Saarland-Lese

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Saarbrücken

Die 99 besonderen Seiten der Stadt

Rita Dadder und Florian Russi

Saarbrücken, Landeshauptstadt des Saarlandes und unmittelbar an der deutsch-französischen Grenze gelegen, ist eine Stadt mit vielen Reizen. Es hat eine lange und wechselvolle Geschichte. Von Goethe wurde es besucht und beschrieben und von Kaiser Barbarossa teilweise zerstört. Heute ist Saarbrücken eine moderne Metropole mit Universität, Museen und vielfältiger Kultur. Hier lebt man nach der Devise: »Wir wissen, was gut ist«, ist gastfreundlich und lässt sich gerne »entdecken«.


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Berndt Seite

Augentrost

In den vielen Werkstätten des Anthropozän zieht Berndt Seite an den Fäden des Moments und befragt mit ihnen den längst abhanden geratenen Sinn des Lebens.

Die Kelten an Blies und Saar

Die Kelten an Blies und Saar

Herbert Kihm

Im Land der Mediomatriker

Die heldenhaften Krieger der Kelten sind jedem Asterix-Leser bestens bekannt aber auch der „klassisch gebildete" Bürger meiner Generation hatte noch in seinem Lateinunterricht diese Zeilen auswendig zu lernen und kann sie -hoffentlich- noch heute rezitieren: „Gallia est omnis divisa in partes tres, quarum unam incolunt Belgae, aliam Aquitani, tertiam qui ipsorum lingua Celtae, nostra Galli appellantur." (Ganz Gallien ist in drei Teile geteilt, von denen einen die Belger bewohnen, den anderen die Aquitanier und den dritten jene, welche in ihrer eigenen Sprache Kelten, in unserer Gallier genannt werden).

Wenig wissen wir aber bis heute über dieses Volk, denn je nach Fachgebiet oder Sichtweise bezeichnet der Begriff Kelten entweder eine mittel- und westeuropäische Sprachengemeinschaft, Siedlungsgemeinschaften mit einer ähnlichen materiellen Kultur oder Volksstämme mit denselben Gebräuchen und Glaubensvorstellungen. Erschwert wird die Bestimmung durch das fast vollständige Fehlen von Schriftzeugnissen der als keltisch angenommenen Kulturen aus der Zeit vor der Romanisierung ihrer Siedlungsgebiete. So erschließen sich Kenntnisse über die frühen keltischen Kulturen hauptsächlich über archäologische Funde und einzelne allgemein gehaltene Berichte griechischer und römischer Chronisten.

Beschränken wir uns also auf Funde im Saarland, wozu so herausragende Zeugnisse wie der Hunnenring bei Otzenhausen und das Fürstinnengrab von Reinheim.* gehören.

 Blick auf das Hügelgrab der Keltenfürstin im Europäischen Kulturpark Bliesbruck-Reinheim
Blick auf das Hügelgrab der Keltenfürstin im Europäischen Kulturpark Bliesbruck-Reinheim

Wir befinden uns in der Latène-Zeit, die der Hallstattkultur folgt, einer Epoche der Eisenzeit. Die Latène-Kultur (ab ca. 480 v. Chr. bis 40 bzw.1 v. Chr., je nach Region), deren Kunststile durch mediterrane und osteuropäische Vorbilder (etruskische, griechische und skythische Einflüsse) geprägt sind, stellt die letzte Blüteperiode keltischer Kultur dar. So mächtig sie im Südwesten vor über 2500 Jahren auch waren: als die Römer nach Süddeutschland kamen, verschwand dieses Volk aus der Geschichte. Unsere Region, d.h. das heutige Ostfrankreich, Saarland und Rheinland-Pfalz mit dem Hauptort Divodorum Mediomatricum (Metz), bewohnten damals die Mediomatriker.

In dieser Epoche der Menschheit brachte der tiefgreifende technische Fortschritt der Eisenverarbeitung beträchtliche Veränderungen in nahezu allen Lebensbereichen mit sich. Die Brandbestattungssitte der Spätbronzezeit wird nun durch die Sitte der Körperbestattung unter Grabhügeln abgelöst. Das Totenritual - soweit rekonstruierbar - wird man sich etwa so vorstellen dürfen: Nachdem der Platz für den vorgesehenen Grabhügel vorbereitet war, wurde die verstorbene Person in einer sargähnlichen Konstruktion beigesetzt. All das, was der Tote an Waffen, Kleidung, Schmuck, Speise und Trank im Jenseits benötigte, wurde mit ins Grab gegeben. Über die Holzkonstruktion wurden dann dicke Kalksteine gelegt. Über diese Steinabdeckung wurde schließlich ein Erdhügel als weithin sichtbares Grabmonument aufgeschüttet. Manchmal begrenzte den Hügelfuß ein Steinkranz, der den heiligen Bezirk der Grabstätte symbolisch von dem Profanen, dem Weltlichen abgrenzte.

Abguss des "Reinheimer Pferdchens" auf dem Deckel der "Reinheimer Kanne"
Abguss des "Reinheimer Pferdchens" auf dem Deckel der "Reinheimer Kanne"

Das Fürstinnengrab von Reinheim

Der Saarpfalz-Kreis lässt sich kulturell einer westlichen Hallstattgruppe zuordnen, welche die Pfalz, das südöstliche Saarland, die Nordwestschweiz und Ostfrankreich umfasst. Innerhalb dieser westlichen Hallstattgruppe bilden die Südpfalz, das südöstliche Saarland und Lothringen wiederum eine kleinräumige, regionale Einheit.

Die sich an die Hallstattzeit anschließende Latènezeit (450-50 v. Chr.) wird allgemein als Zeit der Kelten bezeichnet. Aus einer Reihe sehr reich ausgestatteter, sogenannter „Fürstengräber" und zahlreichen aufwändig befestigten Höhensiedlungen wird von vielen Archäologen für die Frühlatènezeit der Schluss gezogen, es habe eine starke soziale Gliederung bestanden mit einer kleinen Zahl von „Fürsten" an der Spitze. Diese hätten Bauern und Handwerker ihres Territoriums ebenso kontrolliert wie den Fernhandel. Sie seien in der Lage gewesen, ihre Macht an ihre Nachkommen zu vererben und hätten mit Hilfe importierter Luxusgegenstände den Lebensstil der etruskischen und griechischen Oberschicht kopiert. Andere Forscher sehen hinter den Prunkgräbern eher Adelige oder Häuptlinge mit nur temporärer Macht und begrenzter Kontrolle über Personen und Territorien.

Die "Reinheimer Kanne"
Die "Reinheimer Kanne"

Zu den berühmtesten und schönsten Fundkomplexen in ganz Mitteleuropa zählt das Fürstinnengrab von Reinheim (um 400 v.Chr., Frühlatène A), das zufällig beim Kiesabbau entdeckt wurde. Unter einem mächtigen Grabhügel von 23 m Durchmesser und 4,60 m Höhe war in einer hölzernen Grabkammer eine Frau aus der damaligen Oberschicht bestattet worden. Eine begehbare Rekonstruktion der Grabkammer auf dem Gelände des Europäischen Kulturparks Bliesbruck-Reinheim vermittelt einen Eindruck der ursprünglichen Situation.

Das Skelett war im stark kalkzehrenden Milieu des Kiesbodens vollständig vergangen, aber die reichen Beigaben sind zum großen Teil erhalten geblieben. Außer ihrer Schmucktracht, die aus einem goldenen Halsring, zwei Armringen und Fingerringen aus Gold, Armreifen aus Ölschiefer und Glas sowie mehreren Fibeln aus Gold, Bronze und Koralle, einem Ensemble aus Bernsteinperlen, Glasperlen, einer Gürtelkette, Anhängerfiguren und anderen Utensilien bestand, waren ihr außerdem ein seltener Bronzespiegel (magische Bedeutung?), ein Eisenmesser, ein Bernsteinstab unklarer Funktion (Zeremonienstab?) und ein mehrteiliges Trinkgeschirr bestehend aus zwei Bronzeschalen, den Goldbeschlägen zweier Trinkhörner und einer mehr als bemerkenswerten bronzenen Röhrenkanne beigelegt.

Vor- und Frühgeschichtlicher Fund aus dem Saarland
Vor- und Frühgeschichtlicher Fund aus dem Saarland

Archäologische Bedeutung der Grabbeigaben

Der Halsring:
Er gehörte zu den eindrucksvollsten Grabbeigaben. Es handelt sich um einen offenen, tordierten Halsring, der in seiner Machart einzigartig ist, da es kein vergleichbares Objekt aus dieser Epoche gibt. Ähnliche Exemplare fand man in Mottola (Sizilien) und im Panaiongebirge in Makedonien. Diese Exemplare sind jedoch deutlich jünger.

Die Armringe:
Sie zeigen Darstellungen, die dem griechischen Pantheon zugeordnet werden können. So werden die Bilder der Göttinnen Artemis und Athene ikonographisch mit einer unbekannten einheimischen Gottheit verschmolzen. Der offene, hohlstabige Armring zeigt noch eine weitere Einzigartigkeit: alle Einzelteile sind zunächst gegossen, mit einziselierten, eingepunzten und teilweise eingravierten Details versehen und schließlich mit einer unbekannten Fügetechnik miteinander verbunden.

Fürstin, Priesterin oder reiche Dame?

Diese Frage ist bis heute nicht geklärt. Fürsten im spätmittelalterlichen Sinne gab es in der Latènezeit sicher nicht, aber sicherlich war sie eine reiche Dame und eine Angehörige der lokalen oder regionalen Herrschaftselite. Die Grabbeilagen sind andererseits mit religiös motivierter Symbolik derart dicht angefüllt, dass es das normale Maß einer keltischen Fürstenbestattung übersteigt und auf eine besondere Rolle der Reinheimer Keltenfrau verweist. Vielleicht ist die Verstorbene eine Priesterin (Druidin) gewesen, die Zukunftsschau (Seherin) und dionysische Weinsitten gepflegt hat. Auf jeden Fall hat diese Frau eine hervorgehobene soziale Stellung gehabt und wurde nach ihrem Tod respekt- und huldvoll bestattet.

 

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* Weblink: Europäischer Kulturpark Bliesbruck-Reinheim

Bildquellen:
1. Oben rechts. Blick auf des Hügelgrab der Keltenfürstin im Europäischen Kulturpark Bliesbruck-Reinheim, Urheber: Anna16, CC-BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons
2. Abguss des "Reinheimer Pferdchens" auf dem Deckel der "Reinheimer Kanne" (Grabhügel des Fürstinnengrabes), EPei, CC-BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
3. "Reinheimer Kanne", Replikat des Originals, Urheber EPei, CC-BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
4. Vor- und Frühgeschichtlicher Fund aus dem Saarland, Urheber: SP2011, CC-BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Vorschaubild: Ausschnitt aus 3. "Reinheimer Kanne"

 

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