Pfingstsamstag 1965. Tatort: Stadion Ludwigspark Saarbrücken. Strahlender Maientag, 26 000 Zuschauer. Aufstiegsrunde zur höchsten Fußball-Liga: 1. FC Saarbrücken gegen Bayern München! Interimstrainer beim 1. FCS: Jupp Derwall, damals 38, von seinem Arbeitgeber Saarländischer Fußballverband „ausgeliehen". Stopper (so die damalige Bezeichnung) beim FC Bayern: Franz Beckenbauer, gerade 19 Jahre jung.
Derwall gegen Beckenbauer - die erste Begegnung zwischen zwei Männern, der viele weitere Begegnungen folgen sollten. Eine bedeutsame davon 19 Jahre später: 1984 nach der für Deutschland mißratenen Europameisterschaft in Frankreich trat der Bundestrainer Derwall seinen Rückzug vom DFB an, Teamchef Beckenbauer wurde sein Nachfolger.
Aus dem ersten Treffen im Mai ‘65 war Jupp Derwall als Sieger hervorgegangen. In der 43. Minute des Aufstiegsspiels flankte Walter Gawletta von rechts, Emil Poklitar wuchtete in der Mitte mit dem Kopf den Ball ins Netz. Vorbei am „Stopperriesen Beckenbauer" (so stand es in der Zeitung) und am Jung-Torhüter Sepp Maier. 1:0 auch nach 90 Minuten für Saarbrücken und Bayern-Trainer Tschik Cajkovski beklagte radebrechend das Schusspech von Gerd Müller (,‚Kleines, dickes Müller heute ohne Glück") und nannte seinen Bezwinger Jupp Derwall „eine große Mann".
Jupp Derwall und Franz Beckenbauer sind sich häufig begegnet. Mit unterschiedlichen Aufgaben. Den Bundestrainer Derwall zum Beispiel beobachtete das bayrische Ball-Genie als Zeitungskolumnist. Trotz des überraschenden Seitenwechsels auf dem nationalen Spielfeld 1984 wurde die Männerfreundschaft nicht ernsthaft getrübt. Jupp Derwall, rheinische Frohnatur aus Würselen, hatte in seinen sechs Jahren auf dem deutschen Fußball-Feldherrnhügel statistisch viel Erfolg eingeheimst: 23 Länderspiele am Stück ungeschlagen, Europameister (1980), Vizeweltmeister (1982). Keine Zweifel gab es an seiner fachlichen Fähigkeit. Seine Gutmütigkeit wurde zum Stolperstein: Zuviel Vertrauensvorschuß für hartgesottene Profis, Der „Spiegel" schrieb von einem „selbstzerstörerischen Harmoniebedürfnis".
Seine psychischen Blessuren, die dem guten Kumpel Jupp daheim zugefügt worden waren, wurden wundersam am Bosporus geheilt: Nach dem Abschied vom DFB 1984 Cheftrainer beim türkischen Renommierklub Galatasaray Istanbul. Zweimal Landesmeister, zweimal Pokalsieger, viermal Supercup-Gewinner, Halbfinale im Europacup der Landesmeister; nach dem Klub-Engagement Berater der türkischen Nationalmannschaft.
„Die schönsten Jahre unseres Lebens" nennen Jupp Derwall und seine Frau Elisabeth die Zeit in Istanbul. Der namhafte deutsche Trainer erhielt von der angesehenen Haceteppe-Universität in Ankara die Ehrendoktorwürde: Dr. h. c. Josef Derwall, hervorragender Botschafter des Fußballs und des ganzen Sportes der Bundesrepublik Deutschland! Begründung: Verdienste um Sport und Erziehung in der Türkei, Förderung des türkischen Ansehens im Ausland und der deutsch-türkischen Freundschaft. Dem Jugendaustausch zwischen beiden Ländern hat Derwall den entscheidenden Schub gegeben; er erhielt den Titel „Botschafter des guten Willens". Die FAZ kommentierte: ‚Aus der Flucht wurde ein neuer, beinahe märchenhaft anmutender Aufstieg!"
Daheim schlug die Häme in Beifall um. Der Fußball-Diplomat hatte viel mehr für sein Land getan, als es der Gewinn eines sportlichen Wettbewerbs sein kann.
Das Saarland und das schmucke Haus in St. Ingbert waren für den umtriebigen Rheinländer Jupp Derwall und seine schweizerische Ehefrau Elisabeth zur Heimat geworden. „Hier gefällt es uns gut, hier haben wir viele Freunde". Der Erfolgstrainer starb am 26. Juni 2007 in St. Ingbert.
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