Oranna war eine irische Prinzessin, die im 6. Jahrhundert im Gefolge irisch-schottischer Missionare nach Deutschland kam. Anders als später ihr berühmter Landsmann Bonifatius kam sie nicht, um ganze Völkerstämme zum Christentum zu bekehren. Die römischen Städte Trier und Metz waren schon früh christianisiert und Trier das erste Bistum im heutigen Deutschland. Es war Magnerich, 566-586 Bischof von Trier, der Missionare berief, um die zum Teil noch heidnische und in der katholischen Religion wenig erfahrene Landbevölkerung seiner Diözese zum christlichen Glauben zu führen oder sie darin zu bestärken. So kamen die Mönche Wendalinus und Ingobertus ins Land, kümmerten sich um die Seelsorge, um Kranke und Gebrechliche, um die Bildung des Volkes und seine gesellschaftliche Organisation und Strukturierung. Die Mönche waren die Stars dieser Zeit. Sie waren den Bauern und Gewerbetreibenden an Kenntnissen weit überlegen, waren Helfer und Tröster in vielen Nöten und Vorbilder für viele.
Der Heilige Wendalinus, Namensgeber der Kreisstadt St. Wendel, soll Orannas Bruder gewesen sein. Sie selbst kam in Begleitung ihrer Gefährtin Cyrilla und wirkte vor allem im Gebiet des Saarlouiser Gaus und des Lothringischen Stufenlandes. Zentrum ihres Wirkens war die Gemeinde Eschweiler, die im 14. Jahrhundert zerstört und schließlich von ihren Bewohnern aufgegeben wurde. Heute befindet sich an diesem Ort nur noch der Friedhof für die Gemeinde Berus und die der Heiligen Oranna geweihte Kapelle, die auf den Grundmauern der ehemaligen Eschweiler Pfarrkirche errichtet wurde.
Oranna, deren irischer Name Othranna lautete, und „die Blässliche" bedeutet, ist vor allem als Heilkundige in Erinnerung. In der damaligen Zeit, die kaum Ärzte kannte und in der kein Landesherr sich Gedanken über die medizinische Versorgung der Landbewohner machte, war ihr Wirken ein Segen für die geplagten Menschen. Schon früh wurde sie vor allem mit Kopfleiden in Verbindung gebracht. Auf Bildern und der Statue vor ihrer Kapelle ist sie mit einem Ohr in der Hand abgebildet. Es wird berichtet, dass sie Gehörlose von ihrer Krankheit geheilt habe. Allerdings liegt die Vermutung nahe, dass der schlichte Volksglaube ihr diese Zuweisung wegen ihres Namens O(h)r-anna gegeben hat.
Angerufen wurde sie auch von Mädchen und Frauen, die sich durch ihre Vermittlung einen guten Ehemann erhofften und dies in einem deftigen Gebet zum Ausdruck brachten.
Nach ihrer beider Tod wurden Oranna und Cyrilla in einem gemeinsamen Sarkophag bestattet. Als man ihn am 3. Mai 1480 öffnete, fand man darin die Gebeine zweier Frauen. Es besteht kein Zweifel daran, dass es sich um die der Heiligen und ihrer Gefährtin handelte. Am 17. Mai 1719 wurde der Sarkophag in die Pfarrkirche St. Martin in Berus überführt, seit 22. Sept. 1969 befindet er sich in der Orannakapelle. Diese ist ein Anziehungspunkt für viele Menschen aus Lothringen und dem Saarland.
Immer, wenn ich in der Nähe bin, das Grab meiner Schwester und die Kapelle besuche, stecke ich vor der Orannastatue über dem Altar einige Kerzen für Freunde und Verwandte. Ich glaube an die Wirkung von guten Wünschen und Gedanken.
Gedenktag der Heiligen ist der 15. September.
* * * * *
Literatur:
Andreas Heinz: Heilige im Saarland, 2. Aufl., Saarbrücken 1991
Fotos: Florian Russi