Änne Meier oder Hänze Ännchen, wie sie in Baltersweiler genannt wurde, war eine katholische Volksschullehrerin, Fürsorgerin und KZ-Häftling.
Sie wurde am 3. Januar 1896 in Baltersweiler, heute ein Ortsteil von Namborn im Kreis St.Wendel, als fünftes von sieben Kinder der Eheleute Johann Meier und Katharina, geb. Klein, geboren. Die Familie war stark geprägt durch ihren katholischen Glauben und zeigte darüber hinaus über Generationen hinweg ein ausgeprägtes Engagement im kommunalpolitischen Bereich.
Änne Meier durchlief als Mädchen eine für die Zeit vor dem 1. Weltkrieg und die ländliche Umgebung sehr gute schulische Ausbildung. Sie dürfte wohl die Erste im Dorf gewesen sein, die die höhere Mädchenschule in St. Wendel besuchen konnte und erfolgreich durchlief. Danach besuchte sie während des Ersten Weltkriegs von 1914 bis 1917 das Staatliche Lehrerinnenseminar in Saarburg. Lehrerinnen mussten seinerzeit die vertragliche Verpflichtung eingehen, ihren Beruf nach der Hochzeit aufzugeben, daher entschied sich Änne für die Ehe- und Kinderlosigkeit.
Von 1917 bis 1919 erhielt Änne Meier ihre erste Anstellung als Aushilfslehrerin in Brücken bei Birkenfeld. Nach Kriegsende kamen etliche Lehrer „aus dem Feld" zurück und beanspruchten ihre ursprünglichen Positionen an ihren Schulen. Dadurch wurde die Zahl der Lehrer zu groß, und Änne Meier musste als Junglehrerin aus dem Schuldienst ausscheiden.
Da nach dem Krieg die staatliche Fürsorge auf Grund der Kriegsfolgen neu ausgerichtet werden musste, begann sie 1919 ein Studium der Sozialpädagogik, -wirtschaft und -hygiene an der Katholischen Sozialen Frauenschule in Heidelberg. Nach Abschluss des Studiums arbeitete sie ab 1921 im Kreiswohlfahrtsamt Homburg und ab 1925 beim Amt in St. Ingbert.
In Heidelberg erhielt sie Zugang zur Katholischen Soziallehre durch engeren Kontakt mit dem katholischen Priester Romano Guardini¹ und weiteren Mitgliedern der katholischen liturgischen Erneuerungsbewegung.
In der Zeit der aufkommenden nationalsozialistischen Ideologien engagierte sich Änne Meier im Bund katholischer Pfadfinder und betreute dort mehrere Gruppen in der Pfalz und in Baden. Weiterhin vervielfältigte sie Hirtenbriefe und Predigten des Münsteraner Bischofs und NS-Gegners Clemens August Kardinal Graf von Galen², dem „Löwen von Münster", was in Zeiten der NS-Diktatur mit erheblichem persönlichem Risiko verbunden war.
Etwa um 1930 widmete sich Änne Meier dem Krankheitskomplex der Tuberkulose, einer Krankheit, die damals als unheilbar galt. Bei ihren Untersuchungen legte sie auch erbbiologische Stammbäume an, die möglicherweise Erbkrankheiten hätten nachweisen können. Entsprechend der NS-Ideologie, die körperlich und geistig geschädigte Menschen als „unwertes Leben" brandmarkte und auslöschen wollte, war dieses Material für die NS- Rassenhygieniker/Eugeniker hochinteressant. Obwohl sie durch ihre Vorgesetzten erheblich unter Druck gesetzt wurde, weigerte sie sich, ihr Material herauszugeben.
Als Folge wurde sie von der Gestapo 1942 auf der Lerchesflur in Saarbrücken in Einzelhaft gesetzt. In der Begründung hieß es: „... wegen fanatischen Einsatzes für die katholische Aktion, dadurch dass sie Hetzbriefe vervielfältigte und weiterverbreitete und so den Zusammenhalt zwischen Front und Heimat zu untergraben unternimmt." Am 11. April 1942 wurde Änne Meier als politischer Häftling in das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück verlegt und erhielt die Häftlingsnummer 10 397. Nach der Befreiung durch die Rote Armee 1945, schlug sie sich bis zu ihrem Heimatort durch.
Ab Oktober 1945 arbeitete Meier wieder in ihrem ursprünglichen Beruf als „Fürsorgerin" im Landratsamt des Kreises St. Wendel. Sie engagierte sie sich im saarländischen Landesverband der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) und als Gründungsmitglied des Adolf-Bender-Zentrums und dessen Trägerverein Verein zur Förderung Demokratischer Traditionen. Auch im christlich-katholischen Bereich wirkte sie als Mitbegründerin der Pax-Christi-Bewegung des Bistums Trier. 1988 wurde ihr das Bundesverdienstkreuz verliehen. 1989 starb Änne Meier im Alter von 93 Jahren. Ihre Ruhestätte befindet sich auf dem Friedhof in Baltersweiler.
In ihrem Heimatort Baltersweiler wurde eine Schule nach ihr benannt. Die Änne-Meier-Schule ist eine Schule für Kinder und Jugendliche mit Förderbedarf im Bereich geistiger Entwicklung. Im Mai 2014 wurde ein Platz in der Ortsmitte ihres Heimatdorfs Baltersweiler nach Änne Meier benannt.
Anmerkungen:
¹ Romano Guardini, * 17. Februar 1885 in Verona; † 1. Oktober 1968 in München war ein katholischer Priester, Religionsphilosoph und Theologe. Er gilt als einer der bedeutendsten Vertreter der katholischen Weltanschauung des 20. Jahrhunderts.
² Clemens Augustinus Joseph Emmanuel Pius Antonius Hubertus Marie Graf von Galen; 1878-1946; 2005 selig gesprochen.