Saarland-Lese

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Saarbrücken

Die 99 besonderen Seiten der Stadt

Rita Dadder und Florian Russi

Saarbrücken, Landeshauptstadt des Saarlandes und unmittelbar an der deutsch-französischen Grenze gelegen, ist eine Stadt mit vielen Reizen. Es hat eine lange und wechselvolle Geschichte. Von Goethe wurde es besucht und beschrieben und von Kaiser Barbarossa teilweise zerstört. Heute ist Saarbrücken eine moderne Metropole mit Universität, Museen und vielfältiger Kultur. Hier lebt man nach der Devise: »Wir wissen, was gut ist«, ist gastfreundlich und lässt sich gerne »entdecken«.


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Mitgelaufen

Christoph Werner

Das Buch „Mitgelaufen“ ist nicht wie andere Bücher über das Leben in der DDR. Hier liegt nicht der Fokus auf Mangelwirtschaft, einer allmächtigen Partei und der Staatssicherheit. Der Autor ist auch kein Opfer des Regimes, dem schreckliches widerfahren ist. Er gehört zu der großen Masse derjenigen, die sich als Rädchen im Mechanismus der DDR-Diktatur gedreht haben. Christoph Werner bricht mit seinem Buch das Schweigen der Mitläufer. Er stellt sich seiner eigenen Vergangenheit und dem Wissen, dass er selbst durch seine Zurückhaltung oder auch lautstarke Zustimmung das alte System lange am Leben erhalten hat. Jahrzehnte nach dem Mauerfall eröffnet er damit vor allem der heranwachsenden Generation, welche die DDR nur noch vom Hörensagen kennt, einen ganz neuen Blickwinkel auf ihre Geschichte.

Ohne Anklage und ohne den Versuch der Rechtfertigung wagt er eine kritische Betrachtung aus dem eigenen Erleben und gewährt Einblicke in eine vergangene Zeit.
Möge der Leser nicht mit dem Zeigefinger auf ihn zeigen, sondern sich fragen, wie oft er heute selbst dem Mainstream folgt oder mutig zu sich selbst und seiner Meinung steht.

Nikolaus Fox

Nikolaus Fox

Stefan Schwall

Chronist von Land und Leuten an der Saar

Nikolaus Fox lebte für die Heimat, liebte sie so sehr, dass er zu ihrem Chronisten wurde, ja sogar zum Anwalt seiner Heimat in stürmischen Jahren. Mit stets griffbereiter Feder recherchierte, notierte, sammelte, referierte und publizierte er all das, was die Leute an der Saar ausmacht, was charakteristisch ist im Leben seiner Bewohner. Der Autor wurde einer der ersten, der in dem noch jungen Staatsgebilde „Saargebiet" Auge und Ohr am Puls des Volkes hatte und zudem fleißig versuchte, vieles zu hinterfragen, zu Ursprung und Herkunft vorzudringen. Eine heitere Dorfbegebenheit, ein kleinstädtischer Schildbürgerstreich, ein unerwarteter Märchenfund, die Entdeckung einer alten Handschrift, ein mundartliches Wort oder Satzgebilde aus dem Sprachgut der Ahnen: all dies ruft seinen Namen auf, ob in Roden oder Losheim, droben in Leidingen oder auf der Bouser Höhe.
Nikolaus Fox
Nikolaus Fox

Nikolaus Fox stammt vom Lande, aus Portz bei Saarburg. Im dortigen Schulhaus des Fleckens, zu Hause in der elterlichen Wohnung, wird er am 31. Januar 1899 geboren. Sein Vater gleichen Vornamens ist dort Lehrer an der Volksschule. Das Leben ist karg: Zwei Kühe, Nutzgarten und Obstbäume tragen zur Versorgung mit bei. Aber er wächst hinein in die ländliche Welt mit ihren Traditionen, Sitten, Gebräuchen und Festen.

1902 heißt es Abschied nehmen. Der Vater lässt sich versetzen, nach Roden bei Saarlouis, denn dort verdient er etwas mehr und kann somit alle 8 Kinder auf die Schule schicken. Die Mutter gibt „willig und freudig alles, dessen sie fähig ist", sie ist immer da für die Kleinen. Ihr widmet Fox 1922 das schöne, in Rodener Mundart gehaltene Gedicht „Mein Mammen".

1905 kommt er in die Schule, in der auch sein Vater unterrichtet. 60 Schüler pro Klasse! Unter einfachsten Bedingungen muss unterrichtet werden. Danach wird er das „Humanistische Knabengymnasium Saarlouis" besuchen, wo er 1917 das Abitur besteht.

Die wilhelminische Kaiserzeit prägt auch das Land an der Saar. Bis zu den Schülern! Die vielen vaterländischen Gedenk- und Erinnerungstage mit ihren Feiern, der Kampf des Staates gegen die Sozialdemokratie, patriotische Schulerziehung und strenge Unterrichtsnormen sollen treue Untertanen hervorbringen. Als der erste Weltkrieg ausbricht, ist er Untersekundaner. Aber „so hart der Krieg auch war, besonders der Hungerkrieg, so sind doch viele meiner Schulerinnerungen eingebettet in friedliche Beschaulichkeit". Schülerchor, Schülerorchester, Theaterabende, Sportverein, „Volkslieder- und Marschabende" an seiner Schule mildem für ihn die Auswirkungen des Krieges, denen die Bevölkerung ausgesetzt ist. August 1916 macht er sogar mit Freunden eine Tour durch die Eifel, ein Tagebuch dieser Reise hält Stationen, Personen und Erlebnisse genau fest. Vor dem Abitur muss er, kriegsbedingt, auch noch Hilfsdienste in der Landwirtschaft leisten.

1918 rücken die Franzosen ins Land an der Saar, das auf Kartentischen erstmals neu entworfene, homogene „Saargebiet" untersteht von nun an den Franzosen und dem Völkerbund. Nikolaus Fox weilt schon „im Reich", das Saargebiet besitzt keine Universität, und so belegt der Student in Bonn Deutsch, Geschichte, Latein, Französisch und Philosophie. 1919 wechselt er nach Köln, belegt zusätzlich Theater- und Zeitungswesen.

Schon während der Studentenzeit beginnen ausgefüllte Jahre, neben seinem Studium für das Lehramt beginnen erste literarische Schritte, sein Interesse für heimatliche Volksmärchen, Sagen und Brauchtum ist voll entfacht, auch an der heimischen Rodener Mundart hängt er mit besonderer Liebe. So ist er am 13. Mai 1922 promoviert mit einer Arbeit über die Mundart des Ortes Roden. Im gleichen Jahr erscheinen erstmalig im „Dillinger Anzeiger" seine beiden weithin bekannt gewordenen Gedichte „Dat alt Haus" und „Mondnaat": Wehmütig, romantisch und besinnlich zugleich.

1924 hat er „De Kurwel" vollendet, ein „Lustspiel in 3 Aufzügen, abgelauscht in der Sprache des Volkes". Es wird das saarländische Lustspiel schlechthin und wurde daraufhin auch in anderen deutschen Regionen in deren Dialekten aufgeführt und publiziert. Zudem gehört er einer Studentenverbindung an, die „Freie Burschenschaft der Sudwestdeutschen" und er arbeitet 1922/23 als Redakteur beim „Dillinger Anzeiger - Amtliches Organ der Bürgermeisterei Dillingen und Anzeigenblatt für das Prims, Nied- und Saartal". Neben lokalen Beiträgen verfasst er manchen Leitartikel &uuuml;ber die vielen nationalen und internationalen Ereignisse, die Deutschland nicht zur Ruhe kommen lassen. Man erkennt die stets vorhandene Sorge des Autors um die Zukunft Deutschlands und des Saargebietes.

1925 hat er das erste Staatsexamen bestanden, in den nächsten Monaten ist er Referendar in Neunkirchen, Saarbrücken, Merzig und Homburg. 1927 erscheint sein bedeutendstes Werk, die „Saarländische Volkskunde", im „Fritz Klopp Verlag", Bonn. 498 Seiten geben Aufschluss über die Wurzeln der hiesigen Bevölkerung, die Siedlungsformen, die Kleidung, den „Charakter", die Sprache und Dichtung, den Glauben und die Sitten und Bräuche.

1928 besteht er das 2. Staatsexamen, bis 1934 ist er Assessor in Dillingen, 1934 wird er dort Studienrat. Am Lyzeum Dillingen bleibt er bis 1939, dann ist er bis 1944, von kurzen Unterbrechungen abgesehen, an der Städtischen Oberschule für Mädchen in Saarlautem tätig. 1941 wird er dort Oberstudiendirektor.

„Heimat war ihm nie altertümelnde ‚Krähwinkelei‘, sondern der sichere Ausgangspunkt des Entdeckers und Denkers größer geistiger Räume", wie sein Freund und Kollege Wilhelm Heinrich Recktenwald in einem Gedenkblatt schreibt. So führte seine Märchenforschung aus dem kleinen Saargebiet in die Märchenwelt der germanischen Völker mit immer neuen Entdeckungen. Archivarbeit zu diesen germanischen Märchen führte ihn noch vor Kriegsausbruch nach Kopenhagen. 3 Märchenbände unveröffentlicht sind das Ergebnis.

Als 1935 der Abstimmungskampf seine Schatten vorauswarf wurde er vollends aktiv. Schon 1930 (bis 1932) ist Dr. Fox Mitglied der DSVP (Deutsch-Saarländische Volkspartei), seit April 1933 Mitglied der NSDAP, vom 1.3.1934 - 13.1.1935 ist er Mitglied der Deutschen Front, wird sogar Kreisredner.

„Darum liebe ich meine Heimat zu sehr, daß meine Landsleute den 13.01.1935 als einen Tag ansehen, an dem man von dem Geschick die Gelegenheit bekam, dem armen, gequälten Vaterlande, den Beweis der Treue zu liefern."

Aus dieser Sicht heraus sollte man die Stellung des allzu früh Verstorbenen zum Nationalsozialismus begreifen. Volkskunde als Wissenschaft und Volkstumspflege als Grenzlandauftrag mussten ihn manchen Leitsatz zur „inneren Volksemeuerung auf germanischem Erbe" verlockend erscheinen lassen. Als Idealist glaubte er an Positives im System, glaubte an bessere Staatsordnung.

Zu spät erkannte er, wie so viele, wie totalitär und menschenverachtend die neue Ideologie war. Wegen größenwahnsinniger Ziele musste er noch im November 1944 in den Krieg, nach Nordnorwegen. Zum Glück Ist die Front relativ ruhig, er kann lesen, Land und Leute, soweit es geht, erkunden und er führt Tagebuch. Darin macht er sich, bereits von seiner schrecklichen Krankheit gezeichnet, unter anderem Gedanken über seine Familie, Vaterland und die Zukunft.

Er erlebt keine bessere Zukunft mehr, er stirbt in einem Kriegslazarett in Innsbruck am 14. Mai 1946, Beerdigt ist er dort auf dem Pradeler Friedhof, ohne seine Frau und die fünf Kinder wiedergesehen zu haben.

Der Weinesel (erschienen 1995) *
Der Weinesel (erschienen 1995) *

Nikolaus Fox hat sich literarisch mit vielen Gattungen auseinandergesetzt: Lyrik, Bühnenstücke, Schwänke, Kurzgeschichten und Volksmärchen. Zudem dürfen nicht die wissenschaftlichen Beiträge, die beiden Romanfragmente und die gesammelten Schnurren und Anekdoten aus dem Volksmund unterschlagen werden.

Die Wurzeln seines Interesses für die Geschichte und Volkskunde seiner Heimat gehen tief zurück in früheste Lebensjahre. Bäuerlich dörfliche (Portz, Roden), später kleinstädtische (Saarlouis) Lebensweisen seiner Mitbewohner schlagen ihn in ihrem Bann. Die Hektik unserer Tage ist noch weithin unbekannt, man hat Zeit zu einem Plausch oder auch zu Familienfesten oder Festen des ganzen Dorfes. Als Schüler besucht er weiterhin die Großeltern (väterlicherseits) bei Saarburg, auch Roden (heute Stadtteil) hat noch Dorfcharakter.

Die Wahl seiner Hauptstudienfächer (Deutsch / Geschichte) ist somit vorprogrammiert. Aber sein Interesse geht über den vorgeschriebenen Studienalltag hinaus. Er arbeitet nämlich schon „in eigener Regie": er sammelt einerseits Erfahrungen im Formulieren (Redakteur), eignet sich an (Sammeln von Material und Stoffen) und versucht sich schon als Autor (Lyrik). Eines greift in das andere: ermutigt durch die Promotion, arbeitet er als Redakteur, nebenher reifen schon andere Projekte.

Ein starker Antrieb für einen Teil seiner Arbeit dürfte die politische Lage der Heimat gewesen sein. In die Weltpolitik geraten, von zwei Ländern beansprucht, die zum Teil mit „unsauberen Mitteln" arbeiten, ihren Einfluss zu festigen, leidet Fox an eben diesem Zustand. Es galt für ihn, in welch schriftlicher Form auch immer, diesen neuen Staat Saarländern und Nichtsaarländem nahezubringen. Die „Volkskunde" sei hier genannt, ebenso wie folgende Beiträge: „Der Handschlag" (1926), „Volk und Volkslied" (1927), „Volkskunde" (Begriff, Arbeitsweise und Ziel, 1930/31), „Die Altsaarlouiser Mundarten" (1930). Vom verschärften Klima vor dem Abstimmungskampf zeugt die Abhandlung „Saarlouis und Frankreich" (1934), in der er aufzeigen will, dass französische Ansprüche auf Saarlouis und seine Umgebung nicht zu halten seien. In „Volkskunde und Volkstumsarbeit" (1937) setzt er sich mit christlicher Volkskunde und staatlicher (germanisch-deutsch) Volkskunde auseinander. 1937 gibt er einen Aufsatz heraus zum „Stand der Volkskunde in der Saargegend".

Damit Sprache nicht nur fixiert ist, sondern auch „lebt", brachte er heimische Mundart in klassischen Rahmen. 1933 erscheinen im Hausen-Verlag „Der tote Mann", „De töpig Fra'u" und „Der Kouhdipp" frei nach Hans Sachs. Mit viel Humor werden mundartlich die menschlichen Schwächen karikiert. Lange, noch weit in die 50-er und 60-er Jahren hinein, werden diese Stücke auf die Bühne gebracht, ebenso wie sein Werk „De Kurwel" (1924).

Biographisches spiegelt sich in den Gedichten „Dat alt Haus" (1922), „Mein Mammen" (1922) und „Ihr Irrsale" (1945), ebenso wohl wie in dem Romanfragment „Abend im Dorf' (1952 abgedruckt).
Die Geschichten des „Erzlügners Michel Tonton", eines Saarlouiser Münchhausen (1931) hat er vor dem Vergessen bewahrt (Josef Sieberger (1830-1905) formte zuerst den spröden, nur mündlich überlieferten Schwankstoff, heute noch wird jedes Jahr während des Altstadtfestes der „Michel Ton ton Preis" in Saarlouis verliehen), ebenso wie „Aus dem Leben des Nikolaus Driesch" (Tagebuch eines entfernten Verwandten von Fox (1933), „Volksmärchen in den Landschaften der Westmark" (1941), „Märchen- und Tiergeschichten in den Landschaften der Westmark" (1942) und gesammelte Schnurren und Anekdoten aus dem Volksmund, ab 1936 eingeschickt an das „Ahnenerbe" in Berlin.

Typisch menschliche Eigenschaften und Schwächen hat er verarbeitet in „De Kouh (Kurzgeschichte, 1922), „De Kenddäf" (Schwank, 1924), „Der Bubikopp" (Kurzgeschichte, 1927), „Van ‚m Natswächter, wo net tute kommt" (Kurzgeschichte, 1930), „Der Jäpe well net schlofen" (Kurzgeschichte, 1935), „Der tote Kläs" (Kurzgeschichte, 1936) und „Der Weinesel" (Kurzgeschichte, ?)

Als Bewunderer und Liebhaber von Gottfried Keller verfasst er in ähnlicher Weise die „Geschichten aus Gimpelstedt": „Der Mühlstein" (1922), „Das Fünfgroschenstück" (1937), „1848" (unveröffentlicht) und „Herr Knipprath" (unveröffentlicht).

Eine ungenierte Kraft zeichnet seine Prosa aus, eine holzschnittartig knappe Anschaulichkeit voll tiefer Menschenkenntnis und Humor.

Neben dem also, was „das Volk" ihm „vermacht", lässt er selbst in eigenen Beiträgen Sprache, Bräuche, Sitten, Charaktere leben, webt eigene Handlungen, volkskundlich fundiert, teils in Hochdeutsch, teils in Mundart, mal humorvoll, ironisch, oder ernst. Hätte seine schreckliche Krankheit ihn nicht allzu früh hinweggerafft, es wäre wohl noch einiges erschienen. Bis zuletzt war er voller Pläne und am Schreiben.

Und der Mensch Nikolaus Fox? Nächstenliebe, Hilfsbereitschaft, Witz und Humor zeichneten ihn aus.  Er hat Dichter wie Hermann Eris Busse und Ludwig Finckh zu Lesungen auf den vergessenen „Gau" entführt, Mozart und Schubert in kümmerlichen Wirtshaussälen erklingen lassen. „In den Städten ist Kulturleben kein Kunststück, aber hier! Die Leute wollen nicht nur bei Wahlkampagnen respektiert werden!" Fehlt bei der Aufführung eines seiner Stücke ein Spieler, sprang er beherzt ein, gleich in welcher Rolle. Ging ihm trotz Souffleurs der Text aus, verließ er die Bühne und überließ die anderen so lange ihrem Schicksal, bis er sich hinter den Kulissen wieder gesammelt hatte. Bei einem Kassenmanko zahlte er die Fehlsumme aus eigener Tasche. „Dir kannen jo net dafor!", tröstete er das Ensemble.

 

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Bildquellen:

Alle Fotos stammen aus dem Privatbesitz des Autors.

Umschlagbild "Der Weinesel". Von Käuzen, Schelmen und klugen Frauenzimmern, hrsg. von Guido König und Stefan Schwall, Mit einer Kurz-Biographie von Stefan Schwall und einem Werk-Essay von Guido König, Blieskastel 1995. 

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