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Saarbrücken

Die 99 besonderen Seiten der Stadt

Rita Dadder und Florian Russi

Saarbrücken, Landeshauptstadt des Saarlandes und unmittelbar an der deutsch-französischen Grenze gelegen, ist eine Stadt mit vielen Reizen. Es hat eine lange und wechselvolle Geschichte. Von Goethe wurde es besucht und beschrieben und von Kaiser Barbarossa teilweise zerstört. Heute ist Saarbrücken eine moderne Metropole mit Universität, Museen und vielfältiger Kultur. Hier lebt man nach der Devise: »Wir wissen, was gut ist«, ist gastfreundlich und lässt sich gerne »entdecken«.


Papier gegen Kälte

Florian Russi
Papier gegen Kälte

Eine packende Mischung aus Entwicklungsroman und spannendem Thriller. Schauplätze sind u. a. der Libanon, Mallorca und das Saarland.
• auch als E-Book erhältlich 

Michel Ney

Michel Ney

Florian Russi

Marschall Napoleons

Marschall Michel Ney, Herzog von Elchingen, Fürst von der Moskwa (ca. 1805).
Marschall Michel Ney, Herzog von Elchingen, Fürst von der Moskwa (ca. 1805).

Im Heimatkundeunterricht in der Volksschule stellte uns Lehrer Spartz die Aufgabe, den großen Sohn unserer Heimatstadt zu malen, wie er, seinen Ranzen auf dem Rücken, Saarlouis verließ, um 50 km zu Fuß nach Metz zu gehen und dort eine militärische Laufbahn zu beginnen. Er ist der berühmteste Saarländer überhaupt: Michel Ney, Sohn eines Böttchers (Fasshersteller) aus der Biergasse 13 in Saarlouis und späterer Marschall von Frankreich. Kaiser Napoleon I. nannte ihn den „Tapfersten der Tapferen". Gemeinsam schlugen und gewannen sie viele Schlachten und verloren schließlich die entscheidende bei Waterloo. Napoleon wurde auf die Insel St. Helena verbannt, Ney wegen Hochverrats verurteilt und standrechtlich erschossen.

Ney wurde am 10. Januar 1769 in Saarlouis als 2. Kind von Peter Ney und seiner Ehefrau Margaretha geboren. Der Vater stammte aus dem an Saarlouis angrenzenden Ort Ensdorf, die Mutter aus Büdingen bei Merzig. Saarlouis war 1680 von König Louis XIV als französische Festungs- und Garnisonsstadt gegründet worden. Die Stadt wie auch die Herkunftsorte der Eltern lagen damals im französischen Staatsgebiet. Von daher beantwortet sich die Frage, warum Ney in französischen Militärdienst trat. Frankreich war sein Vaterland. Ihm hat er sich immer verbunden gefühlt. 

Neys Geburtshaus in der Bierstraße (früher Biergasse) in Saarlouis
Neys Geburtshaus in der Bierstraße (früher Biergasse) in Saarlouis

Michel besuchte die renommierte Augustiner-Schule in Saarlouis. Seine Eltern erhofften sich von ihm eine juristische Karriere. Er ging bei einem Notar in die Lehre, arbeitete dann bei der Staatsanwaltschaft und schließlich in der Montanindustrie, was ihn jedoch nicht zufrieden stellte. Sein Biograf Ernst Klitscher* vermutet, dass es ihm widerstrebte zu erleben, wie der Adel und die privilegierten Stände in allen Gesellschaftsbereichen dem Bürgertum vorgezogen wurden.

Beim Militär war das grundsätzlich nicht anders, jedoch konnten ehrgeizige und tüchtige Soldaten es dort zum Offizier bringen. Saarlouis war zu Neys Jugendzeit eine Stadt mit mehr als 10 Kasernen und einem zentralen Paradeplatz, dem heutigen „Großen Markt". Neys Elternhaus lag „gleich um die Ecke". Michel konnte täglich dem soldatischen Treiben zusehen und sich darüber Gedanken und eigene Vorstellungen machen. 

Verbandsabzeichen des Regiments Colonel-Général des Hussards
Verbandsabzeichen des Regiments Colonel-Général des Hussards
Als Ney 1788 in die Kaserne des königlichen Regiments „Colonel-Général des Hussards" in Metz einzog, regierte in Frankreich noch König Louis XVI. Im Jahr 1789 wurde er durch die Französische Revolution gestürzt. 1799 kam Napoleon an die Macht und 1804 krönte er sich selbst zum Kaiser. Einen Tag später ernannte er Michel Ney zusammen mit 13 weiteren seiner führenden Offiziere zum „Maréchal d´Empire". Napoleon, der seine eigene Karriere als ein aus kleinadliger, aber in bürgerlichen Verhältnissen lebenden Familie stammender Militärschüler begonnen hatte, behauptete, dass unter seiner Führung jeder Soldat „den Marschallstab im Tornister trage". Das sollte die hunderttausende jungen Männer in seiner „großen Armee" motivieren, entsprach aber nicht der Wahrheit. Die 14 Marschälle, die Napoleon 1804 berief, entsprossen fast alle angesehenen Familien und Napoleon benötigte sie, um sein Kaisertum gesellschaftspolitisch abzusichern. Auch Michel Ney hatte es, bevor Napoleon auf ihn aufmerksam wurde, bereits zum Divisions-General gebracht.
Marschall Michel Ney im Kampf
Marschall Michel Ney im Kampf

Bei seiner Ernennung zum Marschall war Ney 35 Jahre alt. Napoleon nannte ihn nun „mon cousin" (mein Vetter), was für den in starken Familientraditionen verwurzelten Kaiser eine besondere Anerkennung bedeutete. Aus Anlass des 15. Jahrestags der Erstürmung der Pariser Bastille, die als Beginn der Französischen Revolution angesehen wird, zeichnete er Ney mit dem Großkreuz der Ehrenlegion aus. Später folgte noch die Ernennung zum Herzog von Elchingen, die Versetzung in den erblichen Adelsstand und die Verleihung des Titels „Fürst von der Moskwa".

Ney soll im Laufe seines 46-jährigen Lebens etwa 100 Schlachten geschlagen haben, die meisten davon mit oder für Napoleon. Im Jahr 1805 schlug er bei Elchingen (in Schwaben) und Ulm die österreichischen Truppen, die den süddeutschen Raum gegen Napoleon verteidigen sollten. An der Seite Napoleons kämpfte er u.a. bei Jena und Auerstedt (1806), bei Preußisch-Eylau und Friedland (1807), bei Borodino und an der Beresina (1812) sowie schließlich bei Leipzig (1813) und Waterloo (1815).

Marschall Ney unterstützt die Truppen beim Rückzug von Moskau
Marschall Ney unterstützt die Truppen beim Rückzug von Moskau
Seine wohl größte militärische Leistung war es, nach dem misslungenen Russlandfeldzug Napoleons den Rückzug des Kaisers und der Reste seiner Armee gedeckt zu haben. In der Schlacht bei Waterloo kämpfte er so engagiert, dass 5 Reitpferde unter ihm zusammengeschossen worden sein sollen, eine für Tierfreunde qualvolle Vorstellung. Am Schluss setzte er seinen Kampf noch zu Fuß fort. Wenn man die Schlachtenberichte liest, wundert man sich darüber, mit welcher Selbstverständlichkeit die Kommandierenden damals ihr eigenes, vor allem aber auch das Leben und die Gesundheit ihrer Soldaten aufs Spiel setzten. Auch Ney opferte ständig das Leben anderer Menschen. Es wird ihm allerdings nachgesagt, dass er mit den ihm anvertrauten Soldaten für die damaligen Verhältnisse ungewöhnlich fürsorglich und mit den von ihm Besiegten sehr ritterlich und fair umgegangen sei.
Marschall Ney-Statue in Saarlouis
Marschall Ney-Statue in Saarlouis

Auf der zur ehemaligen Festung von Saarlouis gehörenden Saar-Insel „Halber Mond" steht eine große Denkmalfigur des berühmtesten Sohnes der Stadt. Die Statue zeigt einen steifen, kalt blickenden, unpersönlichen Krieger. In Filmen, die ich gesehen habe, wird er als nicht sehr gebildet und als einfach gestrickter Haudegen dargestellt. Das alles wird ihm nicht gerecht. Ney war ein kampfesmutiger aber auch sehr bedachter Stratege. Er war darüber hinaus ein hervorragender Diplomat und ein liebevoller Ehemann, Vater, Bruder und Sohn. Was ihn von vielen seiner Mitstreiter und Gegner unterschied, war, dass er recht bescheiden lebte, dem Pomp nicht sehr zugetan war und, wie er seiner späteren Ehefrau versicherte, sich auf seinen Kriegszügen nie am Vermögen anderer, insbesondere der von ihm Besiegten, bereichert hatte. Aus Neys Privatleben ist nichts Skandalöses in Erscheinung getreten.

Ney wurde zwar von Napoleon gefördert, dennoch war das Verhältnis der beiden nicht frei von Problemen und Vorbehalten. Ney konnte eigenwillig sein und scheute sich nicht, dem Kaiser gelegentlich zu widersprechen. Auch zog Napoleon dem Saarlouiser Bürgersohn häufig den anderen herausragenden Marschall vor, seinen Schwager Joachim Murat, den er zum König von Neapel gemacht hatte. Wie der Ney-Biograf Klitscher festgestellt hat, hatte die Rivalität zwischen Ney und Murat sogar nachhaltige Auswirkungen auf das Verhältnis von Goethe und seiner Lebensgefährtin Christiane Vulpius (s. auch "Marschall Ney in Weimar"). 

Marschall Michel Ney
Marschall Michel Ney

Als Diplomat musste sich Ney in den Jahren 1802/3 bewähren. Napoleon und sein Außenminister Talleyrand entsandten ihn als „beauftragten Minister" in die Schweiz. Im Gefolge der Französischen Revolution hatte sich die alte Schweizer Eidgenossenschaft zur „Helvetischen Republik" erklärt und unter französischen Schutz gestellt. De facto wurde sie zu einer Tochterrepublik Frankreichs. Innerhalb der Schweiz kam es darauf zu Spannungen und Kämpfen vor allem zwischen den Anhängern einer unitarischen (zentralistischen) Verfassung nach französischem Vorbild und Verfechtern der traditionellen föderalistischen Kantonsstrukturen. Napoleon hatte großes Interesse daran, diesen Konflikt zu beenden, weil er seine Truppen nicht in lokalen Streitigkeiten verheizen und damit Frankreichs Position gegenüber der antirevolutionären europäischen Koalition schwächen wollte. Ney wurde als Vermittler ausgewählt, weil man ihm dies zutraute und weil er sowohl französisch wie deutsch sprach. Er erfüllte seine Mission mit Bravour. Napoleon, Talleyrand und auch die Schweizer Protagonisten lobten sein Verhandlungsgeschick.

Ein zweites Mal musste Ney große diplomatische Fähigkeiten beweisen, als er nach der verlorenen Völkerschlacht bei Leipzig beauftragt wurde, Napoleon zum Rücktritt zu bewegen. Ney hatte erkannt, dass ein Beharren Napoleons im Amt des Kaisers zu für Frankreich ausweglosen kriegerischen Auseinandersetzungen sowohl mit den Ländern der antinapoleonischen Koalition als auch innerhalb Frankreichs zwischen Monarchisten und Republikanern geführt hätte. Es gelang ihm, seinen Kaiser zu überzeugen. Napoleon wurde nach Elba verbannt, kehrte aber schon nach neun Monaten wieder nach Frankreich zurück.

Drei Söhne von Marschall Michel Ney
Drei Söhne von Marschall Michel Ney

Treue Anhänglichkeit bewies Michel Ney gegenüber seiner eigenen Familie, seinem Vater Peter, der ihn um 11 Jahre überlebte, seiner Schwester Marguerite und der Familie seiner Frau. Im Jahr 1802 heiratete er die attraktive Aglaé Louise Auguié, die in ihrer Familie Eglé genannt wurde. Es war eine Liebesheirat. Die Ehe kam durch Vermittlung von Josephine Beauharnais, der ersten Frau Napoleons, zustande. Eglé war eine Freundin ihrer Tochter Hortense, die von Napoleon adoptiert worden war. Eglés Vater entstammte dem hohen Adel. Unter König Ludwig XVI. war er der höchste französische Steuerbeamte. Nur knapp entging er in den Jahren der französischen Revolution dem Schafott, wurde in der napoleonischen Zeit rehabilitiert und zum Generalpostmeister ernannt. Michel und Eglé bekamen vier Söhne, von denen drei ebenfalls hohe Offiziere wurden. Im Jahr 1884 heiratete eine Ururenkelin von Michel Ney den Ururenkel seines Rivalen Marschall Joachim Murat. Ein Ururenkel seiner Schwester Marguerite war der berühmte 4-Sterne-General Jacques Massu. Marschallsein verpflichtet.

Als Napoleon von der Insel Elba nach Frankreich zurückkehrte, strömten ihm überall Anhänger und ehemalige Offiziere und Soldaten zu. Ney wurde von der neuen königlichen Regierung beauftragt, ihm entgegen zu ziehen und ihn zu verhaften. In Auxerre stießen die beiden mit ihren Truppen aufeinander. Dabei gelang es Napoleon, den ihm immer noch loyal verbundenen und überzeugten Republikaner Ney auf seine Seite zu ziehen. 

Die militärische Karriere Von Michel Ney aufgelistet auf dem Sockel seiner Statue in Paris
Die militärische Karriere Von Michel Ney aufgelistet auf dem Sockel seiner Statue in Paris

Tragisch war Michel Neys Ende. Nach der Niederlage von Waterloo legten Freunde ihm nahe, Frankreich zu verlassen und sich im Ausland in Sicherheit zu bringen. Sogar der berühmt-berüchtigte Polizeiminister Joseph Fouché bot ihm an, seine Flucht zu ermöglichen und abzusichern. Doch Ney handelte nach dem schon zuvor von ihm geäußerten Grundsatz: „Meine Ehre ist mir unendlich teurer als mein Leben". Er blieb in Frankreich, wurde im August 1815 von den Royalisten verhaftet, am 6. Dezember 1815 wegen Hochverrats von der Pairskammer zum Tode verurteilt und schon einen Tag später standrechtlich erschossen. Er selbst erteilte die dazu notwendigen Befehle. Seine letzte Ruhestätte fand er auf dem Pariser Friedhof Père-Lachaise.

Das Todesurteil war äußerst fragwürdig. Während Napoleon selbst nicht vor ein Kriegsgericht gestellt, sondern auf die Insel St. Helena verbannt und seine Entourage weitgehend verschont wurde, diente Ney der antinapoleonischen Koalition und den Royalisten als „Bauernopfer". Im Jahr 1853 wurde Ney durch Napoleon III. feierlich rehabilitiert.


Das Drama seiner Verurteilung und Hinrichtung verdient einen eigenen Beitrag. Ebenso wollen wir der Geschichte nachgehen, dass er gar nicht erschossen, sondern gerettet wurde und später in die USA geflohen sei. Darüber werden wir demnächst in der Saarland-Lese berichten.  

 

*****

Literatur:
* Ernst Klitscher: Michel Ney. Soldat der Revolution, Marschall des Kaisers. Buchverlag Saarbrücker Zeitung 1993.

Bildquellen:
- Vorschaubild: Michel Ney. Grafik von H. Rousseau und E. Thomas. In: Album du centenaire. Grands hommes et grands faits de la Révolution française (1789-1804), Paris 1889.
- Bild oben rechts: Marschall Michel Ney, Herzog von Elchingen, Fürst von der Moskwa. Ölgemälde von C. Cook  ca. 1805
- Foto oben links: Michel Neys Geburtshaus in der Bierstraße (früher Biergasse) in Saarlouis. Das Haus ist heute ein Restaurant mit dem Namen "Auberge Maréchal Ney". Fotograf: Florian Russi
- Bild Mitte links: Marschall Ney im Kampf. Ölgemälde von Eugène Battaille nach Jérome-Martin Langlois
- Bild Mitte rechts: Marschall Ney unterstützt die Truppen beim Rückzug von Moskau. Gemälde von Adolphe Yvon
- Foto Mitte links: Statue des Marschall Ney auf der Halbinsel "Halber Mond" in Saarlouis. Fotograf: Florian Russi
- Bild rechts: Marschall Ney nach Charles Cook (Mitte des 19. Jh.)
- Bild unten links: Drei Söhne des Marschall Ney. Ölgemälde von Marie-Èléonore Godefroid (1810)
- Foto unten rechts: Die militärische Karriere von Michel Ney eingraviert in den Sockel seiner Statue in Paris. Urheber/Fotograf: Jebulon (gemeinfrei).

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