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Saarbrücken

Die 99 besonderen Seiten der Stadt

Rita Dadder und Florian Russi

Saarbrücken, Landeshauptstadt des Saarlandes und unmittelbar an der deutsch-französischen Grenze gelegen, ist eine Stadt mit vielen Reizen. Es hat eine lange und wechselvolle Geschichte. Von Goethe wurde es besucht und beschrieben und von Kaiser Barbarossa teilweise zerstört. Heute ist Saarbrücken eine moderne Metropole mit Universität, Museen und vielfältiger Kultur. Hier lebt man nach der Devise: »Wir wissen, was gut ist«, ist gastfreundlich und lässt sich gerne »entdecken«.


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Gerhard Klein
Berlin-Skizzen

Die deutsche Hauptstadt in achtzehn Bildern. Die liebevoll gestalteten Zeichnungen geben einen einzigartigen Blick auf die Metropole an der Spree. Neben bekannten Bauwerken wie Reichstag und Gedächtniskirche hat Architekt Gerhard Klein auch sehenswertes wie den Eingang des Berliner Zoos oder das Bode Museum in Bild eingefangen. Den Zeichnungen ist ein informativer Text zur Sehenswürdigkeit beigeordnet.

Carl Ferdinand von Stumm-Halberg

Carl Ferdinand von Stumm-Halberg

Uta Plisch

In meiner Jugend war das Eisenwerk in Neunkirchen der wichtigste Arbeitgeber im Umkreis. Man arbeitete auf  der „Hütt", und meist arbeitete auch der Nachbar da und außerdem das halbe Dorf. Nicht selten lernte man dort seinen Partner fürs Leben kennen. Deshalb war es eine Katastrophe für Neunkirchen und sein Umfeld, als es hieß, die Hütt macht zu. Auch wenn bei uns die weiße Wäsche oft gesprenkelt war und die Luft stank, die da herüber wehte aus Neunkirchen, so war es doch unvorstellbar, dass es die Hütt plötzlich nicht mehr geben würde.

Das Neunkircher Eisenwerk ist eng verknüpft mit der Industriellenfamilie Stumm. 1806 erwarb die Hüttenbesitzer- und Orgelbauerfamilie aus dem Hunsrück die Neunkircher Hütte. Carl Friedrich Stumm erbte sie später und führte sie weiter. Er brachte sich 1848 im Alter von 50 Jahren um, nachdem er verzweifelt um die Existenz seines Hüttenwerks gekämpft hatte. Sein Sohn Carl Ferdinand Stumm war 22 Jahre alt, als er 1858 die Werksleitung des Neunkircher Eisenwerkes übernahm. Sein Onkel Carl August Bernhard Böcking hatte für ihn die Hütte geleitet, damit der Neffe und Erbe seine Ausbildung abschließen konnte. Dieser besuchte die technische Oberrealschule in Siegen, die damals einen sehr guten Ruf hatte. Bereits mit 16 Jahren machte er das Abitur, absolvierte anschließend eine Lehre im Neunkircher Eisenwerk und studierte dann vier Jahre lang von 1854 bis 1858 in Bonn und in Berlin Jura, Politik und Eisenhüttenkunde. 1857 trat er einer Verbindung bei, dem Corps Guestphalia in Bonn.

Stumm-Denkmal in Neunkirchen (Saar)
Stumm-Denkmal in Neunkirchen (Saar)

Carl war stolz auf seine Familiengeschichte. Diese fand ihren Anfang mit der Einrichtung eines ersten Stahlhammers durch den Schmied Johann Nikolaus Stumm 1715 in Rhaunen (Hunsrück). Die Familie Stumm teilte sich später in zwei Linien: die Rhaunener Linie gründete die berühmte Orgelbaufirma Stumm; der Großvater von Carl Ferdinand, Friedrich Philipp Stumm (1751-1835), siedelte im Saarraum und baute Eisenhütten.

1860 heiratete Carl Ferdinand Ida Charlotte Böcking, die ebenfalls aus einer Industriellendynastie stammte. Sie hatten fünf Kinder. Stumm nahm am Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 teil. Als Rittmeister wurde er mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet.

Carl Ferdinand Stumm war ein politischer Mensch. Vierunddreißig Jahre lang wirkte er als Abgeordneter in verschiedenen Parlamenten. Wegen seiner Leistungen als Unternehmer würdigte der Historiker des deutschen Eisenhüttenwesens, Otto Johannsen, ihn gemeinsam mit August Thyssen als die beiden größten deutschen Eisenindustriellen.

1867 gründete Stumm mit anderen zusammen die Freikonservative Partei. Im gleichen Jahr wurde er Abgeordneter im Reichstag des Norddeutschen Bundes und im Preußischen Abgeordnetenhaus. 1871-1881 erhielt er ein Abgeordnetenmandat im Deutschen Reichstag. Dafür verzichtete er auf sein Mandat im preußischen Abgeordnetenhaus. Er war maßgeblich beteiligt an der Wirtschafts- und Sozialpolitik des Kaiserreichs. Carl Ferdinand Stumm war gegen die Bismarcksche Sozialgesetzgebung und kämpfte ebenso gegen die Sozialdemokratie.

Als Mitglied der XII. Kommission des Reichtags nahm er direkten Einfluss auf das Familienrecht, das im Zusammenhang mit den zu beratenden Texten des BGB vor der Plenardebatte im Reichstag zur Bearbeitung vorlag. Er machte sich stark für die „Anträge Pauli" seines Fraktionskollegen, in denen in 32 Punkten eine Besserstellung der Frau verlangt wurde. Stumm hatte sie zusammen mit der Juristin Emilie Kempin ausgearbeitet. Diese Verbesserungen enthielten zwar nicht alles, was die damalige Frauenbewegung verlangte, aber einige wichtige Punkte wie die Gütertrennung als gesetzliches Güterrecht und die Gleichstellung der Frau im Vormundschaftsrecht waren doch enthalten. Merkwürdigerweise stimmte der sonst so rechtskonservative Politiker in den wichtigen Punkten gemeinsam mit Linksliberalen und SPD gegen die Kommissionsmehrheit.

Berlin Bundesrat - ehemaliges Herrenhaus - um 1900
Berlin Bundesrat - ehemaliges Herrenhaus - um 1900

Bismarck schätzte den klugen Sachverstand Stumms und berief ihn in schwieriger Lage in verschiedene Enquête-Kommissionen, so etwa bei den Beratungen für ein gemäßigtes Schutzzollsystem. Von 1881 bis 1889 boykottierte Stumm den Reichstag: Er hatte sich mit Reichskanzler Otto von Bismarck und dem Minister für öffentliche Arbeit, Albert von Maybach, zerstritten. Ursache war die Frage, wie an der Saar gegen die sozialdemokratische Agitation in den Staatsbetrieben vorzugehen war. Bismarck wollte Stumm nicht verlieren und ermöglichte ihm 1882 die Berufung ins Herrenhaus. Dafür legte der sein Reichstagsmandat nieder.

Beim Preußischen Herrenhaus handelte es sich um die erste Kammer des Parlamentes in einem Zweikammersystem des Landes nach der Verfassungsurkunde für den preußischen Staat vom 31.01.1850. Es bildete zusammen mit dem Abgeordnetenhaus die Legislative. Ihre Mitglieder wurden auch Pairs genannt in Anlehnung an die französischen und englischen Mitglieder der jeweiligen Oberhäuser.

Carl Ferdinand Stumm hat während seiner Zeit als Parlamentarier nie das Neunkircher Eisenwerk vernachlässigt und sich stets bemüht, seiner Hütte Vorteile zu verschaffen. So setzte er sich für den Bau eines Kanals von der Saar zum Rhein ein, der über Neunkirchen führten sollte, der Saar-Pfalz-Kanal. Zur selben Zeit versuchte er aber den geplanten Ausbau der Saar in Richtung Mosel zu verhindern, um der Völklinger Hütte der Familie Röchling keine Vorteile zu verschaffen.

Bei der Leitung seines Werks bewies er große Weitsicht und war ein vorbildlicher Manager. Er baute die weiterverarbeitenden Zweige aus, um den Verlust durch den notwenigen Zukauf von Rohstoffen wirtschaftlich auszugleichen. Seine hauseigene Kokerei deckte den Koksbedarf der eigenen Hochöfen. Die Gießerei produzierte außer Gusseisen auch Gussstahl und Buntmetalle. Dadurch, dass das lothringische Departement Moselle wieder zu Elsass-Lothringen kam, damals deutsch, konnte er ab 1874 die wertvollen Minetteerze in hauseigenen Gruben abbauen. 1880 veranlasste er den Bau des ersten Thomas-Stahlwerks.

Zum Stummschen Besitz gehörten inzwischen sowohl die Neunkircher als auch die Halberger Hütte. In der Dillinger Hütte saß er im Aufsichtsrat und hatte auch Zugriff auf die Werke in Burbach und St. Ingbert. Stumm führte eine vorbildliche gründliche Qualitätskontrolle ein, um lästige und langwierige Reklamationen zu verhindern. Außerdem gab es regelmäßige Dienstbesprechungen, und jeder Arbeiter hatte die Möglichkeit, direkt mit ihm zu reden. Er schaffte damit ein gutes Arbeitsklima und legte den Grundstein für eine moderne Personalführung.

Stumm f&uuuuml;hrte sein Eisenwerk mit strenger Hand. Er war der Übervater, seine Arbeiter und Angestellten seine Kinder. Er baute für sie ein Krankenhaus in Brebach und eine Kirche in der Neunkircher Unterstadt. Er führte Sozialversicherungen ein und für Notfälle eine soziale Versorgung. Im Gegenzug hatten sie folgsam und produktiv zu sein. Es ist überliefert, dass die Ehefrau von Carl bestimmen konnte, welcher Arbeiter wen heiraten durfte.

In den 1880er und 1890er Jahren führte die Politik Stumms im Saarland zu erbitterten Auseinandersetzungen mit der evangelischen Kirche, welche sich die sog. Soziale Frage auf ihre Fahnen geschrieben hatte. Unter diesem Begriff versteht man die Auseinandersetzung mit den sozialen Missständen der Industriellen Revolution. Diese entstanden beim Übergang von der landwirtschaftlich geprägten Gesellschaft zur städtischen Industriegesellschaft.

Stumm, eigentlich ein Mäzen der evangelischen Kirche an der Saar,  ging sozialpolitisch engagierte Pfarrer, die evangelischen Arbeitervereine und die kirchliche Presse scharf an. Auch vor Zensur und politischem Druck machte er nicht halt. Kaiser Wilhelm II. stärkte die Position Stumms im Februar 1896 durch ein Telegramm: "Die Herren Pastoren sollen sich um die Seelen ihrer Gemeinden kümmern, die Nächstenliebe pflegen, aber die Politik aus dem Spiele lassen, dieweil sie das gar nichts angeht".

Die Sorge Stumms um die Arbeiterschaft stammte aus einer strengen protestantischen Ethik. her. Den wachsenden Einfluss der Sozialdemokratie fand er unerträglich. In einer seiner Reden an seine Arbeiter ist dieses Verantwortungsgefühl für seine Leute und die Probleme, die er mit den aufkommenden sozialdemokratischen Ideen hatte, klar erkennbar und zeigt uns mehr als alles andere seine Denkweise auf.

Sein ganzes Verhalten führte dazu, dass er von Friedrich Naumann, einem liberalen Politiker zur Zeit des Kaiserreichs, „Scheich von Saarabien" betitelt wurde. Am Kaiserhof in Berlin sprach man sogar von der „Ära Stumm". 

Eisengussplakette "100 Jahre Schloss Halberg"
Eisengussplakette "100 Jahre Schloss Halberg"

In den letzten Lebensjahren gingen die politischen Erfolge Stumms stark zurück. Verbittert zog er sich mehr und mehr zurück. Auch im Berufsleben wurde er zurückhaltender, was große technische Neuerungen anbetraf. Das hatte zur Folge, dass in seinen Werken die Elektrifizierung nur schleppend voranging. War er in seinem ganzen Leben ein Macher gewesen, so wurde er nun mehr und mehr zu einem bremsenden Element im Werk.

Ab 1880 bewohnte Carl Ferdinand Stumm seine beiden Schlösser auf dem Halberg und in Grünhaus. 1888 wurde der von Kaiser Wilhelm II. zum Freiherrn ernannt. Außerdem durfte er den Doppelnamen von Stumm-Halberg tragen, gebunden an den Besitz des Halbergs.

1901 starb Carl Ferdinand von Stumm auf Schloss Halberg nach schwerer Krankheit. Seine letzte Ruhe fand er am Fuße des Saarbrücker Halbergs, wie er es in seinem Testament angeordnet hatte. Sein Grab durfte nur ein einfaches Gusskreuz schmücken.

Die Berliner Tageszeitung "Die Post" schrieb in einem Nachruf: "Freiherr von Stumm-Halberg war eine von denjenigen Persönlichkeiten, die eigentlich nie jung gewesen sind". Er musste zu früh eine große Verantwortung übernehmen, was aus ihm einen strengen Menschen machte, ihm, der ein unbeschwertes Leben nie kennen gelernt hatte.

902 errichteten ihm die Neunkircher ein Denkmal, liebevoll „de Karl" genannt. 2009 wurde ihm zu Ehren vom Musicalprojekt Neunkirchen das Musical „Stumm" geschaffen, dass auch in diesem Jahr wieder ein Publikumsmagnet ist.

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Bildnachweise:
- Vorschaubild oben links "Portrait Carl Ferdinand von Stumm-Halberg". Quelle: Saarland-Biografien, Abb.  Landesbildstelle Saarland.
- Foto oben rechts "Stumm-Denkmal in Neunkirchen (Saar)". Urheber: Lokilech, Lizenz: CC BY-SA 3.0
- Foto Mitte "Berlin, Bundesrat - ehemaliges Herrenhaus - um 1900". Quelle: Album von Berlin, Globus Verlag, Berlin ca. 1900. Lizenz: gemeinfrei; entommen: Wikipedia
- Foto "Eisengussplakette " 100 Jahre Schloss Halberg, 1878-1978. Urheber: Rita Dadder

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