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Saarbrücken

Die 99 besonderen Seiten der Stadt

Rita Dadder und Florian Russi

Saarbrücken, Landeshauptstadt des Saarlandes und unmittelbar an der deutsch-französischen Grenze gelegen, ist eine Stadt mit vielen Reizen. Es hat eine lange und wechselvolle Geschichte. Von Goethe wurde es besucht und beschrieben und von Kaiser Barbarossa teilweise zerstört. Heute ist Saarbrücken eine moderne Metropole mit Universität, Museen und vielfältiger Kultur. Hier lebt man nach der Devise: »Wir wissen, was gut ist«, ist gastfreundlich und lässt sich gerne »entdecken«.


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Mitgelaufen

Christoph Werner

Das Buch „Mitgelaufen“ ist nicht wie andere Bücher über das Leben in der DDR. Hier liegt nicht der Fokus auf Mangelwirtschaft, einer allmächtigen Partei und der Staatssicherheit. Der Autor ist auch kein Opfer des Regimes, dem schreckliches widerfahren ist. Er gehört zu der großen Masse derjenigen, die sich als Rädchen im Mechanismus der DDR-Diktatur gedreht haben. Christoph Werner bricht mit seinem Buch das Schweigen der Mitläufer. Er stellt sich seiner eigenen Vergangenheit und dem Wissen, dass er selbst durch seine Zurückhaltung oder auch lautstarke Zustimmung das alte System lange am Leben erhalten hat. Jahrzehnte nach dem Mauerfall eröffnet er damit vor allem der heranwachsenden Generation, welche die DDR nur noch vom Hörensagen kennt, einen ganz neuen Blickwinkel auf ihre Geschichte.

Ohne Anklage und ohne den Versuch der Rechtfertigung wagt er eine kritische Betrachtung aus dem eigenen Erleben und gewährt Einblicke in eine vergangene Zeit.
Möge der Leser nicht mit dem Zeigefinger auf ihn zeigen, sondern sich fragen, wie oft er heute selbst dem Mainstream folgt oder mutig zu sich selbst und seiner Meinung steht.

Die Kirche zu den Hl. Schutzengeln in Schaffhausen

Die Kirche zu den Hl. Schutzengeln in Schaffhausen

Hans Herkes

Eine saarländische Bauhauskirche

Wie haben wir als Kinder eine Kirche gezeichnet? Ein Rechteck: das Schiff, ein Trapez: das Dach, ein hochstehendes Rechteck mit einem spitzwinkligen Dreieck: der Glockenturm. Karikaturisten machen es immer noch so, und man erkennt, was gemeint ist. So oder ähnlich sehen viele Kirchen aus, die zwischen dem 1870er Krieg und dem Ersten Weltkrieg im saarländischen und auch im lothringischen Industrierevier gebaut wurden, als die Dörfer durch Zuzug aus den ländlichen Nachbargebieten größer oder neu gegründet wurden. Für viele von ihnen hatte der aus Roden stammende Architekt Wilhelm Hector die Pläne gemacht; allein in der näheren Umgebung von Schaffhausen, wovon die Rede sein wird, kommt man leicht auf ein halbes Dutzend: Püttlingen, Köllerbach, Geislautern, Wehrden, Fraulautern, Differten. Alle sind mehr oder weniger an mittelalterliche Formen angelehnt, die einen mit romanischen, andere mit gotischen Anklängen. Es sind oftmals schöne Bauwerke, in denen sich die Gläubigen während der Gottesdienste wohlfühlen konnten.
Pfarrkirche Zu den Heiligen Schutzengeln in Schaffhausen (1954)
Pfarrkirche Zu den Heiligen Schutzengeln in Schaffhausen (1954)
Von den sechs Dörfern, die zur Gemeinde Wadgassen gehören, bekamen zwei ihre Kirche in der besagten Zeit: Wadgassen Mariä Heimsuchung 1880-1882 und Differten St. Gangolf 1891-1893, und sie entsprechen dem historisierenden Schema. Die vier anderen wurden zwischen den Weltkriegen gebaut, drei in den zwanziger Jahren: Herz Jesu in Hostenbach 1922-1923, St. Antonius von Padua in Werbeln 1923-1924, St. Franziskus in Friedrichweiler 1925-1926 und zuletzt Zu den Hl. Schutzengeln in Schaffhausen 1933-1934. Keine von ihnen erinnert so stark wie die beiden anderen an mittelalterliche Bauformen. Die Schaffhauser Kirche ist die einzige, die im „Du Mont Kunst-Reiseführer Das Saarland" erwähnt wird. Auf Seite 184 liest man: „Die katholische Pfarrkirche ‚Zu den Heiligen Schutzengeln' im Ortsteil Schaffhausen, 1933/34 noch in der Saargebietszeit entstanden, gehört zu den letzten deutschen Bauhauskirchen der Vorkriegszeit."
Das Stahlgerüst für die Kirche lässt die spätere Form erkennen (1934)
Das Stahlgerüst für die Kirche lässt die spätere Form erkennen (1934)

Den Anstoß zum Kirchenbau in Schaffhausen gab Dechant Ludwig, Pfarrer in Wadgassen, im Jahr 1930. Ein Kirchbauverein wurde gegründet, ein Vorstand gewählt, 1. Vorsitzender: der Dechant, 2. Vorsitzender: ein Lehrer usw., unter den Beisitzern die einzige Frau: Johanna Abel, die Vorsitzende des katholischen Frauenvereins, besser bekannt im Dorf als „Tant' Hannchen". Vielleicht kennen die älteren Schaffhauser den Namen noch aus den Erzählungen ihrer Eltern oder Großeltern. Sie gehörte zu den ca. 40 Sammlerinnen und Sammlern, die in den umliegenden Pfarreien von Haus zu Haus gingen und Spenden erbaten. Zu den Vereinsbeiträgen und Kollekten kam eine bedeutende Zuwendung der Mutterpfarrei Wadgassen.

Wohin baut man ein neues Gotteshaus? Der Platzbedarf für Kirche, Pfarrhaus und eventuell eine Freifläche ist erheblich. Das Dorfzentrum war eng bebaut. Die Lösung ergab sich auf einer kleinen Anhöhe in der Fortsetzung einer neu angelegten Straße, damals ein wenig außerhalb des Ortskerns. Heute könnte man vermuten, die Stelle sei mit Bedacht und im Hinblick auf die Zukunft gewählt worden: Kirche, Pfarrhaus, Pfarrheim, Kindergarten und Dorfplatz sind von Straßen umgeben, die in den letzten Jahrzehnten angelegt wurden.

Der Kirchbau ist fertig (1934)
Der Kirchbau ist fertig (1934)

Als man nach den Plänen der Saarbrücker Architekten Weihs und Schultheiß im Juni 1933 mit dem Kirchbau begann, war ringsum noch alles frei, und mancher alte Schaffhausener wird mit Staunen oder, je nach Einstellung, mit Kopfschütteln vom Dorfbrunnen im Tal den Hügel hinauf geblickt haben. Sollte das eine Kirche oder eine Fabrikhalle werden? In achtzehn Tagen wuchs ein Stahlgerüst empor, das die Gestalt des zukünftigen Baus erkennen ließ, nicht einmal das hohe Kreuz über der Fassade fehlte. Die Stahlbaufirma Seibert aus Saarbrücken führte die Arbeiten aus mit Material, das die Völklinger Hütte zu einem Vorzugspreis geliefert hatte. Die Architekten hatten sich zu dieser Bauweise entschlossen nicht nur, weil sie ein modernes Gebäude errichten wollten, sondern auch um möglichen Grubenschäden vorzubeugen. Unter Schaffhausen war in der Vergangenheit von der Grube Hostenbach aus Kohle abgebaut worden. Deshalb sollten 65 Tonnen Stahl ein sicheres Trägergerippe für die neue Kirche bilden. Am 10. September 1933 wurde der Grundstein gelegt. In der Urkunde heißt es an erster Stelle, dass dies der letzte Tag der Ausstellung des Heiligen Rockes in Trier sei. Dann folgt wie üblich die Aufzählung der Repräsentanten von Kirche und Staat: Papst Pius XI., Bischof Franz Rudolf Bornewasser von Trier, ... Reichspräsident Paul von Hindenburg, Reichskanzler Adolf Hitler, der Engländer Geoffrey Knox als Präsident der Völkerbundsverwaltung des Saargebiets ... . Der Rohbau wurde noch vor dem Winter fertig, dann ruhte die Arbeit, bis im Frühjahr 1934 der Innenausbau begann. Am 7. Oktober 1934 wurde der erste Gottesdienst gehalten.

Der Erzengel Raphael begleitet den jungen Tobias - Wandbild über dem rechten Seitenaltar
Der Erzengel Raphael begleitet den jungen Tobias - Wandbild über dem rechten Seitenaltar

Warum Bauhauskirche? Ob man während Planung und Bau davon sprach, ist nicht bekannt. Jedoch ist der Einfluss dieser neuen Stilrichtung unverkennbar. Nicht nur die verwendeten Baustoffe Stahlskelett, Beton, Schlackensteine deuten darauf hin, sondern auch die betont sachliche Form, der Verzicht auf schmückendes Beiwerk. Entstanden ist ein imponierendes Bauwerk - wenn auch noch ohne Turm, er wurde erst 20 Jahre später errichtet - dessen Bedeutung für das Dorf durch seine Lage auf einer kleinen Anhöhe unterstrichen wird.

„Zu den Heiligen Schutzengeln" wurde die Kirche genannt. Es gibt weit und breit keine andere, die den himmlischen Schutzgeistern der Menschen geweiht ist. Man ist versucht zu sagen: ein ahnungsvoller Name für das Gotteshaus, das im letzten Jahr vor Anbruch der Naziherrschaft über das Saargebiet und fünf Jahre vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges fertig gestellt wurde. Im September 1939 wurde der Rote Zone genannte Grenzstreifen geräumt. Ein Jahr lang standen die Häuser leer, gab es keinen Gottesdienst in der neuen Kirche. Anders im Herbst 1944. Zwar verließen die meisten Familien das Dorf, als man den Donner der amerikanischen Geschütze von Lothringen her hörte, aber einige blieben zurück, mit ihnen der Pfarrer. Er verließ seinen Platz nicht, so lange noch Angehörige seiner Pfarrei da waren. An Weihnachten 1944 - die Amerikaner hatten das Dorf bereits Anfang Dezember besetzt - konnte er für die wenigen Zurückgebliebenen den Weihnachtsgottesdienst in der Kirche halten. Wieder unter deutscher Herrschaft, lag Schaffhausen bis in den März hinein unter amerikanischem Beschuss. Viele Häuser wurden ganz oder teilweise zerstört, die Kirche nur leicht beschädigt. Um eine geläufige Redewendung zu gebrauchen: Hatte sie einen guten Schutzengel?

Kirchenfenster "Engel bei der Himmelfahrt"
Kirchenfenster "Engel bei der Himmelfahrt"

Betritt man die Kirche durch den Haupteingang in der Mitte der Fassade, so geht man unter einem Tympanon durch, dessen Relief eine Schutzengelszene zeigt. Engelsszenen aus dem Alten und dem Neuen Testament sind auch das Thema der meisten der vierzehn Fenster, die den Innenraum erhellen. Sie sind schmal, aber sehr hoch, eine Herausforderung für den Glasmaler, der die Figuren nicht nebeneinander stellen kann, sondern übereinander anordnen muss, wodurch die Bilder an Dynamik gewinnen. Über dem rechten Seitenaltar zeigt ein Wandbild den Erzengel Raphael, der den jungen Tobias auf seiner Wanderung begleitet und beschützt.

Solange die Schaffhauser Katholiken keine eigene Kirche hatten, besuchten sie den Sonntagsgottesdienst in Wadgassen „Mariä Heimsuchung" ebenso wie die Hostenbacher vor 1923. Die Straßen aus den beiden Orten treffen wenige hundert Meter vor dem Ziel auf die Provinzialstraße, im örtlichen Sprachgebrauch die Chaussee. Das letzte Stück gemeinsamen Weges war für Verwandte und Bekannte aus beiden Dörfern eine Gelegenheit, Neuigkeiten auszutauschen, wenn man sich während der vergangenen Woche nicht gesehen hatte. Der Kirchweg der Schaffhauser führte an der evangelischen Kirche vorbei. In der Bürgermeisterei Wadgassen ist Schaffhausen das einzige Dorf mit zwei Kirchen. Zur evangelischen Pfarrei gehören alle Dörfer im Bisttal von Wadgassen bis Überherrn.

*****

Quellen:
Die beiden Festschriften:
- 40 Jahre Schutzengelkirche Schaffhausen
- 60 Jahre „Zu den Hl. Schutzengeln" Schaffhausen, 70 Jahre „St. Antonius von Padua" Werbeln
sowie
- alte Aufzeichnungen in Familienbesitz

Alle Bilder sind entnommen der Website der „Kirche zu den Hl. Schutzengeln Schaffhausen" - mit freundlicher Genehmigung

 

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Girststraße 26
66787 Wadgassen

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