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Saarbrücken

Die 99 besonderen Seiten der Stadt

Rita Dadder und Florian Russi

Saarbrücken, Landeshauptstadt des Saarlandes und unmittelbar an der deutsch-französischen Grenze gelegen, ist eine Stadt mit vielen Reizen. Es hat eine lange und wechselvolle Geschichte. Von Goethe wurde es besucht und beschrieben und von Kaiser Barbarossa teilweise zerstört. Heute ist Saarbrücken eine moderne Metropole mit Universität, Museen und vielfältiger Kultur. Hier lebt man nach der Devise: »Wir wissen, was gut ist«, ist gastfreundlich und lässt sich gerne »entdecken«.


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Die Päpste als Friedensvermittler

Der Kirchenhstoriker Stefan Samerski stellt die Friedenspolitik und -Arbeit des Heiligen Stuhls in der modernen Zeit heraus.

Erinnerungen an das Grubenunglück in Luisenthal

Erinnerungen an das Grubenunglück in Luisenthal

Hans Herkes

Vor 50 Jahren

Wo waren Sie, als ...? Welche Erinnerung haben Sie an ...? Solche Fragen stellen Reporter gern bei Gedenktagen ihren Interviewpartnern, die Zeugen eines besonderen Ereignisses waren. Manchmal überlegt man sich auch selbst: Was habe ich eigentlich gemacht, als ...? Wo war ich bei diesem oder jenem herausragenden Ereignis?

Ja, wie habe ich eigentlich das Kriegsende am 8. Mai 1945 erlebt? Immerhin war ich 13 Jahre alt und erinnere mich an andere, weniger wichtige Ereignisse aus dieser Zeit. Vielleicht haben wir im nahen Wäldchen gerade einen Baum gefällt, um Brennholz zu bekommen, oder den Garten umgegraben, aber an eine Meldung über den Waffenstillstand erinnere ich mich nicht. Ähnlich ist es mit Ereignissen aus jüngerer Zeit: Tschernobyl, Errichtung und Fall der Berliner Mauer, Anschlag auf das World Trade Center in New York.

Grube Luisenthal 2011 (Die Kohleförderung wurde 1994 eingestellt.)
Grube Luisenthal 2011 (Die Kohleförderung wurde 1994 eingestellt.)

Dagegen weiß ich genau, wo ich am 7. Februar 1962 war, dem Tag des schlimmen Grubenunglücks in Luisenthal. An jenem Mittwoch waren die Lehrer des Völklinger Schulbezirks im Vereinshaus in der Bismarckstraße zusammengekommen. An den Grund der Versammlung erinnere ich mich nicht, jedoch an den Klang der Martinshörner, der von der Straße in den Saal drang. Es wäre nichts Ungewöhnliches gewesen, wenn ein oder zwei Rettungswagen am Vormittag vorbeigefahren wären, gab es doch ein Krankenhaus in der Nähe, aber das Heulen der Hörner hörte nicht mehr auf. Etwas Schlimmes musste passiert sein. Als wir erfuhren, dass in der Grube Luisenthal ein Unglück geschehen sei, konnten wir uns das Ausmaß der Katastrophe immer noch nicht vorstellen.

Etwas anderes kam hinzu, was uns, meinen ehemaligen Klassenkameraden und dann Kollegen an der gleichen Schule, A. K. und mich, erschreckte: Es war noch kein Monat vergangen, seit wir mit einer Lehrergruppe in diese Grube eingefahren waren. In den 60er Jahren schien der Bergmannsberuf nicht mehr so attraktiv zu sein wie in der Zeit unmittelbar nach dem Krieg, als die Bergleute sich mancher Privilegien erfreuen konnten. Vielleicht ließ auch das Grubenunglück, das sich im August 1956 im belgischen Marcinelle ereignet und 262 Tote gefordert hatte, manchen jungen Mann zögern, den Beruf des Bergmanns zu erstreben. Wenn meine Erinnerung nicht ganz falsch ist, bemühte man sich von Seiten der Saarbergwerke damals, an der öffentlichen Wahrnehmung des Bergmannsberufes etwas zu ändern. In diesem Zusammenhang lud man Lehrergruppen zur Besichtigung ein, weil man sich von ihnen einen Beitrag zu diesem Ziel erhoffte. und so war ich im Januar 1962 in der Grube Luisenthal.

Ehrenmal in Luisenthal für die Opfer des Grubenunglücks am 7. Februar 1962
Ehrenmal in Luisenthal für die Opfer des Grubenunglücks am 7. Februar 1962

Der Grubenbeamte, der uns empfing, war gut vorbereitet auf den Besuch einer Lehrergruppe. Er wusste, dass im Lesebuch „An der Schwelle", das in den Klassen 7 und 8 der saarländischen Volksschulen verwendet wurde, die Erzählung „Unverhofftes Wiedersehen" von Johann Peter Hebel stand. Darin wird von einem jungen Bergmann in Schweden berichtet, der um 1750 in einer Erzgrube tödlich verunglückt war, und in Parenthese liest man den Satz „der Bergmann hat sein Totenkleid immer an"; aber es geht in der Geschichte nicht um diesen Unglücksfall, sondern um die Liebe und Treue, die die Braut des Verunglückten ihrem Verlobten gegenüber bewahrt bis ins hohe Alter und den unerwarteten Schluss. Eine schöne Erzählung, deren literarische Qualität der Grubenbeamte nicht bestritt, aber er beklagte, dass in manchen überlieferten Geschichten immer noch ein Bild des Bergmanns gemalt werde, das nichts mit der Realität der modernen Arbeitswelt zu tun habe, die vom Fortschritt der Technik bestimmt werde.

Der mit der Öffentlichkeitsarbeit betraute Vertreter der Saargruben hat uns nichts Falsches gesagt, und er war gewiss überzeugt von der Effizienz der Sicherheitsvorkehrungen im saarländischen Bergbaurevier, die eine Katastrophe wie wenige Jahre vorher in Belgien hier nicht zuließe. Er wird ebenso bestürzt und ratlos gewesen sein wie alle anderen Teilnehmer an der Trauerfeier auf dem Grubengelände, als er vor fast dreihundert Särgen stand. Es wurde berichtet, man sollte es vielleicht nicht unerwähnt lassen, dass der katholische Pfarrer von Luisenthal, als er von dem Unglück erfuhr, zur Grube eilte und darauf bestand, mit dem Rettungstrupp einzufahren.

 

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Bildnachweise:
- Vorschaubild: Bergmann mit Grubenlampe. Wohlfahrtsbriefmarke der Deutschen Bundespost - Saarlandausgabe, 1957, (Block "Helfer der Menschheit", insgesamt 4 Marken).
- Foto Grube Luisenthal: Urheber LoKiLeCh, 2011, Lizenz CC BY-SA 3.0. via Wikimedia Commons
- Foto Ehrenmal in Luisenthal: Rita Dadder

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