Saarland-Lese

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Saarbrücken

Die 99 besonderen Seiten der Stadt

Rita Dadder und Florian Russi

Saarbrücken, Landeshauptstadt des Saarlandes und unmittelbar an der deutsch-französischen Grenze gelegen, ist eine Stadt mit vielen Reizen. Es hat eine lange und wechselvolle Geschichte. Von Goethe wurde es besucht und beschrieben und von Kaiser Barbarossa teilweise zerstört. Heute ist Saarbrücken eine moderne Metropole mit Universität, Museen und vielfältiger Kultur. Hier lebt man nach der Devise: »Wir wissen, was gut ist«, ist gastfreundlich und lässt sich gerne »entdecken«.


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Hans Lucke

Das Täubchen, dass den Igel küssen wollte

Geschichten für große und kleine Menschenkinder

Ein Marienkäfer auf der Suche nach seinem siebten Punkt, eine Ameise, die lieber ein Hund sein will, eine fernsehsüchtige Amsel und eine Hexe in der Straßenbahn. Erzählt werden die fantasievollen Geschichten von dem einstigen DNT-Schauspieler, Regisseur und Autor Hans Lucke. 

Angelika Merkelbach-Pinck

Angelika Merkelbach-Pinck

Stefan Schwall
Anke Meier

Die Märchen-Sammlerin

Von Spichern bis Salzburgen (Chäteau-Salins), von Lützelburg bis Rüttgen wandert eine Frau von 1930 bis 1939, immer im Herbst und Winter, um „den Märchen, Sagen, Legenden, Schwänken, Bräuchen nachzuspüren“. Es ist Angelika Merkelbach-Pinck, die spürt, dass es Zeit wird, dies alles festzuhalten, bevor es verlorengeht. Nichts kann sie abhalten. Weder Wetterunbill, noch Unwegsamkeit. Auch nicht das Misstrauen manches Lothringer Bauern oder gar militärisches Sperrgebiet der im Bau begriffenen Maginotlinie. An die 3000 Erzähl-Einheiten hält sie so fest: 2000 Sagen, 700 Sprichwörter, 100 Schwänke, 50 Legenden und über 120 Märchen aus der Region.

Ausgangspunkt ist das Hambacher Pfarrhaus ihres Bruders Louis Pinck, dort ordnet sie dann auch ihre Schätze. Oft schlägt ihr Misstrauen entgegen, alleine unterwegs und dann als Frau! Mit der Zeit geht es aber immer besser. Durch ihren Bruder, der in Deutsch-Lothringen bereits Liedgut sammelte, bekommt sie leichter Zugang zu den Leuten. Nachdem sie im „Metzer Katholischen Volksblatt“ und in der „Lothringer Volkszeitung“ volkskundliche Artikel verfasst hat, erreichen sie Briefe und Einladungen, sie fühlt sich berufen, es treibt sie „die Liebe zur Sache“.

Zu Beginn des letzten Jahrhunderts war die Märchen-Sammlerin im deutsch-lothringischen Raum unterwegs um Märchen, Sagen, Schwänken und Bräuchen nachzuspüren.
Zu Beginn des letzten Jahrhunderts war die Märchen-Sammlerin im deutsch-lothringischen Raum unterwegs um Märchen, Sagen, Schwänken und Bräuchen nachzuspüren.

Von Kindheit an ist sie verwurzelt in der Welt der Lothringer. Die 1813 geborene Großmutter erzählt von russischen Durchzügen, Hexen und Geistern. Der Vater erzählt ihr an Winterabenden vom Siebziger Krieg, seiner Gefangennahme in Metz unter Mac Mahon. Die Mutter, früh verstorben, erzählt gerne Märchen oder singt „ihre frommen luddrischen Kirchenlieder“. Der Vater nimmt sie als junges Mädchen zum Jagen mit. „Von Kindesbeinen ging ich all diesen Dingen im Dorf nach“, sagt sie. Den Geistern auf dem „Rosskopp“, den Irrlichtern über dem Schlossweiher. Mit ihrer Sammelei will sie auch dem Lothringer seine Wesensart aufzeigen, sein „Stammesbewusstsein“ heben, sein Volksleben bekannt machen.

Am 18. Februar 1885, Aschermittwoch, wird die Sammlerin in Lemberg (Lothringen) geboren. Sie ist das neunte von dreizehn Kindern: „Ich wuchs unverzärtelt in einer gesunden Bergluft auf, in einer Wasgenwaldgegend voll Schönheit, voller Denkmäler und Geheimnisse.“ Sie spielt in Feld und Flur, streift durch das Dorf, kennt jede Ecke und ihre Geschichte. Vom 15. bis 19. Lebensjahr kommt sie nach Finstingen (Fenetrange) ins Pensionat, um „e bissei Fronzesch“ und „e bissel Klavierspiele ze lehre“. 1905 legt sie in Metz die Lehrerprüfung für die „höhre Mädchenschule“ ab. Nie lässt sie den Faden zur Volkskunde abreißen, auch in Finstigen und Metz erkundet sie vieles. Bis 1912 arbeitet sie als Lehrerin, dann heiratet sie den Frankfurter Fabrikanten Karl Merkelbach, lebt von da an in der alten Messestadt.

Krieg und Diktatur bringen schlimme Einschnitte in ihr Leben. Die NSDAP und ihre Ziele verfangen bei ihr nicht, „die Partei“ vereitelt die Verleihung des Görres-Preises durch die Universität Bonn, ihr Sohn Norbert fällt an der Ostfront. Die Gestapo überwacht sie ständig, denn sie scheut sich nicht, sich vor einen angezeigten Mitarbeiter, Freunde ihres Bruders, Landsleute und ihr beschlagnahmtes Pensionat zu stellen. Im Rahmen des „Heimtückegesetzes“ wird sie angezeigt: Nur ihre "reine Weste" und ein menschlicher Oberstaatsanwalt retten sie. Die Familie wird ausgebombt, die Fabrik zerstört. Aus verschiedenen Gründen, unter anderm dem Tod ihres Mannes, entsteht das seit 1843 bestehende Unternehmen nicht mehr. Ihre Arbeiten werden ihr zum Trost, geben ihr Mut, neu anzufangen. Ihr Bruder war schon am 8. Dezember 1940 in Saarbrücken gestorben.

Wie zeichnet sie auf? Sie will zunächst alles so wiedergeben, wie sie es vor Ort vorfand und aufschrieb, das heißt ohne Übertragung ins Hochdeutsche, ohne Glättungen oder Umformungen. Doch auch im aufbereiteten, allgemein verständlicheren Hochdeutschen sollen Erzählart, Satzbau oder volkstümliche Ausdrücke beibehalten werden. Das Märchen „Die Schwarz Dom“ („Die Schwarze Dame“) gibt es so im Original wie in bearbeiteter Fassung.

Die Erzählungen sind geographisch nach Orten geordnet. Die Sammlerin gibt in ihren Einführungen nur das wieder, was sie in ihrer Praxis selbst erfahren hat. „Das Märchen sollte nicht losgelöst aus dem Erzählkreis wiedergegeben werden.“ Und es sei wichtig, „wann, wo, wer erzählt, welches Interesse Erzähler und Zuhörer dem Geschilderten entgegenbringen“, schreibt sie schon 1936.

Märchen und Geschichten wurden früher oft in so genannten „Meihäusern“ erzählt. Doch noch lange nicht jedes Haus war ein „Meihaus“. Bevorzugt waren die Häuser mit gut erzogenen, heiteren Bewohnern, mit größerer Stube.

Außerdem: „Wer als Förderer in den Meistubenkreis tritt, wird mit leeren Händen hinausgehen. Will man sich hier wohlfühlen und etwas erfahren, dann sollte man die Befähigung besitzen, Leute an sich binden zu können, sich ihnen anzupassen, ihr Vertrauen gewinnen, sich in ihr Denken, Glauben, in ihre Phantasie versenken können.“

So war es zum Beispiel bei Baro’s in Viller. Nicolas Baro, geboren 1867, kennt viele Lieder und Märchen, eine Fundgrube für die Geschwister Pinck. Die Märchen hat er schon aufgeschrieben und vermacht sie der Sammlerin als „sein Buch“. Darin fehlt die Umgangssprache nicht: „Miser“ (= Elend), „Tour“, „Courage“ oder auch Volkstümliches wie „Blaumeyer“(= Schwindler).

Angelika Merkelbach-Pincks erste Veröffentlichungen erscheinen 1936 im SDV-Verlag/Saarbrücken: zwei Bände „Lothringer erzählen“. 1940 folgt „Lothringer Volksmärchen“, erschienen in Kassel. „Um dem ganzen deutschen Volk" Lothringen nahe zu bringen erscheinen dort 1942 Volkssagen aus Lothringen", diese sind ins Hochdeutsche gebracht und bearbeitet. Nach dem Kriege wird mehr beziehungsweise wieder neu aufgelegt. Angelika Merkelbach-Pinck lässt sich von keinem „eninnredde“, nicht ins Werk und nicht ins Leben. So lehrt sie nach dem Krieg am College St. Vaast in Bethune Deutsch. 1953 initiiert sie eine katholische Seelsorgestelle in Lievin (bei Bethune) für dort nach der Gefangenschaft zurückgebliebene Deutsche, in der sie bis 1964 tätig ist. Danach lebt sie in Kilchberg bei Tübingen bei ihrem zweiten Sohn Lothar.

Ihren Nachlass zur Volks-Prosa besitzt das Volkskundearchiv der Universität Göttingen, der Nachlass ihres Bruders ruht im Deutschen Volksliederarchiv in Freiburg. Für ihre Mühen würdigt man sie mit zahlreichen Auszeichnungen: 1942 bekommt sie die Brüder-Grimm-Plakette der Stadt Kassel, 1956 die Willibald Pirckheimer-Medaille von Nürnberg und 1963 den Erwin von Steinbach-Preis. Sie bildet den Gegenpol zu E. Cosquins Volkserzählungen aus dem französischen Teil Lothringens. Gestorben ist Angelika Merkelbach-Pinck in Lemberg/Lothringen am 25. September 1972.

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Quellen:
- Bund der Elsässer und Lothringer, Rund-brief Nummer 2,1960.
- Rudolf Lang: „Die lothringischen Volkserzähiung bei Angelika Merkelbach-Pinck, in: Saarheimat 71, Heft 4/5.
- Karl Heinz Langstrotf: (Herausgeber), Angelika Merkelbach-Pinck, Lothringische Volksart, Marburg 1953.
- Angelika Merkeibach-Pinck: Wie ich in Lothringen Märchen sammeite, in: „Die Neue Schau", Kasse! 1942.
- Angelika Wierkelbach-Pinck: Vom Meien in Lothringen, in: „Zeitschrift für lothringische Volkskunde, 1937.
- Ines Köhler-Zülch: Angelika Merkelbach-Pinck, in: Enzyklopädie des Märchens, Kurt Ranke (Herausgeber), Band 9,1999, Seiten 584 bis 86.

Fotos: Stefan Schwall

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