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Saarbrücken

Die 99 besonderen Seiten der Stadt

Rita Dadder und Florian Russi

Saarbrücken, Landeshauptstadt des Saarlandes und unmittelbar an der deutsch-französischen Grenze gelegen, ist eine Stadt mit vielen Reizen. Es hat eine lange und wechselvolle Geschichte. Von Goethe wurde es besucht und beschrieben und von Kaiser Barbarossa teilweise zerstört. Heute ist Saarbrücken eine moderne Metropole mit Universität, Museen und vielfältiger Kultur. Hier lebt man nach der Devise: »Wir wissen, was gut ist«, ist gastfreundlich und lässt sich gerne »entdecken«.


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Florian Russi
Papier gegen Kälte

Manfred Hoffmann, ehemals Klassenbester, ist ein angesehener Kinderarzt mit eigener Praxis und strebt nach dem Professorentitel. Stets bemüht, allen in ihn gesetzten Erwartungen zu entsprechen, steuert sein Leben in eine Sackgasse. Die jahrelange wissenschaftliche Arbeit erweist sich plötzlich als vergebens, sein Karriereaufstieg ist gefährdet, seine Ehe gescheitert, alle Erwartungen enttäuscht. Auf der Suche nach Genugtuung und nach Rechtfertigung begibt er sich auf Wege, die gefährlich weit in die Netze der organisierten Kriminalität ziehen.

Eine packende Mischung aus Entwicklungsroman und spannendem Thriller.

auch als E-Book erhältlich

Der gute Mottel

Der gute Mottel

Rita Dadder


Folgt man dem Rundweg „Historischer Halberg“ vom Parkplatz aus durch den Wald, so stößt man bald nach dem Mithrasheiligtum aus der Römerzeit auf einen recht unscheinbaren Sandsteinblock mit stark verwitterter Inschrift, gewidmet einem jungen Mann, der offenbar ein Stück unterhalb dieser Stelle in der Saar ertrank. Es ist nicht viel bekannt über den in Blieskastel geborenen Model Marx Cahen, genannt „der gute Mottel“. Laut Sterbeurkunde stand er in Diensten des Fuhrunternehmers Johann Hirsch und ertrank im Mai 1810 beim Tränken der Pferde.

Doch macht der Stein neugierig. Was genau mag geschehen sein? Welches Unglück ist dem Jungen widerfahren? Warum wurde er als „der gute Mottel“ bezeichnet? Und warum machten sich seine Freunde die Mühe, diesen Stein hier für ihn aufzustellen und zu gravieren?

Vielleicht ist es so oder so ähnlich gewesen, wie im Folgenden beschrieben:

Pferdesymbol

Model Marx Cahen war der Älteste von 8 Geschwistern. Sein Vater war Pferdehändler gewesen und seine Familie lebte ursprünglich in einem hübschen Haus in der Barockstadt Blieskastel. Doch als der Junge 11 Jahre alt war, starb der Vater bei einem Unfall, und die Familie musste in eine kleine, baufällige Hütte am Rand der Stadt umziehen. Die Mutter versuchte, die Familie durch Näharbeiten zu ernähren, doch sie konnte noch so fleißig sein, es reichte nie, um die Kinder alle satt zu machen.

Model liebte seine Familie und wollte gern arbeiten, um sie zu unterstützen. Schon seit dem Tod des Vaters hatte er versucht, durch kleine Gelegenheitsarbeiten zum Familienunterhalt beizutragen, doch er war ein zarter Junge und die harte körperliche Arbeit, die überall verlangt wurde, schaffte er kaum. Er war immer schon gern im Freien gewesen, hatte sich schon als kleiner Bub gern im Wald aufgehalten und liebte vor allem Tiere. Vögel verloren bei ihm rasch ihre Scheu, Katzen liefen ihm zu und selbst als bissig verschriene Hunde ließen sich von ihm streicheln. Besonders gut aber konnte Model mit Pferden umgehen, und da er seinem Vater von klein auf bei seinen Geschäften geholfen hatte, wusste er auch viel über die richtige Versorgung der Tiere.

So war er glücklich, als kurz vor seinem 15. Geburtstag ein entfernter Vetter seines Vaters, der Saarbrücker Fuhrunternehmer Johann Hirsch, nach Blieskastel kam und erklärte, dass er Model – nach einer angemessenen Probezeit – gern als Pferdeknecht einstellen wolle. Nun zeigte sich bald, dass der Junge wirklich eine glückliche Hand mit Pferden hatte; sein Dienstherr war sehr zufrieden mit ihm und Model konnte mit seinem Lohn seine Familie ordentlich unterstützen.

Model war in Saarbrücken bald in der ganzen Umgebung beliebt. Er war zu jedermann freundlich und hilfsbereit. Wenn er mit den Pferden unterwegs war, um Holz abzuholen oder zu liefern, war er oft von einer ganzen Schar kleiner Kinder umgeben. Sie riefen begeistert „Mottel“, „Mottel“, sobald sie ihn sahen. Er wiederum freute sich über die Begleitung der Kinder, ging liebevoll mit ihnen um und lehrte sie nebenbei auch den sanften und einfühlsamen Umgang mit den Pferden.

An einem sonnigen Mittwoch im Mai brachte „Mottel“, wie er inzwischen von allen gerufen wurde, wieder einmal mit zwei Pferden eine Anzahl von Baumstämmen vom Holzlagerplatz auf dem Halberg hinunter an die Saar. Vom Uferplatz, wo die Kinder gern auf den Baumstämmen balancierten, sollten die Stämme mit Flößen weitertransportiert werden. Mottel lud sein Holz sorgfältig ab und achtete darauf, dass die Stämme festen Halt hatten und nicht ins Wasser abrollen konnten. Leider waren aber nicht alle Fuhrleute, die hier Holz hier abluden, so sorgfältig. So geschah es, dass unter den Füßen der spielenden Kinder plötzlich eine Reihe von Stämmen den festen Halt verlor und ins Wasser abrutschte. Fast allen der erschrocken aufschreienden Kinder gelang es noch abzuspringen und sich auf festen Boden zu retten. Nur die kleine Anna, schaffte es nicht und wurde mit den Baumstämmen in die Saar gespült, wo sie sich, um nicht zu ertrinken, verzweifelt an einem treibenden Stamm festzuhalten suchte, jedoch dadurch in Gefahr geriet, von nachfolgenden Stämmen erschlagen zu werden. Mottel, vom Geschrei der Kinder aufmerksam geworden, sprang ohne weitere Überlegung sofort in den Fluss, der durch heftige Regenfälle in den vergangenen Tagen ungewöhnlich angeschwollen war. Er bekam das Mädchen zu fassen und, obwohl er nicht schwimmen konnte, gelang es ihm, das Kind nah ans Ufer zu bringen. Dort wurde er selbst jedoch unversehens von einem trudelnden Stamm so heftig am Kopf getroffen, dass er die Besinnung verlor und vom Wasser der Saar mitgerissen wurde. Seine Leiche wurde erst einige Tage später gefunden. Das kleine Mädchen hatte er jedoch so nahe ans Ufer gebracht, dass sie mit Hilfe einiger größerer Kinder sicher an Land kam.

Mottels Freunde, zu denen auch die Eltern der kleinen Anna gehörten, beschlossen voller Trauer, ihm ein Denkmal zu setzen, damit auch spätere Generationen an den „guten Mottel“ erinnert werden sollten.

Die Inschrift auf dem Stein am ehemaligen Holzlagerplatz lautet:

DENCKMAHL
DEM
UNGLÜCKLICHEN
GUTEN MOTTEL
ER ERTRANK D 16 MAI 1810
BEI SARBRÜKEN IN DER SAAR
SINES ALTERS 18 JAHR
ER WAR EIN GUTER HÜT
MENSCH
SANFT RUHE SEINE ASCHE

*****

Quellen:
- Saarländischer Rundfunk: Rundweg Historischer Halberg
- Fotos: Rita Dadder

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