Zu ihrem berühmten Sohn hat die Kreisstadt Merzig seit eh und je kein einfaches Verhältnis. Woran das liegt, lässt sich nicht so leicht ergründen. Denn Gustav Regler ist sicher kein einfacher Charakter gewesen. Das enge kleinbürgerliche Milieu der saarländischen Kleinstadt mit seiner schlichten Denkweise hat zu Beginn des 20. Jahrhunderts und bis weit nach dem Zweiten Weltkrieg einen unbezähmbaren Freigeist nur schwerlich ertragen können. Für viele war es befremdlich, dass da einer aus ihrer Mitte den Mut hatte, sich gegen den Strom der Zeit zu stellen und für seine Überzeugungen konsequent und letztlich mit dem Einsatz seines Lebens einzustehen.
Am 25.Mai 1898 in Merzig geboren, verbringt Gustav Regler hier seine Kindheit und Jugend. In diesen Jahren wird er geprägt vom katholischen Leben in der Stadt, vor allem aber von seiner tiefgläubigen Mutter, jedoch auch vom freundschaftlichen Miteinander von Katholiken und Juden, wie es damals in Deutschland nicht selbstverständlich ist. Am Gymnasium in Dillingen macht er Abitur und ist 1916 Träger des Literaturpreises der Dillinger Hütte.
Als glühender Patriot zieht er in den Ersten Weltkrieg, wird zweimal verwundet und 1918 infolge einer Gasvergiftung, die ihn zu einem langen Lazarettaufenthalt zwingt, als frontuntauglich entlassen.
In Heidelberg und München studiert er Philosophie, Französisch und Geschichte. Seine Studien schließt er 1923 mit einer Dissertation über „Die Ironie im Werk Goethes" ab. Zwischenzeitlich hat er Kontakt zu verschiedenen politischen Parteien und Gruppierungen. Er selbst spricht in seiner Autobiographie Das Ohr des Malchus vom „Eintritt in das politische Leben, das mich nie mehr losließ" In der Folge kämpft er in München auf Seiten der Räterepublik und erlebt deren Niederschlagung durch die Reichswehr.
1922 heiratet er die reiche Kaufmannstochter Charlotte Dietze. Ein Jahr später wird ihr Sohn Dieter geboren, der sein einziges Kind bleiben sollte. 1926 trennt er sich von seiner jungen Familie und arbeitet als Redakteur in Nürnberg. 1928 tritt er in die kommunistische Partei ein, von 1929 bis 1933 wohnt er mit Marie-Louise Vogeler, der Tochter des Malers Heinrich Vogeler, in der Künstlerkolonie in Berlin, wo er als Organisationsleiter der KPD im so genannten Roten Künstlerblock war. Hier agiert er gegen die braunen Nazi-Horden und flieht nach dem Reichstagsbrand über Worpswede ins Saarland und von dort nach Frankreich, wo er u.a. mit Willi Münzenberg, Alfred Kantorowitz, Arthur Koestler und Bruno Frei am „Braunbuch über Reichstagsbrand und Hitlerterror" schreibt. Es entfaltet in dieser Zeit eine große Propagandawirkung, denn es wird in über fünfzehn Sprachen übersetzt und erreichte eine Auflage von mehreren Millionen.
1934 nimmt er in Moskau am Internationalen Schriftstellerkongress teil, an dem auch nichtkommunistische Schriftsteller teilnehmen, die gegen Hitler sind. Im „Kampf um die Saar" schließt sich Regler der Einheitsfront von Sozialdemokraten und Kommunisten an, die für den „Status quo" eintritt bis der braune Spuk beendet sein sollte. Es kam jedoch anders. Schon in der Nacht nach der Abstimmung von 13. Januar 1935, bei der sich die Saarländer mit überwältigender Mehrheit für „heim ins Reich" entscheiden, geht er über die Grenze ins französische Exil. Der umtriebige Regler wird Sekretär der deutschen Sektion der Internationalen Schriftstellervereinigung und ist an der Vorbereitung des "Internationalen Schriftstellerkongress für die Verteidigung der Kultur" im darauffolgenden Juni in Paris beteiligt, auf dem er auch als Redner auftritt. Schon 1934 wird Regler vom braunen Innenminister Frick, der in den Nürnberger Prozessen wegen seiner Verbrechen zum Tode verurteilt wurde, als Staatsfeind Nr. 19 die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen, u.a. wegen seiner Unterzeichnung des Saaraufrufs und seiner antinationalsozialistischen Zeitungsartikeln.
1936 beginnt der Spanische Bürgerkrieg. Für Regler ist die Teilnahme auf Seiten der Republikaner gegen die putschenden Faschisten „Pflicht zum Widerstand gegen die Gewaltherrschaft" wie Siegfried Lenz es nennt. Regler aber will der Welt unbedingt zeigen, dass die Deutschen nicht mit den Nazis zu verwechseln sind. Bei der 12. Internationalen Brigade wird der Weltkriegsteilnehmer und Literat politischer Kommissar und leidenschaftlicher Agitator. Schließlich muss er die ganze Grausamkeit dieses unmenschlichen Krieges am eigenen Leib erleben. Der bei den Soldaten sehr beliebte Kommissar wird bei Hueska lebensgefährlich verwundet und überlebt nur mit viel Glück.
Literarisch hat Gustav Regler das Erlebte in einem Roman verarbeitet, der 1940 nur auf Englisch mit einem Vorwort von Ernest Hemingway erschien. Die endgültige Fassung ist dann in der Bundesrepublik erst 1976 unter dem Titel „Das große Beispiel" publiziert worden.
Noch von der Verwundung gezeichnet spricht 1937 er auf dem II. Int. Schriftsteller-Kongress zur Verteidigung der Kultur in Madrid. Ein Jahr später 1938 reist er im Auftrag der spanischen Regierung in die USA, um Spenden für die Republik zu sammeln.
Ironischerweise wird der Nazigegner zu Beginn des von eben diesen angezettelten Krieges 1939 in Frankreich in La Vernet interniert, wo er unter den dort herrschenden Zuchthausbedingungen leidet. Er kommt durch seine prominenten Fürsprecher, zu denen u.a. sein Freund Ernest Hemingway und Eleonore Roosevelt gehören, frei und reist über die USA nach Mexiko. Dort lebt er die nächsten Jahre mit seiner zweiten Frau E. Vogeler, die 1945 an Krebs stirbt.
Irgendwann in der zweiten Hälfte der neunzehnhundertdreißiger Jahre begannen seine Zweifel an der Kommunistischen Partei. Spätestens seit dem Hitler-Stalin-Pakt wendet er sich von ihr ab, 1942 tritt er aus der Kommunistischen Partei aus und wird von ehemaligen Genossinnen und Genossen mit leidenschaftlicher Verachtung gestraft, die oft genug absurde und groteske Züge trägt. In diesem Sinne haben sich der „rasende Reporter" Egon Erwin Kisch und der spätere DDR-Kulturminister Ernst Bloch besonders hervorgetan.
Gustav Regler heiratet 1946 die Amerikanerin Peggy Paul. Mexiko ist für den Schriftsteller ein durchaus ambivalenter Ort. Die Schönheit des Landes fasziniert ihn sehr, jedoch ist er von seiner Lesergemeinde abgeschnitten und nicht zuletzt deshalb fällt es ihm zeitweise schwer, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. So ist er nach der Heirat mit Peggy sogar als Farmer tätig. Er erhält für sein literarisches Schaffen freundliche Rezensionen, die Auflagen sind allerdings bescheiden.
Nach dem Krieg besucht er 1949 erstmals wieder seine saarländische Heimat. Als freier Mitarbeiter ist er in der Folgezeit für verschiedene in- und ausländische Zeitschriften und Rundfunkanstalten tätig, insbesondere für den Saarländischen Rundfunk.
1958 publiziert Gustav Regler seine Autobiographie, die weltweit Beachtung findet. 1960 erhält er den 1. Kunstpreis des Saarlandes für Literatur. Auf einer Indienreise stirbt Gustav Regler in Neu Delhi an einem Gehirnschlag. Seine Urne ist auf dem heimatlichen Friedhof in Merzig beigesetzt. Damit schließ sich der Kreis für einen Merziger, der als Zeitzeuge und Weltbürger die Ereignisse der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert erlebt und teilweise in der ersten Reihe mitgestaltet hat. Deshalb verwundert es nicht, dass er mit den wichtigsten Literaten und vielen Persönlichkeiten von damals persönlich bekannt und teilweise eng verbunden war.
Gustav Regler ist oft angefeindet worden, weil er Kommunist war. Er war aber vielen seiner Zeitgenossen voraus, weil er den Faschismus und speziell den Nationalsozialismus als die große Bedrohung für das zivilisierte Europa erkannte und dagegen ankämpfte. Er war vieles in seinem Leben. Aus dem heimatverbundenen Katholiken wurde ein Rebell und Agitator, ein Irrender, ein in den Wirren seiner Zeit Verstrickter, der manche Blessur einstecken musste. Er blieb aber immer der Menschlichkeit verpflichtet und die moralische Kategorie ist ihm letztendlich immer wichtiger gewesen als die politische.
*****
Quellen:
- Alfred Diwersy, Gustav Regler, Merzigs verlorener Sohn - heimgekehrt, Saarheimat 5/78
- Alfred Diwersy, Gustav Regler, Bilder und Dokumente, Saarbrücken 1983
- Günter Schmold, Odysseus im Labyrinth der Ideologien, St. Ingbert 1998
Bilder:
Vorschaubild: Portrait des Schriftstellers Gustav Regler (1944), aufgenommen in Mexiko in seinem Arbeitszimmer. Fotografiert von seiner Frau Marie-Louise Regler.) GFDL-Lizenz der Copyright-Inhaberin Annemay Regler-Repplinger; via Wikimedia commons
Fotos im Text:
- oben rechts: "Schild in Merzig am Gustav-Regler-Platz": Ferdinand Luxenburger
- Mitte links: Gustav Regler im spanischen Bürgerkrieg mit Ilya Ehrenburg und Hemingway (ca. 1937): gemeinfrei, Quelle: Wikimedia commons.
- unten rechts: "Gustav Regler Gedenkstein in Merzig" (Bildhauer Paul Schneider): Ferdinand Luxenburger