn auch seine zahlreichen Vorträge. In den letzten Jahren ist er immer wieder Gast in Südkorea und China. Im Sommersemester 2012 lehrte er an der Shanghai Jioa Tong Universität und wurde zum Visiting-Professor für Europäische Studien berufen.
Bei "Lions International" und in der Katholischen Kirche ist er sozial engagiert. Wiederholt war er Präsident seines Clubs St. Wendel. Das Amt des höchsten Lions in Deutschland als Governorratvorsitzender (1997/1998) füllte er mit großem Elan aus. Den Kontakt zu seinen Katholischen Studentenverbindungen in Köln und Tübingen (KV) hat er nie abreißen lassen. Rückhalt findet bei seiner Frau in Nonnweiler, seinen Freunden im Saarland, darüber hinaus bundesweit und in vielen Ländern der Welt und seinen vier Kindern, die weit verstreut auf dem Globus leben: New Mexiko (USA), Guam (USA), Bayern, Saarland.
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Fotos: "Bibliothek in Nonnweiler", "Vortrag in Shanghai", "In Guam": Wiltrud Timmermann
Vorschaubild und Foto Mitte rechts: By Bücherhexe (eigenes Werk) CC-BY-SA-3.0 via Wikimedia Commons
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Lesen Sie auch den Artikel von Florian Russi über Heiner Timmermann in der Weimar-Lese.